Bahnverkehr:Britischer Bahnbetreiber bekommt Zugstrecken in Schwaben

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  • Von Dezember 2021 an übernimmt das britische Bahnunternehmen Go-Ahead die Strecke von München über Buchloe und Memmingen nach Lindau, ein Jahr später folgen weitere Strecken in Bayern.
  • Die Planungen der Verantwortlichen laufen bereits - unter anderem werden im Moment noch Lokführer gesucht.
  • Der Fahrgast Pro Bahn kritisiert derweil die aktuellen Probleme des Fuggerexpress - sowohl mit Fahrzeugbereitstellung als auch bei der Pünktlichkeit.

Von Marco Völklein, Augsburg/Stuttgart

Anfang Juni werden die Chefs der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) ganz genau nach Baden-Württemberg schauen. Denn vom 9. Juni an wird das britische Bahnunternehmen Go-Ahead einen Teil der Regionalzugstrecken rund um Stuttgart bedienen. Wo derzeit noch die Züge der Deutschen Bahn (DB) rollen, fahren dann die Garnituren von Go-Ahead. Was das mit Bayern zu tun hat? Nun ja, die Briten verfolgen einen stringenten Wachstumskurs - und kommen auch in den Freistaat: Von Dezember 2021 an hat die BEG Go-Ahead damit beauftragt, die (dann elektrifizierte) Strecke von München über Buchloe und Memmingen nach Lindau zu befahren, ein Jahr später werden die Briten die Strecken übernehmen, die von München über Augsburg weiter nach Ulm und Donauwörth führen - bislang von der DB "Fugger-Express" genannt. Die bange Frage wird dann sein: Klappt die Aufnahme des Betriebs durch den Neuling aus England?

Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt: Eigentlich immer, wenn ein neuer Anbieter ein Regionalzugnetz übernahm, kam es zu Problemen. Meist waren die bestellten Fahrzeuge nicht rechtzeitig geliefert worden, hin und wieder hatte der neue Betreiber auch nicht genügend oder ausreichend motiviertes Personal auftreiben können. Ausbaden mussten das die Fahrgäste: Die mussten sich in Ersatzzüge zwängen, die zu wenig Platz boten. Oder Fahrten fielen komplett aus. Die BEG-Chefs, die im Auftrag des Freistaats die Regionalzüge und S-Bahnen bei den Bahnunternehmen bestellen und bezahlen, waren von solchen Problemen nicht begeistert.

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Spannend wird also nun, wie der Betriebsstart durch Go-Ahead rund um Stuttgart läuft - bislang versichern die Verantwortlichen dort, dass alles im Zeitplan sei. Man habe genügend Lokführer und Zugbegleiter gefunden und ausgebildet, und auch die für die Betriebsaufnahme benötigten Fahrzeuge werde man rechtzeitig und in genügender Zahl zur Verfügung haben.

In Augsburg versuchen die Briten bereits jetzt, sich zu etablieren. An diesem Mittwoch lädt das Unternehmen zusammen mit der Lokführergewerkschaft GDL zu einer Infoveranstaltung in einem Augsburger Brauhaus ein, um bisherige DB-Mitarbeiter zu informieren - und gegebenenfalls zu einem Wechsel zu bewegen. Denn gerade Lokführer sind gesucht, bundesweit fehlen mehrere Tausend Mitarbeiter in den Führerständen, nicht nur bei der DB, sondern auch bei vielen anderen Eisenbahnunternehmen. Und viele, die derzeit noch die roten DB-Regionalzüge durch Bayerisch-Schwaben steuern, könnten zu anderen DB-Töchtern wechseln, etwa in den Fern- oder Güterverkehr, oder zum ebenfalls in Augsburg etablierten Anbieter Bayerische Regiobahn (BRB).

