Heutzutage dürfe man ja - dieser Baustein darf in keiner AfD-Rede fehlen - nichts Kritisches mehr sagen, ohne dass man gleich gesellschaftliche Ächtung und Sanktionierung erfahre. Nur die eigene Partei natürlich, die stehe für "Mut zur Wahrheit". Ähnlich formulierte es AfD-Landeschef Stephan Protschka vor einigen Wochen im BR-Politikmagazin Kontrovers. Man sei die einzige basisdemokratische Kraft im Land, während in anderen Parteien Mitglieder, die gegen die Führung stänkern, prompt "rausgeschmissen" werden - "so ist es bei uns nicht".
Hoppla, haben sich da nicht wenige in der Bayern-AfD gedacht, wirklich? Denn intern wird hitzig über den Fall Kurt Schreck debattiert - über eine, wie es dessen Unterstützer nennen, "Bestrafungsaktion" wegen eigener Gedanken.
Aber der Reihe nach: Im August trafen sich Vertreter von Protschkas Vorstand und der Betriebsrat der Bayern-AfD am Arbeitsgericht München. Da ging es um den geplanten Umzug der Parteizentrale vom Münchner Umland ins mittelfränkische Greding. Aus Kostengründen und wegen Synergien mit dort gemieteten Lagerräumen, sagte die Parteispitze. Stimmt nicht, meinte der Betriebsrat. Die Mitarbeiter sollen mit dem Umzug vergrault werden und durch Gefolgsleute des völkischen "Flügels" ersetzt werden; die AfD-Strömung dominiert die amtierende Parteiführung in Bayern.
Schreck wiederum trat vor Gericht als Rechtsbeistand des Betriebsrats auf. Er ist in der AfD kein Unbekannter, saß vor Jahren selbst im Landesvorstand, ist Mitglied im Kreistag Main-Spessart. Gegen ihn wurde in der Folge des Gerichtstermins ein Parteiausschluss eingeleitet - sein Einspruch liegt jetzt am Landesschiedsgericht der Partei.
Rache für eine eigene Meinung? In der Bayern-AfD kursieren verschiedene Deutungen, wenn man sich umhört. Die einen sagen, Schreck habe sich schon vor dem Gerichtstermin über Jahre "viel" geleistet, so soll er etwa einen besonders rechtslastigen Mann aus dem Landesvorstand provokant gefragt haben, wann dieser endlich eine "NSDAP-Ortsgruppe" gründe. Andere sagen, Schreck sei zwar eine "Nervensäge", aber das müsse man doch aushalten. Von einer "Maulkorb-Kultur" reden die nächsten und vom Verdrängen gemäßigter Kräfte unter Vorschieben von Lappalien.
Protschka selbst sagt auf Nachfrage der SZ nichts dazu, alles intern. In besagtem Kontrovers-Interview wurde er aber vor laufender Kamera nach anderen laufenden Parteiausschlüssen gefragt, da ging es um Holocaust-Thesen und Gewaltfantasien. Um "ähnliche Sachen" gehe es bei Schreck, fügte Protschka hinzu - der Unterfranke hat den Landeschef daraufhin nach eigenen Angaben wegen Verleumdung angezeigt.