Larry Johns meint es ernst. Jeder, aber auch jeder muss seinen rechten Arm herhalten. Dann taucht er einen Emaillebecher ins Tümpelwasser und schöpft das Gefäß voll. Er ist sehr alt, deshalb gießt eine Rangerin und nicht er uns das brackige Nass über den rechten Arm. Dann müssen wir unseren Kopf damit benetzen. Nur so überleben wir die nächsten 20 bis 40 Kilometer, den "Heiligen Boden" im Gregory National Park. Sagt Johns.
Larry Johns ist ein "Traditional Owner", wie Aborigine-Landlords in Northern Territory, Australien, heißen. Dort leben heute 64 000 Aborigines in rund 500 Homelands. Wer über ihr Land fahren will, muss zahlen. Das ist überall so auf den Nebenstraßen im Outback: Seit die australische Regierung den einst entrechteten Ureinwohnern Australiens Land in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zurückgegeben hat, ist der Tourismus eine der wenigen Haupteinnahmequellen der neuen alten Besitzer.
Für die Vorbereitung muss das Team selbst 3300 Kilometer abfahren
Schilder abseits der Hauptstraßen weisen deutlich auf die Zahlungspflicht hin. In manche Communitys - Dörfer, in denen nur Aborigines wohnen - dürfen nur Clanmitglieder fahren, für uns sind sie tabu. In anderen darf nicht fotografiert werden, und wo keine Schilder stehen, ist man gut beraten, wenn man vorher die Passanten fragt, ob knipsen erlaubt ist. Die meisten Ureinwohner sind an Kontakten mit uns nicht interessiert, sie wollen nur eines: ihre Ruhe. Auch wenn sie kaum etwas zu tun haben: Die Arbeitslosigkeit ist mit 20 Prozent sehr hoch, die Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, gering. Der Supermarkt ist stets der Dorfmittelpunkt, Alkohol darf hier nicht verkauft werden. Dennoch wissen viele, wie sie an den gefragten Stoff kommen: Bei weniger als vier Prozent Bevölkerungsanteil sitzt ein Fünftel aller Ureinwohner im Gefängnis - meistens wegen Alkoholdelikten.
Es ist eine fremde Welt, in die die nächste Land Rover Experience Tour (LET) im September 2015 mit rund 15 Discovery Sport reist. Das will gut organisiert sein: LET-Chef Dag Rogge muss vorab geeignete Camp-Möglichkeiten für den Konvoi suchen, ebenso Tankmöglichkeiten und Läden zum Einkaufen. Und natürlich befahrbare und trotzdem spannende Tracks - Pisten, die der normale Outback-Touri weder entdecken noch bewältigen kann. Dafür müssen Rogge und sein Team jeden einzelnen der rund 3300 geplanten Kilometer persönlich abfahren.
Bis obenhin bepackt mit Wasser und Treibstoff
Die Fahrt durchs Northern Territory mit den ausgedehnten Eukalyptus-Dschungeln und Steppenwüsten auf uralten, kaum mehr befahrenen Tracks ist gefährlich - hauptsächlich wegen schwieriger Navigation, materialmordenden Pisten und Mangel an Wasser und Benzin. Deshalb sind unsere drei Expeditions-Discovery bis obenhin bepackt mit 120 Liter Trinkwasser, 120 Liter Ersatz-Diesel, Zelten, Proviant, Sandblechen, Generatoren, Tiefkühl- und Kühlschrank, Ersatzteilen sowie Gepäck aller Art.
Wir starten zur Pistensuche mit den drei voll gestopften Offroad-Fahrzeugen in Nhulunbuy, einem Bergbau-Nest im Norden des "NT", wie hier alle das Northern Territory nennen. Es geht über kaum befahrene Pisten durch einen Eukalyptusdschungel voller missgelaunter Wasserbüffel, genervter Wildschweine und dummer Wallabys, kleinen Kängurus. Doch die eigentlichen Herrscher im gesamten Gebiet sind Termiten: Ihre oberirdischen, bis zu drei Meter hohen Bauten sehen mal aus wie mahnende Finger, Gartenzwerge oder veritable Kathedralen.
Sie bestehen aus gepresstem Boden und sind durchaus geeignet, Autos zu beschädigen. Ansonsten werden die Termiten von den Einheimischen gerne zum Kochen oder als Medizin benutzt oder auch in Ruhe gelassen - weil sie den Boden lockern. Die "kontrollierten" Brände, die von den Ureinwohnern gelegt werden, um die niedrig wachsenden Pflanzen abzufackeln und dadurch den Boden fruchtbar zu halten, überstehen sie in ihren klimatisierenden Bauten problemlos. Manchmal platzieren sie ihre Gebilde aber auch mitten auf den Pisten - was die Fahrt nicht einfacher macht.
