Peugeot 508 SW im Test:Bisschen kauzig

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Der Basispreis des Peugeot 508 SW liegt bei 30 400 Euro. Der getestete Top-Diesel startet derzeit bei 42 900 Euro. (Foto: SOM)

Er hat viel Platz, ist komfortabel und mit dem Top-Diesel sehr kräftig. Doch der 508 SW ist weitgehend frei von moderner Technik. Trotzdem verlangt Peugeot hohe Preise.

Von Thomas Harloff

Sind Schweden, Koreaner, Japaner oder Franzosen eigentlich Masochisten? Dieser zugegebenermaßen indiskreten und stark verallgemeinernden Frage muss sofort eine weitere folgen: Warum treten sie hier überhaupt an? Beide Fragen drängen sich auf, wenn man in der deutschen Zulassungsstatistik den Abschnitt Mittelklasse studiert.

Im Mai schaffte es in dieser Kategorie nur ein Importmodell in die Top Ten: Der Škoda Superb, der nichts anderes ist als ein alternierend karosserierter VW Passat. Der Volkswagen wiederum ist mit 6896 von insgesamt 32 606 im Mai zugelassenen Mittelklasseautos der uneingeschränkte Zulassungskönig in diesem Segment. Der Superb kam auf 1274 verkaufte Autos, der Volvo V40 als bestes echtes Importauto der Mittelklasse auf 797. Der Peugeot 508 schafft es nur auf Platz 15 innerhalb der Mittelklasse.

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Viel Platz für Insassen und Gepäck

Doch sie versuchen es imer wieder - Zähigkeit muss man den Importeuren zugestehen. Das gilt auch für Peugeot. Im Rahmen einer umfassenden Überarbeitung wurde am 508-Design gefeilt, für ihn neue Motoren entwickelt, die Ausstattung gestrafft und der Innenraum überarbeitet. Bislang mit wenig Erfolg: Im Mai wollten nur 364 Autokäufer einen Peugeot 508 haben.

Die wissen besonders die großzügigen Platzverhältnisse im französischen Mittelklassekombi zu schätzen. Auf den vorderen Plätzen und in der zweiten Sitzreihe geht es luftig zu, für das Gepäck bleibt viel Raum. 560 bis 1598 Liter passen ins auch nach dem Facelift recht pummelige Hinterteil. Damit können Handelsvertreter wie Hobby-Umzugsunternehmer gut leben, auch wenn sie ihr Transportgut über eine sehr breite Ladekante heben müssen.

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Schwächen in der Bedienung

Eine Schwäche bleibt das Bedienkonzept. Zwar hat Peugeot die mit Tasten überflutete Mittelkonsole zugunsten eines Cockpits mit zentralem Touchscreen ausrangiert, doch Ungereimtheiten bleiben. So ist der Monitor tief im Armaturenbrett versenkt und nicht zum Fahrer gewandt, weshalb ihn dieser schlechter ablesen kann als ein Passagier, der mittig auf der Rückbank sitzt. Ungünstig ist auch der Startknopf für den Motor platziert: Links vom Lenkrad, als hielte sich der Peugeot für einen Porsche. Bis man vor dem Losfahren zuverlässig an die richtige Stelle greift, dürften Wochen vergehen. Besonders lange sucht, wer die Start-Stopp-Automatik ausschalten oder das Head-Up-Display verstellen möchte. Die entsprechenden Tasten kommen erst zum Vorschein, wenn man ein links unter dem Lenkrad platziertes Fach öffnet. Versöhnlich stimmen wiederum die ordentlichen Materialien und die gute Verarbeitung.

Und eine Fahrt im Peugeot 508 SW. Zumindest dann, wenn man möglichst entspannt am Ziel ankommen will. Schlechte Straßen bügelt die ausgewogene Federung souverän gerade, der leise Motor schont Gehör und Nerven, die Sechsgang-Automatik schaltet weich und wählt die Gänge so, dass man meist untertourig unterwegs ist. Es sei denn, sie agiert im Sportmodus, dann dreht sie die Fahrstufen höher aus. Fragt sich, wer das braucht, denn wirklich sportlicher wird das Auto dadurch nicht. Es reagiert einen Tick spontaner auf das Gaspedal, aber auf die Lenkung oder das Fahrwerk hat dieser Tastendruck keinen Einfluss. Der Kombi umrundet Kurven früh untersteuernd sowie mit spürbarer Seitenneigung und fühlt sich immer behäbig an. Kein Wunder, mit einem Leergewicht von 1,7 Tonnen rangiert er in seiner Klasse im oberen Bereich.

