Pedanten hätten ihre helle Freude an diesem Bild. Akkurat sind die Mittelklasseautos aufgereiht, die dort auf dem Parkplatz des Flughafens in Olbia stehen. Millimetergenau sind sie ausgerichtet, wie Soldaten bei einer Militärparade. Ein Bild voll Symmetrie - und die passt wunderbar zum vorgestellten Auto.
Dutzende neue VW Passat stehen auf Sardinien zur ersten Ausfahrt bereit. Der Wagen der Wahl von Tausenden Außendienstlern und Familienoberhäuptern, der Inbegriff automobiler deutscher Gründlichkeit, will von der deutschen Journalistenmeute probegefahren werden. Da die mit reichlich Chrom verzierten Kühlergrills in der Sonne um die Wette funkeln, ergänzt ein Hauch von Kitsch die Szenerie.
Der neue VW Passat in Bildern:Biedermann mit Hightech-Spielereien
Der Anspruch an den neuen Passat ist hoch: Nicht Insignia und Co., sondern A4, 3er und C-Klasse sollen die neuen Gegner sein. Dafür legt er sich in Sachen Assistenzsystem und Multimedia-Möglichkeiten so sehr ins Zeug, dass sich die Frage stellt: Muss das alles sein?
Einmal in der achten Generation des Wolfsburger Mittelklässlers platzgenommen, bleibt vom Kitsch nichts übrig. Der Deutschen liebster Dienstwagen, vom Hersteller in der höchsten Ausstattungslinie "Highline" zur Verfügung gestellt, präsentiert im Innern gerade Linien, eine saubere Verarbeitung und angenehme Materialien. Das Cockpit versprüht zwar einen technokratischen Charme, sorgt mit seinem klaren Design und dieser gewissen VW-Vertrautheit sofort für Entspannung, statt mit gestalterischen Experimenten zu überfordern.
Digitale Instrumente als nette Spielerei
Schaut man genauer hin, fallen dann doch einige Eigenheiten auf. Etwa der Bereich der Lüftungsdüsen. Deren waagerechte Streben erstrecken sich in Form einer Blende oberhalb des Handschuhfachs über die gesamte Beifahrerseite bis zum rechten Luftausströmer - eine ebenso simple wie elegante Lösung, die kein anderes Auto bietet. Oder eine nette Spielerei, die 650 Euro teure volldigitale Instrumentierung: Wo sonst analoge Tachos und Drehzahlmesser sitzen, befindet sich im Passat auf Wunsch ein TFT-Monitor mit einer Bildschirmdiagonale von 31 Zentimetern. Der stellt Geschwindigkeits- und Drehzahlmesser auch als Rundinstrumente dar, lässt sich vom Fahrer aber individuell anpassen. Will der Pilot lieber die aktuelle Route als das derzeitige Tempo genau im Auge behalten, lässt sich die Karte des Navigationssystems vergrößern. Gleichzeitig werden die Instrumente kleiner und deren Skalierung gröber - wenn auch der Unterschied zwischen den Ansichten nicht allzu groß ist.
Ganz ohne Extrakosten gibt es viel Platz im Innenraum. Vor allem im Fond, dessen Bein- und Kopffreiheit manches Auto nicht bieten kann, das eine Klasse höher angesiedelt ist. Das lässt sich auch über den Passat-Kofferraum sagen: Die Limousine bietet ein Fassungsvermögen von 586 Litern, der Variant schluckt zwischen 650 und 1780 Liter Gepäck. In beiden Fällen lassen sich die Gepäckabteile einfach und bequem mit einem Handgriff erweitern. Wer 810 Euro extra investiert, muss beim Großeinkauf auf dem Supermarktparkplatz noch nicht einmal die Tüten aus der Hand legen. Ein kurzer Tritt unter die Heckstoßstange genügt, und die Kofferraumklappe öffnet sich von selbst - ein im Familienalltag sinnvolles, wenn auch teures Ausstattungsdetail.
Die 150-PS-Motoren überzeugen
Ein Passat muss aber nicht nur beim Wocheneinkauf, sondern vor allem auf der Autobahn überzeugen. Gerne in der Hand von Außendienstlern, die Strecke machen wollen, ohne ständig nachtanken zu müssen. Die werden bevorzugt den 150 PS starken Zweiliter-Turbodiesel wählen. Mit dem kann man nichts falschmachen, da der Kompromiss aus Kraft und Sparsamkeit stimmt.
