Raumfahrt: Sonderschau in Dresden:Der weite Weg ins All

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Im Mai 2021 hebt eine Rakete von Cape Canaveral in Florida aus ab ins All. (Foto: Joe Marino/Imago Images/UPI Photo)

Für die erste Mondlandung waren die Kenntnisse von Frauen entscheidend. Dennoch wurden sie diskriminiert und schlecht bezahlt. Gewürdigt wurden sie erst spät.

Von Marco Völklein

"Dieses eine Foto", sagt Gabriele Manke und präsentiert die berühmte Fotografie aus dem Dezember 1968, "das ist eines meiner Lieblingsobjekte in der Ausstellung." "Earthrise" - so hatte die US-amerikanische Raumfahrtagentur Nasa das Bild damals benannt. Aufgenommen wurde es von den Astronauten an Bord von Apollo 8 während einer der Mondumkreisungen. Gerade als die Crew dabei war, das Raumschiff hinter dem Mond hervorzusteuern und wieder Funkkontakt zur Erde aufzunehmen, tauchte im Seitenfenster der Erdball auf. Im Vordergrund ist noch ein Stück Mond zu sehen, im Hintergrund die Erde, nur zur einen Hälfte hell erleuchtet, die andere liegt im Dunkeln. Die Tag-Nacht-Grenze, gut zu erkennen, zieht sich einmal quer über den afrikanischen Kontinent. "Dieses Bild", sagt Gabriele Manke, Co-Kuratorin einer Raumfahrt-Sonderausstellung im Dresdner Verkehrsmuseum, "führte mit dazu, dass sich die Vorstellung der Menschen von der Erde veränderte." Plötzlich war der Planet als solcher von außen sichtbar, es wurde klar, dass er verletzlich ist. Und dieses Foto "führte das erste Mal allen vor Augen, dass die Menschheit eine einzige gemeinsame Heimat hat", sagt Manke.

Dabei war es gar nicht geplant, dass die Apollo 8-Besatzung ein solches Dokument von ihrer Mondumrundungsmission mitbringt. Zuvor hatte die Crew vor allem die Oberfläche des Mondes fotografiert, um mögliche Landepunkte für spätere Apollo-Missionen zu erkunden. Dass am Ende so ein ikonisches Foto entstand, das später unter anderem als Vorlage für eine Briefmarke des US Postal Service diente, war reiner Zufall. Manch ein Historiker behauptet gar, das Bild habe zur Entstehung der Umweltbewegung beigetragen.

Das Foto "Earthrise" aufgenommen von Nasa-Astronauten an Bord von Apollo 8 am 24. December 1968. (Foto: HO/Nasa/AFP)

Solche und viele weitere Erzählungen rund um die Geschichte der Raumfahrt erzählen Manke und ihr Co-Kurator Sven Bracke in der Sonderschau "Zu den Sternen. Abenteuer Raumfahrt". Lange schon hatten die Ausstellungsmacher die Eröffnung geplant, wegen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Museumsschließungen mussten sie das immer wieder verschieben. Seit Kurzem nun ist die Schau in Dresden zu sehen.

Bekannte Männer, unbekannte Frauen

Die Ausstellungsmacher stellen dabei unter anderem auch große und bekannte Namen aus der Geschichte der Raumfahrt in den Vordergrund, Sigmund Jähn zum Beispiel, der als Pilot der Nationalen Volksarmee der DDR von den Sowjets zum Kosmonauten ausgebildet wurde und 1978 als erster Deutscher ins All flog.

Der Kosmonaut Sigmund Jähn, aufgenommen nach seinem erfolgreichen Flug mit dem sowjetischen Raumschiff Sojus 31. (Foto: Zentralbild/dpa)

Ebenso wird die Rolle Wernher von Brauns thematisiert, der bereits als Kind von den Sternen fasziniert war und später als führender Ingenieur unter den Nationalsozialisten die Raketenentwicklung vorantrieb. Tausende KZ-Häftlinge kamen beim Bau der Waffen ums Leben, Braun war als Mitglied der NSDAP und der SS eng eingebunden in die größenwahnsinnigen Kriegs- und Vernichtungspläne der Nazis - nach 1945 nutzten die Amerikaner dennoch Brauns Wissen, holten ihn zusammen mit vielen seiner Mitarbeiter in die USA und machten ihn zum Chefentwickler der Saturn-Raketen, die schließlich die Apollo-Missionen zum Mond erst ermöglichten.

Interessant ist aber auch, dass Manke und Bracke in ihrer Schau auch von weitgehend unbekannten Heldinnen erzählen. "Unzählige Mitarbeiterinnen der Nasa", sagt Manke, hätten die Flüge der Amerikaner ins All erst möglich gemacht. "Ihre Namen tauchen in den meisten Geschichtsbüchern nicht auf." Da ist zum Beispiel das "Mathe-Genie" Katherine Johnson, wie Manke sie nennt, eine 1918 in West Virginia geborene Afroamerikanerin, die für die Nasa als "Computer" arbeitete.

Nasa-Forschungsmathematikerin Katherine Johnson an ihrem Schreibtisch im Langley Research Center in Langley, Virginia, USA (undatiertes Foto). (Foto: -/picture alliance/dpa/NASA)

Die Raumfahrtbehörde bezeichnete damals Mathematikerinnen, die mit ihren Berechnungen die Wissenschaftler unterstützten, tatsächlich als Computer. Laut Manke war eine große Gruppe schwarzer Frauen als Mathematikerinnen für die Nasa tätig, in der Regel schlecht bezahlt und - wegen der Rassentrennung - separiert von den Kolleginnen. "Insofern wurden Katherine Johnson und viele ihrer Kolleginnen doppelt diskriminiert", sagt Manke. Erst in den Achtziger- und Neunzigerjahren wurden die Verdienste von Frauen wie Katherine Johnson oder der Programmiererin Margaret Hamilton gewürdigt. Hamilton hatte das Team geleitet, das die Software für den Apollo-11-Flug geschrieben hatte. "Ohne sie", sagt Manke, "hätten die USA den Wettlauf zum Mond vermutlich verloren."