Der Peugeot mag es eher gemütlich oder geradeaus. Hier kommt ihm sein sehr anständiger Turbodieselmotor zugute. Der 180 PS starke Vierzylinder ist eines von vier Triebwerken und mit seiner gleichermaßen kraftvollen wie entspannten Art eine gut mit dem 508 SW harmonierende Antriebsquelle. Das Zweiliter-Aggregat ist bei sehr niedrigen Drehzahlen zwar etwas schläfrig, aber bei knapp 2000 Umdrehungen wacht es auf und stellt sein Drehmoment-Maximum von 400 Newtonmetern bereit. Wer alles aus dem Selbstzünder heraus kitzelt, beschleunigt in 8,6 Sekunden von Null auf Hundert und bis auf 226 km/h. Den versprochenen Durchschnittsverbrauch von 4,5 Litern dürfte er, wenn überhaupt, nur bei einer gemütlichen Landpartie schaffen. Führt die Route durch den Stadtverkehr oder über die Autobahn, steigt der Verbrauch deutlich - im Test waren es 7,4 Liter.

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Nicht ganz zeitgemäß ist auch das technische Rüstzeug, das Peugeot dem überarbeiteten 508 mitgibt. Elektronische Systeme wie ein Abstandsregeltempomat, Notbremsassistent und Spurverlassenswarner oder eine Verkehrszeichenerkennung, bei den meisten Konkurrenten zumindest gegen Aufpreis zu haben, gibt es für den Franzosen nicht. Mit der nun erhältlichen Totwinkelüberwachung, einer Rückfahrkamera, einem Fernlichtassistenten sowie dem Head-Up-Display sind die Möglichkeiten in dieser Hinsicht bereits erschöpft. Dafür hat sich Peugeot beim Thema Konnektivität Mühe gegeben. Über den zentralen Monitor abrufbare Apps informieren über freie Parkplätze, die Kraftstoffpreise der umliegenden Tankstellen, die Verkehrslage, das Wetter, oder sie geben touristische Hinweise.

Erstaunlich hohe Preise

Was also spricht für den 508 SW und gegen die vielen anderen erfolgreicheren Vertreter der Mittelklasse? Auf jeden Fall sein komfortables Fahrverhalten, der kraftvolle Motor und das gute Platzangebot. Peugeots Preisgestaltung ist jedoch eine klare Schwäche.

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Der 180-PS-Diesel lässt sich derzeit nur mit dem Automatikgetriebe und der höchsten Ausstattungslinie GT kombinieren. So konfiguriert kostet der Peugeot 508 SW mindestens 42 900 Euro - über 1000 Euro mehr als der VW Passat Variant mit 190-PS-Diesel und Doppelkupplungsgetriebe in der am besten bestückten Ausstattungsvariante. Zwar soll der Franzose demnächst wieder in der darunter angesiedelten Allure-Ausstattung zu haben sein, mit der auch der Testwagen bestückt war, doch auch damit gelingt es leicht, den Grundpreis von 39 000 Euro auf mehr als 45 000 Euro zu schrauben.

Einen echten Preisvorteil kann sich der Peugeot also nicht erarbeiten. Er bleibt eine Alternative für Menschen, die bereit sind, für ein wenig Individualismus und ein technisch etwas rückständiges und kauziges Auto ähnliche Preise wie für die bessere Konkurrenz zu zahlen. Ein in Deutschland sehr kleiner Kundenkreis - zu klein, um in der Zulassungsstatistik weiter nach vorne zu fahren.

Technische Daten Peugeot 508 SW BlueHDi 180 EAT6:

R4-Dieselmotor mit 2,0 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 133 kW (180 PS); max. Drehmoment: 400 Nm bei 2000/min; Leergewicht: 1695 kg; Kofferraum: 560 - 1598 l; 0 - 100 km/h: 8,6 s; Vmax: 226 km/h; Testverbrauch: 7,4 l / 100 km (lt. Werk: 4,5; CO2-Ausstoß: 118 g/km); Euro 6; Grundpreis Allure / GT: 39 000 / 42 900 Euro

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