Union, FDP und die Steuern:Zu viel versprochen

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Ob Einkommen- oder Unternehmensteuer - Union und FDP sind sich uneinig darüber, wer wie belastet werden soll. Die Liberalen werden wohl den Kürzeren ziehen.

C. Hulverscheidt

Wie war die Welt doch einfach, damals, im Wahlkampf. Da gab es die Steuersenker von CDU, CSU und FDP und die Steuererhöher von SPD, Grünen und Linkspartei. Die Bürger mussten sich nur für eines der beiden Lager entscheiden. Das jedenfalls war die Botschaft des Wahlkämpfers Guido Westerwelle, der nun endlich mitregieren darf - und schon bald feststellen wird, wie groß der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit auch für einen angehenden Vizekanzler sein kann.

Die Erwartungen sind groß, aber allzu viel Spielraum für Steuersenkungen hat die neue Regierung nicht. (Foto: Foto: ddp)

In Wahrheit gab es die beiden Lager nämlich nie, jedenfalls nicht in der von Westerwelle beschworenen Klarheit. Denn so wenig etwa die SPD eine reine Steuererhöhungspartei war, so wenig begeistert sind vor allem Teile der CDU von Steuersenkungen. Zwar hat auch Kanzlerin Angela Merkel ihren Wählern "mehr Netto vom Brutto" versprochen. Für Steuererleichterungen im hohen zweistelligen Milliardenbereich, wie die Liberalen sie wollen, müsste sie aber einen der Markenkerne christdemokratischer Politik aufgeben - die solide Haushaltsführung. Das wird nicht passieren.

Abstriche für die Liberalen

Die FDP wird deshalb bereits in den Koalitionsverhandlungen jede Menge Abstriche an ihren steuerpolitischen Forderungen machen müssen. Das gilt auch für den äußerst populären Bereich der Einkommensteuer. Nach den Vorstellungen der Liberalen soll der Eingangsteuersatz von 14 auf 10 und der Spitzensatz von 45 auf 35 Prozent sinken. Die Kosten dafür würden sich - je nachdem ob man ihnen oder dem (noch) SPD-geführten Bundesfinanzministerium glaubt - auf 35 bis 80 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Der CDU ist das zu viel, sie will den Eingangswert lediglich um zwei Punkte senken.

Die Positionen liegen allerdings nicht so weit auseinander, dass kein Kompromiss möglich ist: So könnte Merkel Westerwelle beim Eingangssatz entgegenkommen, den Spitzensatz aber unverändert bei 45 Prozent lassen. Schließlich wird sich die Kanzlerin kaum zu Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit den Vorwurf einhandeln wollen, dass von der neuen Koalition vor allem "Reiche" profitieren. Ob die Union auf die Forderung der Liberalen eingehen wird, den linear-progressiven, also stetig ansteigenden Steuertarif durch einen Drei-Stufen-Tarif zu ersetzen, ist noch ungewiss - aber auch unwichtig, weil es dabei um eine eher akademische Diskussion geht.

Mehr Chancen auf Umsetzung dürfte die Forderung der FDP nach einem "Tarif auf Rädern" haben. Mit der Idee könnte ein Problem des Steuerrechts beseitigt werden, das praktisch alle Parteien seit Jahren beklagen: die kalte Progression. Dahinter steckt das Phänomen, dass den Bürgern im Laufe der Jahre selbst dann immer weniger vom Bruttolohn bleibt, wenn ihr Einkommen nur im Gleichschritt mit der Inflationsrate steigt, sie also real gar nicht mehr in der Tasche haben.

Dies wäre nicht der Fall, wenn die Schwellenwerte, ab der die einzelnen Steuersätze greifen, jedes Jahr an die Teuerungsrate angepasst würden.

Für den Staat hätte ein solcher Tarif auf Rädern allerdings einen hässlichen Nebeneffekt: Der regelmäßige Anstieg der Steuereinnahmen, auf den sich noch jeder Finanzminister verlassen hat, würde erheblich geringer ausfallen als bisher.

Die Tarifvorschläge von CDU/CSU und FDP im Überblick. (Foto: Foto: SZ-Graphik, Quelle: Bund der Steuerzahler)

Entgegenkommen könnte die Union der FDP auch bei der Behandlung von Aktienverkäufen: Die Liberalen wollen Verkaufsgewinne von der 25-prozentigen Abgeltungssteuer ausnehmen, wenn die Wertpapiere als längerfristige Kapitalanlage und nicht als reine Spekulationsobjekte erworben wurden. Dazu müsste die gerade erst weggefallene Spekulationsfrist wieder eingeführt werden. Die Steuerfreiheit hätte allerdings auch eine Kehrseite, denn Verluste aus Aktiengeschäften könnten beim Finanzamt nicht mehr geltend gemacht werden.