Mit der Apollo-11-Mission gelingt den Amerikanern im Sommer 1969 die Landung auf dem Mond. (Foto: Neil Armstrong/Apollo 11/Nasa/dpa)

Ein weiterer interessanter Aspekt in der Ausstellung befasst sich mit der Frage, welchen Stellenwert die Raumfahrt in der DDR hatte, und wie die Machthaber dort insbesondere mit der erfolgreichen Saljut-6-Mission mit Sigmund Jähn an Bord umgingen. Der 1937 in Sachsen geborene Jähn war aus einer Gruppe erfahrener Jagdpiloten ausgewählt und zwei Jahre lang in einer geheimen Anlage nahe Moskau für seinen Einsatz als Co-Pilot an Bord der sowjetischen Raumstation Saljut 6 ausgebildet worden. Die acht Tage in der Schwerelosigkeit machten aus ihm einen Nationalhelden: Schulen wurden nach ihm benannt, sein Gesicht tauchte auf Briefmarken, Plakaten und Münzen auf, in seinem Geburtsort Morgenröthe-Rautenkranz wurde ihm ein Denkmal errichtet. "Die Bevölkerung der DDR wurde vom Weltraumfieber gepackt", sagt Manke.

Auch das Sandmännchen startet ins All

Und nicht nur die. Auch das Sandmännchen, damals schon eine Institution im Fernsehen der DDR, startete in mehreren Folgen als Kosmonaut ins All. Auch Jähn hatte - neben einer Ausgabe von Goethes Faust - eine Puppe des Sandmännchens mit an Bord von Saljut 6. Geplant war, erzählen Manke und Bracke in ihrer Ausstellung, dass der Kosmonaut Aufnahmen der Puppe in echter Schwerelosigkeit filmen sollte, um damit später einige Folgen des Sandmännchens zu bereichern. Spontan gesellte sich dann die sowjetische Puppe Mascha dazu, die Saljut-6-Pilot Waleri Bykowski mitgebracht hatte - eine Art Puppenhochzeit im All wurde gefeiert. Doch ausgestrahlt wurden die Aufnahmen nie. "Die Regierung befürchtete, dass der Eindruck entstehen könnte, das Sandmännchen fliehe aus der DDR", berichten Manke und Bracke.

Die Sonderausstellung in Dresden ermöglicht auch Einblicke in verschiedene Raumfahrzeuge. (Foto: Frank Grätz/Verkehrsmuseum Dresden)

Auch heute noch fasziniert der Weltraum die Menschen, auch viele Staaten und Unternehmen brechen erneut auf ins All. Vor Kurzem erst ist es China gelungen, ein Erkundungsfahrzeug auf dem Mars abzusetzen. In den USA träumen Unternehmen wie Space Adventure und SpaceX davon, eine Art Weltraumtourismus in großem Stil aufzuziehen oder den Mars zu besiedeln. Was dabei oft vergessen wird: Seit bald 65 Jahren fliegt der Mensch ins All - und hinterlässt dabei seine Spuren. "Die Erdumlaufbahn ist voller Weltraumschrott", sagt Ausstellungsmacherin Manke. Millionen Trümmer kreisen um die Erde - von kaputten Satelliten über verlorene Handschuhe bis hin zu Lackpartikeln. Die internationale Raumstation ISS musste schon mehrmals Trümmern ausweichen. Doch nur größere Objekte werden erkannt, viele Klein- und Kleinstteile hingegen verwandeln sich bei Geschwindigkeiten von bis zu 14 Kilometer pro Sekunde (!) zu gefährlichen Geschossen.

Was passiert mit all dem Schrott im All?

"Es muss daher dringend aufgeräumt werden", sagt Co-Kuratorin Manke. Andernfalls werde Raumfahrt eines Tages vielleicht gar nicht mehr möglich sein, weil der Ring aus Müll im All kaum mehr zu durchdringen sein werde. In der Ausstellung wird daher auch gezeigt, wie dieses Aufräumen geschehen könnte - etwa mittels Sonden, die mit Greifarmen ausgestattet sind und den Müll einsammeln.

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Zum anderen aber wäre es sinnvoll, wenn künftige Missionen erst gar keinen Schrott mehr zurücklassen - oder dafür sorgen, dass dieser möglichst rasch verschwindet. Bislang kann es, sagt Manke, Jahrhunderte dauern, bis zum Beispiel ausgediente Satelliten aus ihrer eigentlichen Umlaufbahn herabsinken und in dichteren Schichten der Erdatmosphäre verglühen. Kleine, ultradünne Bremssegel könnten künftig dabei helfen, die Satelliten schneller abzubremsen und sie somit eher verglühen zu lassen.

Die Sonderausstellung "Zu den Sternen. Abenteuer Raumfahrt" ist noch bis zum 7. November im Verkehrsmuseum in Dresden zu sehen. Wegen der Corona-Pandemie hat das Haus aktuell nur freitags bis sonntags geöffnet. Vom 15.6.2021 an wird es nach derzeitiger Planung wieder regulär geöffnet sein, also Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Weitere Informationen unter www.verkehrsmuseum-dresden.de.

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