Es war ein Scherz, wie ihn Der Postillon mehrmals täglich darbietet: "Statt wie bisher besonders baufällige Brücken für viel Geld zu sanieren oder neu zu errichten, ist nun eine kostensparende Umwandlung der Überführungen in Sprungschanzen vorgesehen", schrieb die Satire-Website im November vergangenen Jahres. Den Autofahrern, die seit der Sperrung der Schiersteiner Brücke zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz in einem der dadurch verursachten Staus stehen, dürfte nicht zum Lachen zumute sein.
Der Fall der maroden Rheinbrücke, die die Landeshauptstädte Wiesbaden und Mainz verbindet, wirft ein Schlaglicht auf die kränkelnde Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Dem Bundesverkehrsministerium zufolge sind etwa 15 Prozent der etwas mehr als 39 000 deutschen Straßenbrücken sanierungsbedürftig - macht knapp 6000 Brücken, deren Bauwerkszustand entweder "nicht ausreichend" oder gar "ungenügend" ist. Bauexperten gehen indes von einer deutlich höheren Anzahl aus. Günther Jost vom TÜV Rheinland schätzt, dass sogar fast jede zweite Brücke marode ist.
Enormer Investitionsbedarf
Alexander Dobrindt (CSU) weiß um den enormen Investitionsbedarf. "Die Modernisierung der Brücken ist eine Aufgabe, die weit über die Legislaturperiode hinausgeht", sagte der Bundesverkehrsminister der Welt am Sonntag. Als Sofortmaßnahme hatte Dobrindts Ministerium deshalb ein Sonderprogramm von gut einer Milliarde Euro aufgelegt. Das Problem: Damit können bis 2017 nur insgesamt 78 Brücken saniert werden.
Dobrindt muss ständig Löcher stopfen, denn der Erhalt des Fernstraßennetzes leidet unter chronischer Unterfinanzierung. Für den Zeitraum 2011 bis 2025 schätzt das Bundesverkehrsministerium den Finanzbedarf für den Erhalt der Fernstraßen auf 3,4 Milliarden Euro im Jahr. Viel Geld, aber lange nicht genug. Eine Kommission unter Führung des ehemaligen Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig kam 2013 zu dem Ergebnis, dass jährlich 7,2 Milliarden Euro notwendig sind, um die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten. Allein das Defizit bei den Fernstraßen beträgt demnach 1,3 Milliarden Euro im Jahr.
Hauptverkehrsader im Rhein-Main-Gebiet
Eine der 78 Brücken, deren Neubau aus Dobrindts Extratopf finanziert wird, ist die Schiersteiner Brücke. Seit 2013 wird eine zweigeteilte Brücke gebaut, die mit je drei Fahrspuren das heruntergekommene, insgesamt nur vierspurige Bauwerk ersetzen soll. Allerdings ist das mit 225 Millionen Euro veranschlagte Projekt frühestens 2019 fertig. Bis dahin muss also der alte, zwischen 1959 und 1962 erbaute und knapp 1,3 Kilometer lange Teil der A 643 durchhalten.
Die Schiersteiner Brücke ist für den Straßenverkehr der Region enorm wichtig: Nach Angaben der Straßenverkehrsbehörde passieren pro Tag zwischen 80 000 und 90 000 Fahrzeuge die Verkehrsader im Rhein-Main-Gebiet. Oft können die vier Spuren das Verkehrsaufkommen nicht bewältigen, die Brücke wird ständig in den Staumeldungen der Radiosender erwähnt. Seit der Vollsperrung, die wegen der Überprüfung eines Brückenpfeilers nötig ist, geht nun gar nichts mehr - und das mindestens bis Rosenmontag, wahrscheinlich länger.