Gemessen an den Problemen, die CDU, CSU und FDP bei der Besteuerung von Betrieben miteinander bekommen werden, sind die Schwierigkeiten bei der Einkommensteuer allerdings kaum der Rede wert. Die Liberalen wollen nicht nur die Unternehmensteuerreform von Union und SPD praktisch aufheben, die Gewerbesteuer soll sogar gänzlich entfallen. Sollte es dazu kommen, müsste sich Merkel auf einen Sturmlauf der Bürgermeister, auch der christdemokratischen, einstellen: Die Kommunen glauben den Beteuerungen der FDP nämlich nicht, dass ihnen ihre wichtigste Einnahmequelle komplett ersetzt würde.

Die Städte und Gemeinden sollen dann stärker an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer beteiligt werden sowie in eigener Regie Zuschläge auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer erheben dürfen - was den Wettkampf der Kommunen um die Ansiedlung zahlungskräftiger Unternehmen massiv verschärfen würde.

Letzte Vermögenssteuerart soll verschwinden

Noch eine Steuer soll den Standortwettbewerb kräftig anheizen: die Erbschaftsteuer. Sowohl die FDP als auch die CSU wollen sie "regionalisieren", also in die Hände der Länder legen. Der Hintergedanke, der die Liberalen dabei umtreibt, ist nicht schwer zu erraten: Die letzte verbliebene Vermögensteuerart in Deutschland soll schlicht verschwinden. Das aber wäre ein gefährliches Spiel - vor allem dann, wenn Union und FDP aus der Haushaltsnot heraus auch noch die Mehrwertsteuer anheben müssten.

Dies würde den Annäherungsprozess von SPD, Grünen und Linken womöglich beschleunigen. Aus der angeblichen Koalition der Steuersenker, die Westerwelle eben noch beschwor, könnte dann bei der nächsten Wahl rasch eine Koalition der Verlierer werden.

Die Vorstellung der CDU/CSU

Die Idee einer großen Steuerreform wurde der Union einst vom Hamburger CDU-Bundestagskandidaten Gunnar Uldall nahegebracht. Der Wirtschaftsmann aus Hamburg warb 1994 für einen dreistufigen Steuertarif, wie ihn heute auch die FDP fordert. Uldall forderte Einkommensteuersätze von 8, 18 und 28 Prozent. Einige Jahre später griff Friedrich Merz diese Idee auf und warb für "die Steuerreform auf dem Bierdeckel".

Merz forderte Steuersätze von 12, 24 und 36 Prozent. Auch Angela Merkel erwärmte sich auf dem Leipziger Parteitag 2003 für den Plan. Zwei Jahre später holte sie sogar den Heidelberger Steuerrechtler Paul Kirchhof in ihr Wahlkampfteam. Der Professor schlug einen Einheitstarif von 25 Prozent vor. Doch mit dem enttäuschenden Wahlergebnis vor vier Jahren hat sich die Union von derart radikalen Plänen verabschiedet.

Die Vorstellung der FDP

Der FDP kann man - unabhängig davon, ob man ihre Ideen für realistisch hält - in der Steuerpolitik eine gewisse Geradlinigkeit unterstellen. Einen dreistufigen Steuertarif fordern die Liberalen seit Mitte der neunziger Jahre, und sie haben sich, anders als die Union, von diesem Plan nicht immer verabschiedet.

Der Stufentarif ist von Anfang an mit dem Namen von Hermann Otto Solms verbunden. Solms führte bis zum Ende der letzten schwarz-gelben Koalition 1998 die Bundestagsfraktion der FDP. Auch in den elf Jahren seither warb er unentwegt für den dreistufigen Tarif bei der Einkommensteuer. Nur die Steuersätze haben sich etwas verändert: Anfangs forderte die FDP noch 15, 25 und 35 Prozent. Mittlerweile liegt der Eingangsteuersatz aber ohnehin schon bei 14 Prozent, weshalb die Liberalen ihrerseits nun 10, 25 und 35 Prozent wollen.

© SZ vom 29.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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