Brauchtum:Warum wir einen Maibaum aufstellen

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Einen Maibaum aufstellen ist schon schwer genug, wie hier in Immenstadt im Allgäu, noch viel schwerer aber ist die Frage zu beantworten: Warum machen wir das eigentlich? (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Darüber denken die meisten Menschen nicht nach. Macht man halt schon immer so. Ungünstig nur, wenn beim Maibaum-Fest Kinder dabei sind, die es genau wissen wollen.

Glosse von Lisa Schnell

Der 1. Mai in einem kleinen Ort in Bayern. Es gibt ein Feuerwehrhaus, einen Briefkasten und fast genauso viele Bulldogs wie Einwohner. Die umliegenden Felder sind tiefbraun, vor ein paar Tagen wurden die Kartoffeln ausgebracht, und der Himmel ist weiß-blau, so wie die Girlanden, die sie hier seit jeher an den Maibaum binden. Um 6.30 Uhr wird der Baum aus dem Wald geholt, 30 Meter sollten es schon sein, nicht, dass der Nachbarort einen höheren hat.

Um 10 Uhr gibt's Weißwurstfrühstück am Feuerwehrhaus, um 10.30 Uhr schmücken die Frauen den Baum, um 11.30 Uhr wuchten die Männer ihn in die Höhe. Mit Muskelkraft, Balken und Seilen und mit langen Holzstangen, an deren Ende eine Art zweizackige Gabel angebracht ist, seit Generationen sind sie in Familienbesitz. Die Einladung erfolgte über den Dorf-Chat auf Whatsapp, ansonsten ist alles so, wie es schon immer war.

Die Frauen binden Kränze, die Männer schwitzen, der Bürgermeister grillt - jeder weiß, was er zu tun hat. Und dann sitzt da ein zweijähriges Mädchen, deutet auf den gerade aufgestellten Maibaum und stellt eine schier ungeheuerliche Frage: "Walum?" Mit dem "r" hat sie es noch nicht so, aber die Umstehenden haben sie schon verstanden und fangen zu schwitzen an, nicht nur wegen der Maisonne. Warum? Darüber haben sie hier noch nie nachgedacht. Tradition ist, Dinge zu tun, ohne zu wissen, wieso. Nur reicht so eine windige Antwort der Zweijährigen halt nicht. Sie legt noch einmal nach: "Walum?!"

Jetzt geht das Rätselraten los und das Infragestellen. Wenn man es genau betrachte, sagt ein Mann, der für diesen Gedanken kurz von seinem Schweinenackensteak ablässt, sei das schon irgendwie seltsam, einen Baum fällen, ihm alle Äste abschneiden, nur, um dann wieder zusammengebundene Äste dranzuhängen. Ein anderer erinnert sich an "irgendeinen keltischen Brauch", ein Fruchtbarkeitsritual. Man blickt auf den sehr langen, sehr weit in den Himmel ragenden Maibaum. Na, wenn das kein Phallussymbol ist, was dann? Klingt plausibel, aber stimmt es auch?

Eine kurze Handy-Recherche, unter anderem beim Brauchtumsexperten der SZ, ergibt Folgendes: Die Phallus-Kelten-Strategie ist laut Experten "Quatsch". Außerdem erfährt man von den Liebesmaien, kleine geschmückte Bäumchen, die unverheiratete Männer vor die Tür der Angebeteten stellten, um sie zu gewinnen. Des Weiteren, dass der Maibaum früher vor der Tür des hübschesten Mädchens platziert wurde und in Bayern zum ersten Mal 1550 erwähnt wurde. Nur: Wie sagt man das jetzt der Zweijährigen? Gerade will man es versuchen, da werden die ersten Kuchen herausgetragen. Eine Antwort will die Zweijährige jetzt nicht mehr, nur noch Schokoladenkuchen. Glück gehabt.

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