Die Routen für die Land-Rover-Tour sind anspruchsvoll. Oft genug müssen wir nach kilometerlanger Schleichfahrt umkehren, zum Beispiel, weil die harten Äste ausgetrockneter Büsche am Wegesrand dem Blech dann doch zu sehr zusetzen, weil eine Piste in einem nur halb ausgetrockneten See endet oder weil die Wassermassen der letzten Regenzeit Erdspalten geformt haben, die selbst die luftgefederten Discovery mit ihrer regulierbaren Bodenfreiheit nicht überwinden können.
Die geplante Route führt über die drittgrößte NT-Stadt Katherine (2500 Einwohner) um dann nach Süden abzuknicken - in den Gregory National Park. Hier zeigt Larry Johns uns den Ort seiner Kindheit, heute eine Campsite mit drei Hütten und ein paar australischen Affenbrotbäumen.
Paradiesisch ist es hier nicht überall, auch wenn gerade eine Gruppe kreischender Kakadus malerisch über uralte australische Affenbrotbäume fliegt. Die Wallabys und die schönen Wildpferde werden zwar in Ruhe gelassen, die riesigen Esel allerdings haben gerade eine schwere Zeit. In der Jagdsaison werden von Berufsjägern aus Hubschraubern etwa 1000 Stück pro Woche erschossen, die übrigen von Quads aus erlegt. Warum das Morden? Wegen angeblicher Gefahr von Maul- und Klauenseuche, heißt es. Allerdings geben die Jäger auch offen zu, dass die Grauen sterben müssen, weil sie alles niedertrampeln und dadurch auch den Boden schädigen.
Kein Mittel gibt es freilich gegen die Buschfliegen. Sie existieren hier überall, egal ob im Wald, Steppe oder über einem Salzsee. Das NT ist ihr ganz persönliches Schlaraffenland: Vieh aus rund 70 riesigen Rinderfarmen grast hier. Geht man davon aus, dass eine mittelgroße Farm aus 30 000 Tieren besteht und jedes pro Tag zehn Fladen hinterlässt, kann man sich die Freude der Buschfliegen denken.
Die Reifen müssen bis zu 63 Grad aushalten
Nach dem Park führt die Tour in den Sandy Desert - dort ist es bis zu 45 Grad Celsius heiß. Die walkenden Reifen müssen bis zu 63 Grad aushalten, was sie nicht immer tun. Insgesamt sieben Platten in acht Tagen auf 3300 Kilometern sprechen eine deutliche Sprache. Etwa alle zehn Kilometer mahnt ein Autowrack, sich nicht alleine und nur mit passender Ausrüstung ins Outback zu wagen. Allradantrieb allein reicht nicht - man braucht auch genug Bodenfreiheit, Ersatzreifen, eventuell sogar eine Winde, denn die Dünen sind hier zwar nur rund zwölf Meter hoch, aber der Sand ist extrem fein. Wir fahren auf Pisten, deren Bewuchs den Schluss zulassen, dass hier keine zehn Autos pro Jahr fahren, manche sind seit Jahren vergessen und tauchen nicht mal mehr in Militärkarten auf. Drei Tage lang treffen wir außer Dromedaren, Dingos, Vögel und Eidechsen keine lebende Seele.
Manche Gebiete sind für uns - und jeden Weißen - wegen heiliger Stätten der Aborigines tabu. Selbst am Ziel, dem Uluru, besser bekannt als "Ayers Rock", werden wir gebeten, darauf Rücksicht zu nehmen: Die Seiten des roten Felsens dürfen auf Pressebildern nicht zu sehen sein. Eine Rangerin kontrolliert jedes Foto.
Wir halten uns daran. Selbst als mitten auf der Piste zwei Stiere miteinander kämpfen, halten wir an, steigen aus und sehen zu, dass wir nur die Fahrbahn und nicht den Wegesrand betreten und keinen Halm knicken - es wäre laut Johns unser sofortiger Tod. Wir klettern auf die Dächer der Autos, um das Schauspiel aus sicherer Entfernung zu beobachten. Ein Exemplar ist tiefschwarz, das andere völlig weiß. Schwarz gewinnt. Und Larry Johns lächelt.