Luxusautos in der Krise (2):Zur Zusammenarbeit verdammt

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Der Wettbewerb wird härter, Premium braucht Partner: vier Thesen zur Zukunft der deutschen Edelhersteller.

Michael Kuntz

Der Fußballer Berti Vogts formulierte: "Die Breite an der Spitze ist dichter geworden". So richtig versteht das zwar niemand, aber es klingt interessant und die hohe Dynamik des Spiels auf dem grünen Rasen kommt durchaus rüber. So gesehen hätte der Kicker Vogts auch von der Automobilindustrie reden können, wo seit dem Ausbruch der ersten weltweiten Absatzkrise alles in Bewegung ist und nur noch wenig von dem gilt, was vorher Gesetz war.

Premium muss mehr sein als die Summe von Teilen plus apartem Desgin. (Foto: Foto: dpa)

Größer, schneller, teurer - nach diesem Motto konnten Autohersteller an neuen Modellen Jahrzehnte lang gutes Geld verdienen. Je voluminöser die Autos, umso üppiger der Gewinn. So lautete die Faustformel einer Industrie, die nur eines kannte: Wachstum. Nun ist alles anders. Erst kam die Hypothekenkrise in den USA. Dann wuchs sich das amerikanische Immobilien-Desaster zu einer veritablen Finanzkrise aus; erstmals brach überall die Nachfrage nach Autos auf allen wichtigen Märkten gleichzeitig zusammen. Das war neu.

Nun gibt es trotz Kurzarbeit erste Hoffnung, jedenfalls bei den beiden bayerischen Herstellern. Mit neuen Modellen wollen sie aus der Krise fahren und von Beginn an bei einem Aufschwung dabei sein, von dem nur leider niemand genau sagen kann, wann er kommt. Vieles ist ungewiss, doch eines ist sicher: Wer weitermacht wie bisher, der wird verlieren. Dies gilt gerade für die Avantgarde unter den Autokonzernen, die Produzenten luxuriöser Premiummodelle. Vier Thesen zur Zukunft der Edelhersteller:

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1. Klassisches Premium ist tot

General Motors, Ford, Chrysler
:Verlorene Größe

Der Untergang der US-Autoindustrie ist hausgemacht: Es fehlen die richtigen Modelle, nachhaltige Strategien und Markenbewusstsein.

Sicher wird es weiterhin die Oberklasse-Limousinen geben - die S-Klasse, den 7er oder den A8 - mit der Minister und Manager durch die TV-Abendnachrichten rollen. Doch in den westlichen Industriestaaten wird die soziale Akzeptanz eines Autos eine größere Rolle spielen als bisher. Wer seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt und sich selbst ein 100.000-Euro-Auto anschafft, der verliert schnell seine Glaubwürdigkeit. In Ballungsräumen wird mehr das kleinere Auto gefragt sein. Es darf technisch ähnlich hochgerüstet sein wie früher nur die automobile Oberklasse.

BMW hat es mit dem Mini vorgemacht, wie Besitzerstolz selbst dann noch zu erzeugen ist, wenn das teure Produkt klein ist. Die kleinen, hübschen, technisch kompletten Autos sind aber auch genau das Problem der erfolgsverwöhnten Premium-Produzenten. So drang BMW mit dem 1er und teilweise auch mit dem Mini von oben in das Segment der Massenhersteller ein. Diese perfektionierten ihre Produktion inzwischen aber so, dass der Unterschied zwischen Premium und Nicht-Premium zumindest bei den Einsteigermodellen nicht mehr auf den ersten Blick zu erkennen ist.

Hersteller wie Audi, BMW und Daimler müssen ihre Autos - auch die kleinen - also wieder unverwechselbarer machen, wenn sie den gewohnten Aufschlag für Premiumqualität auch in der Zukunft kassieren wollen.

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2. Es gibt keinen Markt mehr, der das Geschehen reguliert

Durch die Finanzkrise haben die Vorstände der Autoindustrie viel Macht eingebüßt. Denn die Regierungen in mehreren Staaten beherrschen mittlerweile mehr oder weniger ihre Autoindustrie. Das mag zwar gut für die Arbeitsplätze im jeweiligen Land sein. Der Wettbewerb bleibt dabei freilich auf der Strecke. Was gut ist für die Mitarbeiter von Opel, ist zunächst einmal schlecht für die Beschäftigten des Konkurrenten Volkswagen. Was national gilt, gilt erst recht international. Zwar hat auch früher schon niemand etwa ein Autowerk in Russland nur wegen der dort stark zunehmenden Nachfrage gebaut. Hohe Zölle auf importierte Fahrzeuge erzwangen diese Investitionen in einem Land, das selbst über keine international wettbewerbsfähigen Autohersteller verfügt.

