Nahaufnahme:Wilder Westen im Orbit

Nahaufnahme: "Nachhaltigkeit im Orbit kann auch profitabel sein", sagt Kristina Nikolaus, Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups Okapi Orbits.

"Nachhaltigkeit im Orbit kann auch profitabel sein", sagt Kristina Nikolaus, Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups Okapi Orbits.

(Foto: oh)

Kristina Nikolaus ist Geschäftsführerin von Okapi Orbits, einem jungen Raumfahrtunternehmen, das mithilfe einer Software Weltraumschrott reduziert.

Von Carina Seeburg

Von Männerdomänen lässt Kristina Nikolaus sich nicht abschrecken. "Oft bin ich die einzige Frau am Tisch", sagt die 26-Jährige, denn die Raumfahrtindustrie sei eben noch immer eine Branche, in der mehr Männer als Frauen arbeiten. Als Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Okapi Orbits trägt Nikolaus bereits Verantwortung für ein elfköpfiges Team, das eine Software entwickelt hat, um Kollisionen im Orbit zu verhindern. Die kommerzielle Raumfahrt wachse rasant und damit auch das Problem mit dem Weltraumschrott.

Immer wieder geraten beispielsweise ausgediente Forschungssatelliten auf Kollisionskurs. Manchmal rasen sie mit nur wenigen Metern Entfernung aneinander vorbei. Kommt es aber zum Crash, hinterlässt der Zusammenprall tonnenweise Weltraumschrott, der unkontrolliert mit zigtausend Stundenkilometern um die Erde kreist.

Über Jahrzehnte wurden Raumfahrtprojekte fast ausschließlich von öffentlichen Institutionen - also von Staaten und großen Raumfahrtagenturen - vorangetrieben. Das ist heute anders: Viele neue, kommerziell orientierte Unternehmen drängen mit ihren Satelliten in den Orbit. Und dort gehe es noch zu "wie im Wilden Westen", sagt Kristina Nikolaus. Da gesetzliche Kontrolle und allgemeingültige Regeln für Ausweichmanöver, Unfallkosten und Abfall fehlen, seien ökonomische Anreize besonders wichtig, um die Umlaufbahnen sicher zu halten. "Wir wollen nachhaltiges Verhalten mit ökonomischer Effizienz zusammenzubringen", sagt Nikolaus. Im zunehmend vermüllten Orbit bedeute das automatische Umfliegen von Objekten, dass Unternehmen ihre Satelliten effizienter und länger betreiben könnten. Das sei wirtschaftlich, aber eben auch nachhaltig, da nicht noch mehr Weltraumschrott produziert werde. "Nachhaltigkeit kann auch profitabel sein", sagt Nikolaus.

Seit November sind die Softwaredienste von Okapi Orbits scharf geschaltet und werden nach Unternehmensangaben bereits von mehr als 110 Nutzern verwendet. Bis dahin war es allerdings ein langer Weg. "In unserem Produkt stecken mehr als 14 Jahre Forschungsarbeit", erklärt Nikolaus, denn zwei der Gründer haben jeweils rund sieben Jahre an Themen zum wissenschaftlichen Unterbau der Software geforscht. Diese habe das Team von Okapi dann über zwei Jahre zur Marktreife weiterentwickelt.

Gefunden haben sich die vier Gründer über das schwarze Brett an der TU Braunschweig. "Die anderen drei sind klassische Teckies", sagt Nikolaus. Sie kümmere sich als Geschäftsführerin vor allem um Finanzen, Kunden- und Investorengespräche, aber auch um Wettbewerbe und Personal. Nach dem dualen BWL-Studium bei Daimler mit Stationen in Malaysia und Sibirien hat Nikolaus in Braunschweig einen Master zu Technologie-orientiertem Management gemacht und parallel dazu bei Siemens gearbeitet. Mathematik und Wirtschaft sind ihre Stärken, Programmieren habe sie sich selbst beigebracht und während des Studiums Veranstaltungen der Raumfahrtfakultät besucht.

"Gründen ist spannend und ganz anders als alles, was ich von meiner Arbeit in Großkonzernen kannte", sagt Nikolaus. Es gebe Hochs und Tiefs, "vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt". All ihre Zeit und viel Erspartes sei in die Idee geflossen.

Von vorne anzufangen hat Nikolaus auch von ihren Eltern gelernt, die in den Neunzigern aus Kasachstan nach Deutschland kamen. "Sie haben immer gesagt: Du kannst das." Dass sich viele Frauen noch immer in der zweiten Reihe wohler fühlen, sei auch anerzogen, ist sich Nikolaus sicher. Es brauche mehr weibliche Vorbilder. Auf sie selbst ist das Scheinwerferlicht bereits gefallen: Das Wirtschaftsmagazin Forbes zählt Kristina Nikolaus zu den 30 vielversprechendsten Persönlichkeiten unter 30 Jahren in Deutschland.

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