Zwar lockt ein weiterer Selbstzünder, ein ebenfalls zwei Liter großer TDI, mit 240 PS und einem um 160 Newtonmeter größeren Drehmoment-Maximum (500 statt 340). Aber der kostet im Vergleich zum kleinen Diesel ausstattungsbereinigt fast 9000 Euro Aufpreis - und präsentiert sich während der Testfahrt über die kurvigen Bergstraßen Sardiniens nicht ganz so potent, wie es die Daten vermuten lassen. Er begeistert mit toller Laufkultur, aber den letzten Druck im mittleren Drehzahlbereich lässt er vermissen - das Hubraummanko im Vergleich zu den auf dem Papier ähnlich starken Sechszylinder-Dieseln der Konkurrenz macht sich deutlich bemerkbar.
Wie gut VW Vierzylindermotoren bauen kann, zeigt der einzige zum Marktstart im November erhältliche Benzinmotor. Aus 1,4 Litern Hubraum holt der Passat 1.4 TSI dank Turboaufladung 150 PS und maximal 250 Newtonmeter. Schon ab 1500 Umdrehungen stellt er sein höchstes Drehmoment zur Verfügung, ohne am roten Bereich einzuknicken, womit sich ein breit nutzbares Drehzahlband ergibt. Das Benzintriebwerk ist die Fahrspaß-Empfehlung im aktuellen Motorenprogramm, auch wenn dessen Drehfreude zu häufigeren Tankstellenbesuchen führt. Mit Bedacht bewegt, lässt sich mit diesem Motor beim Durchschnittsverbrauch problemlos eine sechs vor dem Komma realisieren. Nutzt man dessen Potenzial, sind auch mehr als zehn Liter drin.
Bei nur drei Motoren wird es natürlich nicht bleiben. 2015 folgen vier weitere Benziner mit 125, 180, 220 und 280 PS. Das Diesel-Portfolio stockt VW bald mit einem 120 und einem 190 PS starken TDI auf. Ein Plug-in-Hybrid mit 218 PS, dessen Batterien sich per Kabel laden lassen, folgt im Sommer des nächsten Jahres.
Lieber selbst schalten als schalten lassen
Die Topmotorisierungen kombiniert VW serienmäßig mit dem DSG-Doppelkupplungsgetriebe, das für jede der schwächeren Varianten als Option zur Verfügung steht. Das schaltet schnell, fast unmerklich und agiert wohltuend souverän, hat aber eine Eigenart: Es erfordert einen extrem sensiblen Gasfuß, wenn man das Auto beim Losfahren mit sanftem Anrollen in Bewegung setzen möchte. Erst passiert gar nichts - und drückt der Fahrer das Gaspedal nur einen Tick stärker, beschleunigt der Passat, als hätte ihn jemand zum Sprintduell herausgefordert. Mit manuellem Getriebe klappt das besser: Gas, Kupplung und der kurz, knackig und exakt durch die Gassen der Sechsgang-Box geführte Schalthebel harmonieren perfekt und machen das DSG zu einem verzichtbaren Extra.
Das ließe sich auch über die zahlreichen Assistenzsysteme sagen. Technologien wie der Abstandregeltempomat, die City-Notbremsfunktion oder die Assistenten für Spurwechseln und -halten, Ausparken oder für die Fahrt im Stop-and-Go bieten Fortschritte bei Sicherheit und Komfort, kosten im Paket aber 2850 Euro Aufpreis. Auch Neuerungen wie der Parklenkassistent (für 620 Euro extra manövriert das Auto auch mit Anhänger fast eigenständig in jede Art von Parklücken) oder das 850 Euro teure System, das mit vier Kameras die Umgebung des Autos beim Rangieren überwacht, lässt sich VW zusätzlich bezahlen. Jedes der Systeme funktioniert gut und sorgt bei richtiger Anwendung für Narrensicherheit. Aber geübte Autofahrer schaffen das, was die Technik kann, mit weniger Zeitaufwand - und können sich dessen Bestellung sparen. Sonst laufen die Kosten aus dem Ruder.
Ein Passat für 50 000 Euro? Kein Problem!
Und das kann schnell gehen. Das günstigste Angebot ist derzeit die 30 250 Euro teure Limousine mit 150-PS-Diesel und Handschaltung - aber auch nur dann, wenn man die extrem karge Trendline-Basisausstattung wählt. Eine Option hier, ein Kreuzchen auf der Aufpreisliste da, vielleicht noch eine bessere Ausstattungslinie, stärkere Motorisierung, DSG oder Allradantrieb, schon kann ein Passat 50 000 Euro oder mehr kosten.
Der Gegenwert ist ein stimmiges, in allen Belangen durchdachtes Ingenieursauto, das seinen Fahrer nach Kräften unterstützt und seine Besatzung samt viel Gepäck möglichst entspannt ans Ziel bringen möchte. Der Passat ist unaufdringlich, hält sich im Hintergrund und funktioniert. Ist er deshalb spießig, vielleicht sogar langweilig? Natürlich - aber gerade das macht ihn so gut.