In Baden-Württemberg konnte Go-Ahead nur gut 40 Prozent der benötigten Lokführer von der DB zu sich holen, die restlichen 60 Prozent mussten aus anderen Branchen angeworben und in mehrmonatigen Kursen ausgebildet werden. In den Augsburger Netzen, erwartet der dortige Go-Ahead-Projektleiter Robert Bollmann, dürfte es ähnlich sein. "Deshalb fangen wir so früh wie möglich an mit der Suche." Uwe Böhm, Chef der Lokführergewerkschaft GDL in Bayern, mahnt, Go-Ahead müsse den Leuten "möglichst bald eine Perspektive aufzeigen". Andernfalls seien die rasch weg.

Go-Ahead will einen "qualitativ hochwertigen Betrieb" aufziehen

Von Juni an will Go-Ahead daher mit einem eigenen Büro in Augsburg präsent sein. Und im kleinen Ort Langweid nördlich von Augsburg hat das Unternehmen ein ehemaliges Militärareal mit Gleisanschluss im Blick, auf dem die Werkstatt für die neuen Züge errichtet werden soll. Denn für den Betrieb der Augsburger Netze haben die Briten für insgesamt 400 Millionen Euro bei Siemens 44 Züge des Typs Mireo bestellt sowie zwölf Doppelstocktriebzüge des Typs Desiro. Für die Strecke München-Lindau sollen zudem Züge des Typs Flirt vom Schweizer Hersteller Stadler kommen. Mit all diesen Fahrzeugen will Go-Ahead einen "qualitativ hochwertigen Betrieb" aufziehen, "der zusätzliche Fahrgäste vom Schienenpersonennahverkehr überzeugt", wie Go-Aheads Deutschland-Chef Stefan Krispin verspricht.

Zuletzt allerdings waren die vielen Bahnpendler, die insbesondere in den Zügen des Fugger-Express' nach München fahren, alles andere als zufrieden. Seit mehr als einem Jahr habe die DB immer wieder mit Problemen zu kämpfen, kritisiert Jörg Lange vom Fahrgastverband Pro Bahn. Weil nicht genügend Reservefahrzeuge vorgehalten würden, fehlten immer wieder Zugteile. "Die Folge: Sardinendosen-Gefühl auf den engen Sitzplätzen, in den Gängen und Einstiegen", schimpft Lange. Mit einer Petition hat sich der Fahrgastverband nun an den Landtag gewandt. Die Politiker sollen auf die BEG einwirken, damit diese die Regionalzugtochter der DB dazu verpflichtet, zusätzliche Reservefahrzeuge vorzuhalten. Denn gerade verhandelt die BEG eine Vertragsverlängerung mit der DB bis Dezember 2022; bis zu dem Zeitpunkt also, an dem die Briten übernehmen.

Ein weitere Ärgernis, sagt Pro-Bahn-Mann Lange, sei die Pünktlichkeit. Weil die Bahnhöfe Augsburg und München überlastet sind, haben die Planer der BEG dort nur kurze Wendezeiten vorgesehen - oft zu kurz, um einmal hereingefahrene Verspätungen wieder auszugleichen, sagen Branchenkenner. Und weil sich die Nahverkehrszüge beispielsweise auf der Strecke Ulm-Augsburg die Gleise mit dem Fernverkehr teilen, führen Verspätungen bei ICE- oder IC-Zügen oft auch zu Problemen beim Fugger-Express.

Nötig wäre ein Ausbau der Strecke, im Bundesverkehrswegeplan ist der auch als "vordringlicher Bedarf" vermerkt. Doch das heißt erst mal gar nichts. Kürzlich hatten die Pro-Bahn-Leute den Projektleiter für den Ausbau zu Gast: Und der stellte einen langen Zeitplan in Aussicht, schlicht weil der Bund zu wenig Geld für Planung und Bau neuer Bahnstrecken bereitstelle, sagt Lange. Wenn es gut läuft, resümierte er, "dann starten die ersten Bauarbeiten zum Ausbau der Strecke gegen Ende des nächsten Jahrzehnts".

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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