Zu den Handelshindernissen an den Grenzen von Staaten ist noch hinzugekommen, das immer mehr Regierungen direkt unternehmerisch in die Autoindustrie eingreifen. Die zwei größten amerikanischen Hersteller werden ferngesteuert aus Washington. Paris stützt die beiden französischen Konzerne. Berlin und Peking helfen mit Abwrackprämien und Steuergeschenken nach. Nur die Staatsbürgschaft für Opel garantierte das Überleben des Unternehmens. Der Staat greift in den angeblich freien Wettbewerb so kräftig ein wie nie zuvor. Entscheidungen des Managements werden stärker denn je von industriepolitischen Zielen der Regierung beeinflusst. Das gilt nicht nur für Premiumhersteller.

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3. Premium funktioniert nur groß

Die Ingenieure werden ausgerechnet mit den Konkurrenten kooperieren müssen, die sie bisher stets überflügeln wollten - koste es, was es wolle. Mittelgroße Hersteller wie BMW und Mercedes können sich jahrelange Gespräche über eine engere Zusammenarbeit nicht mehr leisten, wenn dabei nicht viel herauskommt. An einer längerfristigen Zusammenarbeit führt jedoch kein Weg vorbei, wenn man mehr als die Scheibenwischer gemeinsam einkaufen will. Um aber die richtig wertvollen Elemente eines Autos miteinander kombinieren zu können, braucht es gemeinsame Schnittstellen für Motoren, Getriebe und die Elektronik.

Das aber dauert. Und je länger die angestrebte Zusammenarbeit von BMW und Mercedes verzögert wird, umso mehr wächst der Abstand zu den Kosten von Audi oder Volvo, Lexus oder Infiniti, die sich in den Regalen ihrer Mutterkonzerne Volkswagen, Ford, Toyota oder Nissan günstig bedienen können. Die Kooperation von Fiat mit Chrysler ist ein gewagtes Unterfangen, letztlich aber ebenfalls angetrieben von der Suche nach Skaleneffekten.

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4. Deutschland als Autoland bleibt eine uneinnehmbare Festung

Noch ist Deutschland Autoland. Damit dies so bleibt, werden die deutschen Premiumhersteller technologisch führend bleiben müssen - ob sie wollen oder nicht. Denn mit technisch nicht mehr so hochwertigen Produkten würde die deutsche Industrie die Überholspur freigeben für die Konkurrenten aus Asien. Doch soweit wie in Amerika wird es in Deutschland nicht kommen.

In Nordamerika machten die "Big Three" aus Detroit praktisch Werbung für zuverlässige, sparsame und kompakte Autos aus Asien, indem sie etliche Jahre lang weder zuverlässige noch sparsame oder gar kompakte Autos anboten. Sicher, die Rabattschlacht nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sowie die hohen Kosten für das Gesundheitssystem und die Altersversorgung belasten General Motors, Ford und Chrysler bis heute.

Doch letztlich wurden sie Opfer eines schleichenden Prozesses, bei dem Toyota, Honda und die anderen eher die Autos hatten, die amerikanische Kunden gerade kaufen wollten. Das waren nicht nur Hybride, sondern auch leichte Trucks, aber eben immer Autos, die den Zeitgeist trafen. Die Schwäche der amerikanischen Hersteller öffnete dem Lexus den Markt. Hinzu kam freilich noch ein günstiger Wechselkurs des Yen, der den japanischen Herstellern lange half.

4. Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob man aus der Krise lernen kann

4. Aus der Krise lernen?

Es reicht nicht mehr, ein technisch tolles Produkt zu einem für die Zielgruppe erschwinglichen Preis auf den Markt zu bringen. Dieses Premium beherrschen heute viele und morgen werden es auch die neuen Konkurrenten aus China und Indien können - sie sind auf dem besten Wege dahin. Premium muss deswegen mehr sein als die Summe von Teilen plus apartem Design.

Premium muss mehr Porsche sein - jene Marke, für die Käufer einen Aufschlag von einem Fünftel des Preises zahlen. Sie tun es offenbar gern - wegen des Lebensgefühls, das die Marke transportiert. Premium muss, sagen Autoexperten, immer wieder die Antwort geben auf eine sich verändernde Welt, in der ein neues Auto nicht mehr automatisch größer, schneller, teurer zu sein braucht.

Um es mit Berti Vogts zu sagen: An der Spitze bleibt die Breite, auch wenn alles dichter wird.

© SZ vom 29.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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