Unwetter:Wenn die Tram im Schnee feststeckt

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2007 hatten die Verkehrsbetriebe in München mit viel Schnee zu kämpfen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Stürme, starke Schneefälle, Hochwasser: Aufgrund des Klimawandels rechnet das Bundesumweltministerium in Zukunft mit mehr extremen Wetterlagen.
  • Nahverkehrsbetriebe in ganz Deutschland stellen sich darauf ein: Krisenstäbe werden gebildet, zusätzliches Material wird beschafft.
  • Fahrgastverbände kritisieren dennoch, dass die Unternehmen nicht genügend vorbereitet seien.

Von Marco Völklein

Als am Pfingstmontag 2014 das Tiefdruckgebiet Ela über Düsseldorf hinwegfegte und allein im Stadtgebiet etwa jeden dritten Baum stark in Mitleidenschaft zog, da fuhr kurz darauf ein Straßenbahnfahrer im Depot der Düsseldorfer Rheinbahn mit einem Anhänger voller Motorsägen vor, geborgt aus dem Gartenbaubetrieb der Eltern. Zusammen mit Helfern von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und der Stadt hätten Arbeiter der Rheinbahn die Sturmschäden damals beseitigt, erzählt Firmensprecher Georg Schumacher. Mittlerweile hätten mehrere Mitarbeiter eine Kettensägenausbildung. Und Schuhmacher ergänzt: "Extremwetterereignisse werden uns künftig öfter beschäftigen."

Naturkatastrophen
:Die Bilanz von Sturm "Herwart"

Mindestens vier Menschen kamen ums Leben, ein gekenterter Frachter droht die Nordsee zu verschmutzen und der Bahnverkehr wurde vielerorts eingestellt. Die Aufräumarbeiten werden noch Tage dauern.

Vergangenes Wochenende erst brauste Sturm Herwart über Norddeutschland hinweg, Anfang Oktober hatte Xavier zu Chaos geführt. Beide Male stellte die Deutsche Bahn (DB) den Betrieb in weiten Teilen Norddeutschlands ein, in einigen Kommunen ruhte der Nahverkehr zumindest teilweise oder gar komplett. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass solche Ereignisse zunehmen werden", heißt es bei der Berliner BVG. Das Bundesumweltministerium erklärt: "Schon die bisher beobachteten Klimaveränderungen führen zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse."

Viele Verkehrsbetriebe haben Listen mit Mitarbeitern erstellt, die im Krisenfall rasch zusammengerufen werden können. In Nürnberg etwa beobachtet die Leitstelle der städtischen Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) seit dem Orkan Kyrill im Januar 2007 ständig die Wetterdienste. Kündigt sich etwa eine Schneefront an, schickt sie eine Straßenbahn für "Spurfahrten" los, um Gleise und Oberleitungen frei von Schnee und Eis zu halten.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hat ihren Winterdienst-Fuhrpark aufgestockt, nachdem im März 2006 starker Schneefall den Betrieb zum Erliegen brachte. In Frankfurt/Main wurde ein alter Straßenbahnwagen zum "Enteisungs- und Frostschutz-Fahrzeug" umgebaut, die Rheinbahn greift bei Bedarf auf eine Trambahn mit Schneepflug aus den Zwanzigerjahren zurück. In Nürnberg mussten laut VAG im Winter 2010 sogar Werkstattmitarbeiter aus Blechen Schneeschaufeln basteln, weil es in Baumärkten keine mehr gab.

In Dresden stand die Elbe fast im Serverraum der Leitstelle

Auch auf Hochwasser stellen sich die Betriebe ein. In Dresden etwa stand die Elbe beim Hochwasser 2002 kurz vor den Serverräumen der Verkehrsbetriebe DVB: "Eine Flutung hätte den Ausfall unseres Betriebsleitsystems nebst redundantem System zur Folge gehabt", sagt DVB-Sprecher Falk Lösch. Inzwischen habe man die Räume anders angeordnet und die Rückfallebene verlegt. In Nürnberg liegen Hochwasserschutzwände und Sandsäcke bereit, um eine U-Bahn-Station nahe der Pegnitz notfalls abschotten zu können.

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert dennoch die aus seiner Sicht unzureichenden Vorbereitungen auf Extremwetterlagen. Insbesondere die Deutsche Bahn müsse Bäume entlang von Hauptstrecken besser zurückschneiden. Die DB weist den Vorwurf zurück: Man stecke pro Jahr etwa 100 Millionen Euro in ein Vegetationsprogramm, zudem habe man problematische Zonen identifiziert und bearbeite diese intensiv.

Auf ein anderes Problem weist ein Notfallmanager aus einem Verkehrsbetrieb in Westdeutschland hin: Sollten sich Extremwetterlagen in naher Zukunft doch nicht häufen und die Notfallausrüstungen nicht benötigt werden, könnte es sein, dass die Firmen aus Kostengründen diese wieder abschaffen. Tritt dann doch mal ein Extremereignis ein, "ist das Zeug nicht mehr vorhanden".

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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