Augsburg:Von Schließung betroffene Fujitsu-Mitarbeiter sind begehrte Fachkräfte

Lesezeit: 2 min

Das Fujitsu-Werk in Augsburg wird 2020 geschlossen. (Foto: dpa)

Fujitsu beendet 2020 seine Produktion in Augsburg. 1000 Arbeitnehmer sind davon betroffen. Auf einer hauseigenen Jobbörse sollen manche von ihnen neue Stellen finden.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Michael Bormann hat schon vieles versucht: Sein Familienunternehmen, ein IT-Hardware-Entwickler aus Neusäß bei Augsburg, will einen IT-Spezialisten für eine Leitungsfunktion einstellen. Er hat die Stelle im Internet ausgeschrieben, er sucht über die Agentur für Arbeit, bei Jobbörsen. Bormann hat sich sogar bei Truffls angemeldet, einer Art Tinder für Jobsuchende. "Es ist so gut wie unmöglich, jemanden zu finden", sagt er. Deshalb sitzt er nun hier, in einer Werkshalle bei Fujitsu, und wirbt um Arbeitnehmer.

89 Unternehmen hat Fujitsu am Montag zu sich aufs Werkgelände eingeladen, sie alle suchen dringend Ingenieure, IT-Spezialisten oder Arbeiter in der Produktion. Der Technologiekonzern hofft, dass so einige Anschlussverträge für seine Leute herausspringen: Der Standort Augsburg wird zum September 2020 schließen, der Konzern verlagert seine Produktion nach Japan. Zunächst hieß es, 1450 Arbeitnehmer müssen entlassen werden, inzwischen sind es noch rund 1000. Einige sind in Rente gegangen, 350 dürfen nun doch bleiben. Einen solch großen Aktionstag wie hier in der Werkshalle, bei dem sich rund 850 Fujitsu-Mitarbeiter über neue Jobs informieren können, hat es in der Region noch nie gegeben, sagt Augsburgs Arbeitsagentur-Chefin Elsa Koller-Knedlik.

Ausbildung
:Vom Flüchtling zur Fachkraft

Ibrahim Jarju ist aus Gambia geflohen, in Augsburg hat er eine Ausbildung zum Koch begonnen. Jetzt steht er mit der Gesellenprüfung vor dem Sprung ins Berufsleben - wie viele Flüchtlinge in Bayern.

Von Maximilian Gerl

Dabei finden in den Räumen der Arbeitsagentur öfter mal Jobbörsen statt. Dem Wirtschaftsstandort Augsburg geht es nicht schlecht. "Wir hatten noch nie so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte", betont Wirtschaftsreferentin Eva Weber. Gerade der Mittelstand stehe gut da und stelle viele Leute ein. Die großen Firmen jedoch, Fujitsu, Ledvance, Kuka, Premium Aerotech, hatten in jüngster Zeit Probleme, stellen Sparten ein, entlassen Mitarbeiter. In Augsburg haben sie für solche Fälle seit vielen Jahren die "Allianz für Arbeitsplätze", einen deutschlandweit einmaligen Zusammenschluss, sagt Weber.

Vertreter des DGB, der IG Metall, der Agentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer und der Stadt treffen sich regelmäßig, um Härten auf dem Arbeitsmarkt abzufedern. Fujitsu etwa gab am 26. Oktober, einem Freitag, bekannt, dass der Standort geschlossen wird. Am Montag darauf setzte sich schon die "Allianz für Arbeitsplätze" zusammen, warb bei anderen Unternehmen und organisierte dann den Aktionstag.

"So etwas brauchen wir jetzt"

"Die Stimmung in der Belegschaft ist seit letztem Herbst nicht so gut", sagt Betriebsratschef Peter Wagner, "deshalb ist die Aktion hier toll. So etwas brauchen wir jetzt." Die Mitarbeiter hätten "ein Heimspiel". Das ist auch der Arbeitsagentur-Chefin wichtig: "Die Hemmschwelle für die Mitarbeiter ist niedrig, neue Möglichkeiten aufgezeigt zu bekommen. Und wir haben Vorträge über Selbstständigkeit und zu Bewerbungen, wer da nicht so fit ist."

Zwei 60-jährige Arbeiterinnen aus der Produktion wollen sich so einen Vortrag noch anschauen. Sie sind ein bisschen enttäuscht, dass aus ihrer Sparte nicht so viele Unternehmen hier sind, haben aber schon zwei Kontakte geknüpft. Ein 55 Jahre alter Ingenieur hat keine Sorge, eine neue Arbeit zu finden. Seit 30 Jahren arbeitet er an dem Standort. Er kritisiert aber, dass die Gehälter in einem neuen Job wohl etwas niedriger ausfallen. "Fujitsu hat schon sehr gut gezahlt", sagt er. Kollegen werden künftig auch pendeln müssen, nach München etwa oder Ulm.

Andere Mitarbeiter wiederum können nun vielleicht auch noch am Standort bleiben. Am Montag gab Kontron, eine Tochter von S&T, bekannt, das Industrial-Mainboard-Geschäft von Fujitsu zu übernehmen. Wie es heißt, könnte die Firma 50 bis 100 Arbeitskräfte übernehmen. Es ist einer von mehreren Bausteinen, mit Hilfe derer bis September 2020 möglichst viele Fujitsu-Mitarbeiter in neue Stellen vermittelt werden sollen.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wirtschaft
:Augsburg brummt

Zwar bauen Großunternehmen wie Premium Aerotec massiv Stellen ab, aber die Wirtschaft ist stark und es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Das liegt an den dem breiten Branchenmix und den zahlreichen Mittelständlern, die oft händeringend nach Fachkräften suchen

Von Florian Fuchs

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: