Streit ums Tempolimit:Verkehrsminister Scheuer handelt unverantwortlich

Umstrittenes Tempolimit auf A 81 tritt in Kraft

Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen sei laut Verkehrsminister Scheuer "gegen den gesunden Menschenverstand",

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Der CSU-Politiker watscht seine Berater für den Vorschlag eines Tempolimits ab - ungeachtet der Tatsache, dass hohe Geschwindigkeit auf Autobahnen jährlich Hunderte Menschen das Leben kostet.

Kommentar von Markus Balser

Was Tempo auf deutschen Autobahnen mit Emotionen zu tun hat? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lieferte dafür am Wochenende ein beeindruckendes Beispiel. Auf eine harmlose Ideensammlung von Regierungsberatern für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr reagierte der CSU-Politiker alles andere als besonnen: Dass unter den gut 20 Vorschlägen ein bundesweites Tempolimit auf deutschen Autobahnen war, ließ den Minister rasen. Scheuer sprach von "unverantwortlichen" Gedankenspielen. Und macht die Sache damit erst recht zum Thema.

Denn unverantwortlich ist es, der ungebremsten Raserei auf deutschen Straßen tatenlos zuzusehen. Unverantwortlich sind jährlich mehr als 400 Tote allein auf deutschen Autobahnen, viele davon durch zu hohes Tempo. Und unverantwortlich ist es, dass der Verkehrssektor bislang viel zu wenig zum Kampf gegen die Erderwärmung beiträgt. Es wäre ein kleiner Eingriff in die Freiheit der deutschen Autofahrer, das eigene Tempo bei 130 Stundenkilometern zu drosseln. Die Mehrheit der Deutschen hätte damit auch gar kein Problem. 52 Prozent sind in Umfragen ausdrücklich dafür, diese Verantwortung zu übernehmen.

Doch die Gegner sind einflussreich. Vor allem die Autoindustrie hält in Verbänden und Gremien dagegen. Sie fürchtet um das internationale Image des Sportwagenstandorts. Ein Tempolimit in Deutschland? Wie soll man das chinesischen und amerikanischen Porsche-Kunden verkaufen? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zahlt teure Werbekampagnen, um die Deutschen beim Gasgeben etwas zu drosseln. "Runter vom Gas" heißt eine. Unangepasste Geschwindigkeit sei Unfallursache Nummer eins, warnt das Ministerium da. Scheuer hat zum Tempolimit trotzdem eine dezidierte Meinung. "Gegen jeden Menschenverstand", nennt der Minister die Vorschläge der Expertenkommission.

Die deutsche Verkehrsstatistik zeigt allerdings ein eindeutiges Bild: Sie lässt einen klaren Zusammenhang zwischen Tempo und Sicherheit auf Fernstraßen erkennen. Ein Drittel der deutschen Autobahnen sind schon heute mit generellen Geschwindigkeitsbeschränkungen ausgestattet. Dort wo Rasen erlaubt ist, kamen 2016 fast 50 Prozent mehr Menschen je Autobahnkilometer ums Leben, als da, wo langsam gefahren werden muss. Eigentlich drängt die Zeit für ein Tempolimit. Denn das Anfang der Dekade von der damaligen Bundesregierung formulierte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent zu senken, wird wohl nicht mehr zu erreichen sein. Noch immer sterben jährlich mehr als 3000 Menschen im Straßenverkehr.

In einer Reihe mit Afghanistan, Somalia und Burkina Faso

Auch beim Klimaschutz würde ein Tempolimit helfen. Einige Millionen Tonnen CO₂ ließen sich so pro Jahr einsparen. Der Verkehrssektor steht unter besonderem Druck, weil er als einziger Bereich seit 1990 seine Emissionen gar nicht reduziert hat. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung und der damit verbundene geringere Verbrauch würden die Autofahrer - anders als höhere Benzinpreise - noch nicht einmal etwas kosten.

Wäre ein Tempolimit wirklich verantwortungslos, wie Scheuer behauptet, sähe die Sache vielleicht auch international anders aus. Deutschland ist der einzige Staat in Europa und der einzige Industriestaat der Welt, der das Rasen nicht prinzipiell verbietet, sondern nur streckenweise untersagt. Welche Länder verkehrspolitisch sonst noch auf der Welle der Bundesregierung liegen? Afghanistan, Somalia und Burkina Faso.

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