Nennen wir ihn der Einfachheit halber Landy. Eigentlich heißt er seit 1990 Defender, genauer: Landrover Defender, davor nur Land Rover. Aber Defender sagt sowieso kein Mensch. Er ist, um das vorwegzuschicken, ein guter Kumpel. Aber ein schreckliches Auto. Er ist laut, er ist eng und spartanisch ausgestattet, seine Lenkung ist schwammig und seine Leistung überschaubar, sein Getriebe braucht zum Schalten den ganzen Mann und seine Sitze sind mindestens so schlecht wie die Bremsen. Er schluckt Diesel wie ein schottischer Hafenarbeiter Whisky. Und man hockt in ihm, wenn man sich erst einmal hineingezwängt hat, wie auf einem Kutschbock, vor allem hinten. Dass er zwei starre Achsen hat, macht ihn im Gelände zum König. Auf der Autobahn ist er die Pest.
Aber warum wird er dann in aller Welt so geliebt? Vielleicht, weil jeder meint, einen Landy schon ewig zu kennen. Ein Triumph des rechten Winkels und des festen Willens über die windig strömenden Linien des automobilen Rests, ein Fels in der amorphen Masse des glatt geschliffenen Mainstreams, die kommt und geht mit den Moden. Heute gefeiert, morgen vergessen. So war der Landy nie. Und denen, die ihn lieben in aller Welt mag das die Sicherheit vermitteln, die sie sonst im Leben vermissen. Immerhin existieren drei Viertel aller je gebauten Landys noch, das hält die Liebe am Leben und die Gebrauchtpreise hoch. Und es beweist einmal mehr, dass Autoleidenschaft mit Vernunft herzlich wenig zu tun hat.
In England gedeihen starke Charaktere
Viele von uns waren noch gar nicht geboren, als der Landy auf den Markt kam. Das war 1948 , Europa lag in Trümmern. Und der neue Geländewagen, der eigentlich für die Nutzung in der Landwirtschaft entwickelt worden war, sah aus, als warte er nur darauf, aufzuräumen. Auch, dass er aus England kam, war sicher kein Zufall. Dort, im Mutterland der Splendid Isolation, gedeihen starke Charaktere. Nie hat man sich auf der Insel um den Rest der Welt geschert, "continent cut off", das Festland ist abgeschnitten, hieß es traditionell, wenn wieder einmal Nebel den Fährbetrieb von der Insel boykottierte. So eine Weltsicht konnte nur hier gedeihen, auf dieser Insel mit dieser Geschichte. Eine Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln, das war der Landy und ist es im Grunde noch. Dabei hat man es ihm erstaunlicherweise nie verübelt, dass man ihn in Drittweltländer mal hier mit dem aufgemalten roten Kreuz fahren sah, und zeitgleich mal dort mit aufgepflanzten Maschinengewehren auf der Ladefläche.
Bis heute kann man ja keinen Landy sehen, ohne sich wilde Wasserfurten vorzustellen, Schlammdurchfahrten bis zur Scheibenunterkante. Man sieht verdreckte Gestalten vor sich, die ihm ein Stahlseil umbinden und ihn aus unergründlich tiefen Löchern ziehen, oder Männer in Sakko und Gummistiefeln, die ihm einen Pflug umschnallen und ihre Ländereien damit beackern. Pomp and Circumstances und Schweinemist.
Wieder anderswo sieht man den Landy mit Raupen, die man ihm in die Radläufe gezwängt hat oder mit wilden Aufbauten, wüstentauglich oder arktisfest und nicht einmal am beschissen einsamsten Ort der Welt kann man davor sicher sein, diesem Auto zu begegnen. Auch in Deutschland hat der Landy eine hart gesottene Fangemeinde, allein in den ersten sechs Monaten 2015 wurden hier 1468 Landys verkauft. In einer Lebestadt wie München hat sich längst eine Öko-Schickeria etabliert, die auf seinem Dach nicht selten Überlebensutensilien wie voluminöse Wasserkanister, Werkzeugkisten und Sandbleche spazieren fährt. Keine Ahnung, was das soll, sieht aber cool aus.