50 Jahre Lamborghini Miura:Das Auto, das die Welt der Sportwagen veränderte

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1966 debütierte der Lamborghini Miura auf dem Genfer Autosalon, nun feiert er 50-jähriges Jubiläum. (Foto: Automobili Lamborghini S.p.A.)

Wenn ein Traktorhersteller den besten Sportwagen der Welt bauen will, braucht er vor allem Mut. Ferruccio Lamborghini bewies beim Miura viel davon.

Von Thomas Harloff

Es sind oft Mythen, die Autos und ihre Hersteller zu Legenden machen. Im Fall einer nicht ganz unbekannten Sportwagenmarke aus Norditalien ist es diese: Der Industrielle Ferruccio Lamborghini soll mit seinem Ferrari unzufrieden gewesen sein und das dem allmächtigen Chef der Edelschmiede auch mitgeteilt haben. Doch Commendatore Enzo Ferrari ließ Lamborghinis Kritik abblitzen, verbunden mit dem Hinweis: Jemand, der sich mit Traktoren auskenne, habe nicht zwangsläufig das Recht, über Sportwagen zu urteilen. Den Traktorfabrikanten Lamborghini soll diese Hochnäsigkeit so geärgert haben, dass er den Beschluss fasste, in einem neu errichteten Werk in Sant'Agata nahe Bologna selbst Sportwagen zu bauen - und zwar bessere, als es Ferrari zu jener Zeit vermochte.

Ob sich das tatsächlich so zugetragen hat, ist nicht vollends belegt. Fest steht, dass die Sechzigerjahre die Blütezeit des italienischen Sportwagenbaus waren. Kleine Hersteller wie De Tomaso, Bizzarrini oder Iso Rivolta traten in Konkurrenz zu den namhaften Firmen Ferrari und Maserati. Von 1963 an versuchte sich auch Lamborghini in diesem immer härter umkämpften Geschäft. Die ersten Modelle, 350 und 400 GT, brachten es zwar auf ordentliche Absatzzahlen. Sie vermochten aber nicht, den Markennamen nachhaltig in den Köpfen einer zahlungskräftigen und sportwagen-affinen Klientel zu verankern. Damit sich das änderte, brauchte es nur eine einzige Automesse, nämlich den Genfer Salon 1966. Dort fuhr ein Coupé auf die Bühne, das die Aufmerksamkeit schlagartig auf den noch jungen Sportwagenhersteller lenkte: der Miura.

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Technik-Konzept aus dem Motorsport

Das flache, ungewöhnlich proportionierte Coupé war anders als die leistungsstarken Gran-Turismo-Sportwagen aus Maranello oder Modena. Es sah aus wie die Rennwagen jener Zeit. Lamborghinis leitende Ingenieure Gian Paolo Dallara und Giampaolo Stanzani ließen sich für die Entwicklung vom Motorsport inspirieren. Als technische Basis wählten sie einen aus gefalztem Stahlblech zusammengeschweißten Plattformrahmen, in den sie Löcher bohrten, um ihn leichter zu machen. Das Gewicht sollte sich auch möglichst günstig auf die angetriebenen Hinterräder verteilen, weshalb für Dallara und Stanzani nur eine Mittelmotor-Anordnung infrage kam.

Das passende Triebwerk gab es schon: jenen Vierliter-V12, der bereits im Lamborghini 400 GT zum Einsatz kam und dort 320 PS leistete. Der ehemalige Ferrari-Motoreningenieur Giotto Bizzarrini hatte ihn entwickelt. Für den Miura erstarkte er auf etwa 350 PS - und erlaubte dank kompakter Maße einen technischen Kniff: Dallara und Stanzani konnten den Motor quer hinter den beiden Passagieren und vor der Hinterachse einbauen. Damit hatten sie genug Platz, um den V12, das Fünfgang-Getriebe und das Differenzial zu einer Einheit zu verschmelzen. Ein Vorteil, der dem Miura im Vergleich zu seinen Konkurrenten mit Frontmotor und Hinterradantrieb eine bessere Fahrdynamik verschaffen sollte.

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Ferruccio Lamborghini war vom Konzept seiner Techniker dermaßen überzeugt, dass er nur das fertige Chassis auf dem Turiner Autosalon 1965 präsentierte - noch ohne die Karosserie, die der fortschrittlichen Technik ein aufregendes Äußeres gab. Auf der Messe sprach der Karosseriebauer Nuccio Bertone Lamborghini auf seine Entwicklung an: "Ich kann Ihnen den Schuh fertigen, der an Ihren Fuß passt", soll er dem Traktor- und Sportwagenbauer gesagt haben. Per Handschlag einigten sich die Beiden auf eine Zusammenarbeit, und es dauerte nur vier Monate, bis Bertone-Designer Marcello Gandini dem Sportwagen jene Karosserie schneiderte, die mit ihren Proportionen sofort zur Ikone für zweisitzige Mittelmotor-Sportwagen wurde.

