Natürlich wurde in Las Vegas auch über den Abgas-Skandal von Volkswagen gesprochen, allerdings nicht mit Empörung, sondern eher mit hochgezogener Augenbraue und gerümpfter Nase. Verseuchte Diesel-Fahrzeuge, das klingt nach 20. Jahrhundert und damit nach Vergangenheit und einem Fortbewegungsmittel, das längst ausgestorben sein müsste. Der Elektroauto-Hersteller Tesla präsentierte kürzlich in Los Angeles wieder ein neues Modell, Google ließ im Süden des Silicon Valley ein selbstfahrendes Elektroauto auf dem Dach eines ehemaligen Einkaufszentrum herumkurven. Auch Apple soll, glaubt man den immer lauter werdenden Gerüchten, an einem eigenen Fahrzeug basteln - in vier Jahren soll das Projekt mit dem Namen Titan ein iCar hervorbringen.
Autokonzerne, die nicht als Dinosaurier dastehen wollen, müssen eine Symbiose mit der Technologiebranche eingehen und eine möglichst digitale Vision für die Zukunft präsentieren. Viele haben das freilich längst getan: Audi schickte bereits im Januar ein Auto auf eine pilotierte Fahrt von San Francisco zur Consumer Electronics Show (CES) nach Las Vegas, Mercedes-Chef Dieter Zetsche zeigte dort ein silbernes Gefährt ohne Seitenfenster, in dem die Menschen nur noch Passagiere und nicht mehr Fahrer sein werden. Wenige Monate später auf der Re:Invent ist nun BMW dran. Es geht dabei weniger um ein futuristisches Fahrzeug, sondern wie überall auf dieser Veranstaltung um das Verarbeiten von Daten.
Viele rechtliche Fragen sind längst nicht geklärt
"Es wird massive Veränderungen geben, derzeit sind drei bedeutende Trends zu beobachten: autonomes Fahren, die Integration des Autos als leistungsfähiges Gerät im digitalen Leben - und das Verbreiten mobiler Dienstleistungen über die ganze Welt", sagt Dieter May, der bei BMW verantwortlich für digitale Geschäftsmodelle ist: "Das ständige Aktualisieren von Daten ist der Schlüssel für die Zukunft, um selbstfahrende Autos und hoch entwickelte Assistenzsysteme zu ermöglichen." Bis zum Jahr 2018 will er Daten von mehr als acht Milliarden gefahrenen Kilometern aus mehreren Hunderttausend Autos gesammelt haben: "Bei all den Sensoren in einem Auto wird das eine ziemlich große Datenmenge sein."
Autos, die über die Cloud mit Datenbanken und damit mit anderen Fahrzeugen kommunizieren, können Unfälle und Staus vermeiden und über die effizientere Fahrweise Energie sparen - das ist die Botschaft auf dieser Messe in Las Vegas. Nur muss, damit das Kollektiv funktioniert, der Einzelne zahlreiche Daten übermitteln, von denen er so manche womöglich gar nicht übermitteln möchte. Viele rechtliche Fragen, auch jene des Datenschutzes, sind längst nicht geklärt - Autobauer beschäftigen derzeit in der Technologiesparte neben den Ingenieuren auch viele Juristen. Und natürlich muss der Kunde darauf vertrauen, dass die Auswertungen der Datenverarbeiter richtig sind.
Was die Idylle der Datensammler in Las Vegas stört, das sind Nachrichten wie die aus Brasilien. Francisco Murmura wollte sich vor kurzem von Waze zu einer bei Touristen beliebten Straße in Rio de Janeiro führen lassen. Das System jedoch lotste ihn zu einer gleichnamigen Straße in einer der berüchtigtsten Gegenden - es wurden 20 Schüsse auf sein Auto abgegeben, seine Frau starb. "Die App ist schuld an alledem", sagte Murmura danach: "Ist Technik perfekt und sollte man ihr blind vertrauen? Nein, das sollte man nicht!"