Treffen der G 7 in Elmau:Gipfelgegner dürfen ohne Auflagen campen

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Auf einer Wiese in Garmisch läuft der Aufbau des Protestcamps gegen den G-7-Gipfel in Elmau. (Foto: AFP)
  • Erst hat das Verwaltungsgericht München das Verbot des Camps von G-7-Gegnern in Garmisch aufgehoben. Nun verzichtet die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen darauf, überhaupt irgendwelche Auflagen zu machen.
  • Am Abend haben Bürgermeisterin Meierhofer und das Aktionsbündnis eine schriftliche Vereinbarung mit Camp-Regeln getroffen und gemeinsam unterzeichnet.
  • Die Polizei reagiert verstimmt: Ein Genehmigungsbescheid mit Auflagen würde ihr die Arbeit leichter machen, erklärt ein Sprecher.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Wie die Gemeinde auf die Aufhebung des Verbots reagiert

Es ist ein Protestcamp ohne Auflagen: Nachdem ihr Verbot vom Verwaltungsgericht München gekippt worden ist, macht die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen keine Einschränkungen für das Zeltlager von G-7-Gegnern auf einer Wiese im Gemeindegebiet. Man werde sich der richterlichen Entscheidung "fügen und das Anti-G-7-Camp an der Loisach dulden", erklärte Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD) am Mittwochnachmittag. Auch der Freistaat werde nicht in die nächste Instanz ziehen.

Zudem wolle man "keine möglicherweise rechtswidrigen Einschränkungen" für das Camp erlassen, ergänzte ein Sprecher der Gemeinde. Deshalb habe man für das Camp keinen sogenannten Bescheid erlassen, der mit Auflagen hätte verbunden sein können. Man werde die Organisatoren des Camps, die zum Bündnis "Stop G 7 Elmau" gehören, beim Wort nehmen, dass sie ihre eigenen Auflagen erfüllen.

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Am Abend teilte die Gemeinde dann mit, Meierhofer und das Aktionsbündnis hätten eine schriftliche Vereinbarung getroffen und gemeinsam unterzeichnet. Darin heißt es, dass das Grundstück nur mit Flatterband und nicht Bauzäunen abgesteckt werden und kein Feuer im Camp gemacht werden dürfe. Das Bündnis müsse zwei Ansprechpartner für die Polizei sowie einen Lärmschutzbeauftragten benennen und einen Ordnungsdienst schaffen.

Weiter heißt es: "Eine Zutrittsmöglichkeit zum Camp für alle Einsatzkräfte wird gewährleistet." Die Gemeindewerke stellen einen Kanal für Schmutzwasser und einen Müllcontainer. Meierhofer: "Es freut mich sehr, dass es gemeinsam und einvernehmlich zusammen mit Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr sowie den Gemeindewerken gelungen ist, eine belastbare und den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entsprechende Vereinbarung zu schließen. Mein großer Dank gilt allen Beteiligten für das konstruktive Miteinander."

Welche Konsequenzen das Fehlen von Auflagen hat

Die Polizei hatte nach SZ-Informationen darauf gedrungen, dass die Gemeinde Auflagen erlässt. Nun gibt es etwa keine offiziellen Regelungen für den Brandschutz oder Fluchtwege - und auch nicht für die Zahl der Menschen, die am Camp teilnehmen. Im Gerichtsbeschluss ist die Rede davon, dass das Camp "generell für ca. 1000 Personen konzipiert" sei; weiter heißt es aber: "In der Hauptzeit könnten kurzfristig auch mehr Personen untergebracht werden."

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York Runte, der die Beschwerde gegen das Verbot beim Gericht eingereicht hatte, geht davon aus, dass die 6800 Quadratmeter große Fläche, die er von einem Privatmann gepachtet hat, nicht ausreichen wird für die Zahl der anreisenden Protestcamper. Er appellierte daher an die Gemeinde, noch eine weitere Fläche zur Verfügung zu stellen. Das aber ist nach Auskunft des Gemeindesprechers nicht möglich: "Wir haben bereits nachgewiesen, dass andere Grundstücke nicht verfügbar sind." Wenn nun tatsächlich deutlich mehr als 1000 Protestcamper anreisen sollten, könnte es also zu chaotischen Zuständen in Garmisch kommen.

Wie der Aufbau des Camps läuft

Nach dem Gerichtsbeschluss am Dienstag begannen die Aktivisten mit Hochdruck, das Camp aufzubauen. Sie stellten mobile Toiletten auf und richteten Gemeinschaftszelte für die Küche und die sanitäre Versorgung ein.

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Bürgermeisterin Meierhofer, besuchte das Camp am Mittwoch, um "im Gespräch mit den Verantwortlichen" dort "einvernehmliche Lösungsansätze zu finden, damit die Sicherheit der Campbewohner und der umliegenden Grundstücke gewahrt bleibt", wie sie vorher sagte. Im Zweifel aber trägt aus ihrer Sicht die Polizei die Verantwortung: "Ich bin der festen Überzeugung, dass die Polizei - sollte es zu konkreten Gefährdungen, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten kommen - rechtmäßige Mittel zur Gefahrenabwehr ergreifen wird, ohne dass es weiterer Maßnahmen des Marktes bedarf."