Doch so ganz fertig war das Traumauto noch nicht. Es fehlte eine griffige Modellbezeichnung, die zum mutigen Technik-Konzept und zum aufregenden Äußeren passte. Bislang firmierte das Projekt unter dem Code "400 TP", doch Ferruccio Lamborghini hatte für seinen Neuling etwas anderes im Sinn. Es war ja naheliegend: Er selbst war im Tierkreiszeichen des Stiers geboren, das Firmenwappen ziert ein Kampfstier. So war der Sportwagen der erste Lamborghini, der namentlich diese Analogie aufgriff. Seinen neuen Supersportwagen benannte der Firmenchef nach den Tieren aus der sagenumwobenen Miura-Zucht in Südspanien, die als besonders intelligent und kampfeslustig gelten. Warum Lamborghini gerade diesen Namen wählte, hat er nie verraten. Aber er begründete damit eine Tradition, die bis heute anhält.

Nach vielen Nachtschichten folgte der erfolgreiche Messeauftritt in Genf im März 1966. Der in Sachen Publicity findige Lamborghini ließ noch eine weitere Marketingaktion folgen: Er präsentierte den Miura einige Wochen später beim Formel-1-Rennen in Monaco. Er parkte den orangefarbenen Sportwagen vor dem Hôtel de Paris in direkter Nähe zum Casino. Immer wieder bildeten sich Menschentrauben, die den Verkehr zum Erliegen brachten. Unter den Schaulustigen waren auch Menschen, die sich den Miura leisten konnten, und so fuhr Lamborghini nach dem Rennen mit einigen Bestellungen in der Tasche zurück nach Norditalien.

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Mit knapp 400 PS und fast 300 km/h dem Karriereende entgegen

Während die ersten Miura-Exemplare gebaut und ausgeliefert wurden, blieben die Ingenieure Dallara und Stanzani fleißig. Stetige Verbesserungen sollten die Konkurrenz auf Abstand halten. So löste nach zwei Jahren die 370 PS starke S-Variante den ursprünglichen Miura ab. Die Roadster-Version, deren Prototyp 1968 auf dem Autosalon in Brüssel vorgestellt wurde, schaffte es aber nicht in die Serienproduktion. Es gingen einfach zu wenige Bestellungen ein, um die Probleme bei der Verwindungssteifigkeit zu beseitigen und später mit dem Auto trotzdem Geld verdienen zu können. Das Auto war nicht so stabil, wie es sein sollte. So röhrte der Miura in den frühen Siebzigerjahren in seiner 385 PS starken SV-Version dem Karriereende entgegen. Und das bei Bedarf mit Höchstgeschwindigkeiten nur knapp unterhalb der 300-km/h-Marke.

Rechnet man alle Versionen zusammen, entstanden in sechs Jahren Bauzeit fast 800 Miura-Exemplare. Ein respektabler Wert für jene Zeit, und Lamborghini verdiente gutes Geld mit seinem Supersportwagen. Nicht genug allerdings, um ausreichend Rücklagen für die harten Zeiten zu bilden, die kurz danach kommen sollten. Lamborghini verhob sich, baute die Modellpalette und das Werk in Sant'Agata aus, kurz bevor die Ölkrise sportwagenfeindliche Rahmenbedingungen schuf. Hinzu kamen Arbeiterunruhen und Umwälzungen, die die Macht des Patriarchen schwinden ließen. Als schließlich sein Sohn Antonio kein Interesse zeigte, die Firmen zu übernehmen, verkaufte Ferruccio die Sportwagen- und die Traktor-Marke, die noch heute seinen Namen tragen. Stattdessen produzierte und verkaufte er edlen Wein.

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Heute ist der Mittelmotor Standard

Was blieb, ist das Erbe eines Autos, dessen Bedeutung sich über die technische und gestalterische Pionierarbeit definiert, die Lamborghini zusammen mit Gian Paolo Dallara, Giampaolo Stanzani, Giotto Bizzarrini und Marcello Gandini leistete. Denn als die Konkurrenz erkannte, wie überlegen das Antriebskonzept des Miura war, griff sie es selbst auf. Ferrari brachte mit den Dino-Modellen und später mit dem 512 BB Mittelmotor-Sportwagen auf den Markt, genau wie Maserati mit dem Bora und dem Merak. Spätestens von den Achtzigerjahren an setzte sich diese Architektur endgültig durch, und heute gibt es kaum einen Sportwagenhersteller, der nicht auf den Mittelmotor setzt. Porsche 718 Boxster, Audi R8, die gesamte McLaren-Modellpalette, Ferrari 488 GTB, natürlich die aktuellen Lamborghini-Modelle Huracán und Aventador - es ließen sich mehrere Dutzend Beispiele aufzählen.

Obwohl mit dem Miura 1972 Schluss war und Ferruccio Lamborghini nun nicht mehr Chef im von ihm gegründeten Hause war, ging es in Sant'Agata weiter. Noch zu seiner aktiven Zeit schob Lamborghini ein Projekt an, dessen Ergebnis in ähnlichem Maße zur Legendenbildung um die norditalienische Sportwagenmarke beitragen sollte. 1974 kam der Miura-Nachfolger Countach auf den Markt. Aber das ist eine andere Geschichte.

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