Wie die Polizei reagiert

Die Polizei ist mit dem Vorgehen der Gemeinde offenbar nicht glücklich. Man wollte sich zwar während der Gespräche zwischen Gemeinde und Campbetreibern zurückhalten, sagte ein Sprecher. Aber er sagte auch: "Grundsätzlich gilt, dass ein Bescheid mit Auflagen die Arbeit der Polizei wesentlich erleichtern würde."

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Das letzte Wort ist womöglich noch nicht gesprochen: Dem Vernehmen nach laufen im Hintergrund Gespräche, an denen die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt beteiligt sind.

Die Verwaltungsrichter haben in ihrer Begründung zur Aufhebung des Verbots klargestellt, dass das Camp in einem Kontext mit den angemeldeten Demonstrationen stehe. Und diese basierten auf dem im Grundgesetz verankerten "fundamentalen Recht" auf Meinungsäußerung und Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Deshalb liegen die Hürden für ein Verbot des Camps nach ihrer Ansicht sehr hoch. Und die Gründe, die die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen anführt, reichen ihrer Einschätzung nach dafür nicht aus.

Die Argumentation des Gerichts im Überblick:

  • Als Hauptgrund für das Verbot des Protestcamps hatte die Gemeinde Gefahr für Leib und Leben der Campenden im Falle eines Hochwassers gesehen. Das Grundstück des Camps grenzt an die Loisach. Die Gemeinde habe in ihrer Begründung von der "Möglichkeit eines sogenannten HQ-100-Hochwassers" geschrieben, führen die Richter aus. Ein solches komme aber durchschnittlich einmal in 100 Jahren vor. Und selbst bei einem solchen Jahrhunderthochwasser wäre auf der Wiese mit einem Wasserstand von 50 Zentimetern zu rechnen - "was als beherrschbare Gefahrenlage angesehen werden kann", wie die Richter schreiben. "Von einer relevanten Hochwassergefährdung" sei auch angesichts der Wettervorhersage "nicht auszugehen", was auch der Gemeinde "klar sein dürfte".
  • Eine mögliche Gefährdung für angrenzende Privatgrundstücke könne man durch Auflagen minimieren, finden die Richter. Und sie ergänzen: "Einer unzulässigen Ausbreitung des Camps kann schließlich durch polizeiliche Kräfte, die im fraglichen Zeitraum vor Ort in großer Anzahl bereit stehen werden (mindestens 20 000 Polizeibeamte) zusätzlich begegnet werden." Da die Gemeinde keine Auflagen erlassen will, liegt die Verantwortung demnach bei der Polizei.
  • Zur Gefahr durch gewalttätige Demonstranten schreiben die Richter, es sei zwar "denkbar und durchaus wahrscheinlich", dass das Camp "auch von solchen Personen als Operationsbasis und Rückzugsraum für ihre rechtswidrigen und kriminellen Vorhaben missbraucht" werde. Das rechtfertige wegen der Bedeutung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit aber "nur im absoluten Ausnahmefall" ein "repressives Totalverbot des Camps". Es sei auch in diesem Sinne Aufgabe der Polizei, für Sicherheit zu sorgen.

Die Öffentlichkeit wird von den Organisatoren aus dem Camp weitgehend ausgeschlossen. Einen Sichtschutz wird es aber nicht geben. Man stehe somit "ganz im Gegensatz zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des G-7-Gipfels, zu jeder Zeit auf dem Präsentierteller", erklärte ein Sprecher der Aktivisten.

Befürchtungen, von den Camp-Teilnehmern könnte Gewalt ausgehen, weist er zurück. "Das stimmt nicht", sagte er. "Falls hier jemand mit Benzinkanistern ankäme, dann dürfte der in das Camp gar nicht rein."

Für Samstag planen die Gipfelgegner eine Großdemo und für Sonntag einen Sternmarsch. Details stünden aber noch nicht fest, sagte der Camp-Organisator York Runte. Für den Sternmarsch hat das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen Beschränkungen verfügt, gegen die eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht München läuft. Die Entscheidung darüber ist aber nicht vor Freitagmittag zu erwarten, wie das Gericht am Mittwochabend erklärte.

Polizei verschärft Verkehrskontrollen

Indessen verschärfte die Polizei rund um Elmau die Verkehrskontrollen am Mittwoch deutlich wahrnehmbar. Auf der Autobahn A 95 sperrten die Beamten am Vormittag gute 30 Kilometer vor Garmisch-Partenkirchen eine Fahrspur, auf der anderen leiteten sie die Autos und Lastwagen durch. An diesem ersten Kontrollpunkt soll in den kommenden Tagen vor allem der überregionale Verkehr herausgefischt und um die Gipfelregion herumgeleitet werden.

An einem zweiten Checkpoint in Farchant, etwa fünf Kilometer vor Garmisch, wurden bereits Fahrzeuge kontrolliert, mit besonderem Blick darauf, ob darin möglicherweise gewaltbereite Demonstranten anreisen. Je näher Autos dem Camp kommen, umso intensiver würde geprüft, sagte ein Polizeisprecher.

(Mit Material von dpa)

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