Supermarktkette:Jetzt beginnt der Ausverkauf bei Tengelmann

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Protest in Nordrhein-Westfalen: Die Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann fürchten um ihre Arbeitsplätze. (Foto: Ina Fassbender/dpa)
  • Die Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann beginnt. Zunächst werden die - zum Großteil defizitären - Filialen in NRW zum Kauf angeboten.
  • Erstmals meldete sich nun auch Kanzlerin Merkel in Sachen Tengelmann zu Wort. Sie pocht weiterhin auf einen Kompromiss.

Von Michael Kläsgen, München

Die Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann hat begonnen. "Wir haben heute angefangen, die deutschen Handelsunternehmen anzuschreiben und das Filialnetz anzubieten", sagte eine Sprecherin am Montag. "Nach Rücklauf der angeforderten Interessensbekundungen werden wir wissen, welche Filialen einen Übernehmer finden und welche nicht."

Zunächst werden die Filialen in Nordrhein-Westfalen zum Kauf angeboten. Betroffen sind in diesem ersten Schritt etwa 3500 der offiziell 16 000 Beschäftigten. In NRW machen die meisten der noch verbliebenen 105 Märkte Verlust. Karl-Erivan Haub, der Eigentümer der Kette, sagte in einem Interview, 60 bis 70 dieser Märkte würden womöglich keinen Käufer finden. Deswegen hat Haub Geschäftsführer Raimund Luig damit beauftragt, einen Sozialplan auszuhandeln.

Die Verhandlungen mit den Betriebsräten beginnen an diesem Dienstag. Am Donnerstag wollen die 29 Betriebsratsmitglieder die Belegschaft informieren. Einem Mitglied zufolge gebe es bei den Verhandlungen mit der Geschäftsführung "wohl nichts zu fordern". Ein wichtiger Bestandteil der Verhandlungen ist die Frage nach der Höhe der Abfindungen für die Beschäftigten.

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Die Höhe richtet sich auch nach der Länge der Betriebszugehörigkeit. Tengelmann zeichnete sich im deutschen Lebensmitteleinzelhandel dadurch aus, relativ viele Mitarbeiter in Vollzeit mit Tarifverträgen über eine relativ lange Zeit beschäftigt und gemessen am Rest der Branche vergleichsweise hohe Löhne gezahlt zu haben.

Der Verkauf der Läden in Berlin und München soll voraussichtlich erst Anfang nächsten Jahres beginnen. Eine Rettung aller Arbeitsplätze in letzter Minute ist trotzdem noch möglich. Erst wenn die erste Filiale verkauft worden ist, deren Schließung nicht bereits 2015 beschlossen wurde, wäre die Hoffnung auf Rettung endgültig dahin. Denn in dem Moment, so die Auffassung vieler Juristen, wäre die Ministererlaubnis hinfällig. Diese sieht vor, dass Edeka alle Märkte von Kaiser's Tengelmann übernimmt und tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsplätze für 16 000 Mitarbeiter über fünf Jahre garantiert.

Die Ministererlaubnis ist nach einer Beschwerde der Konkurrenten Rewe, Norma und Markant vom Oberlandesgericht Düsseldorf gestoppt worden. Zögen die Kläger ihr Veto zurück, ehe die erste Filiale verkauft ist, wären die Arbeitsplätze wieder gerettet. Rewe-Chef Alain Caparros sagte in einem Interview, Rewe nehme eine Klage nur zurück, "wenn wir einen großen Teil des Filialnetzes bekommen". Dann wiederum wäre jedoch die Ministererlaubnis hinfällig.

Es gebe Lösungsmöglichkeiten - auch im Rahmen der Ministererlaubnis

Erstmals meldete sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag über ihren Sprecher in dem Streit zu Wort. Danach pocht sie auf einen Kompromiss. Die beteiligten Unternehmen sollten nichts unversucht lassen, doch noch eine einvernehmliche Einigung herbeizuführen im Interesse der betroffenen Menschen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums fügte hinzu: Es gebe Diskussionen über einen möglichen Schlichter. "Jetzt sind aber die Beteiligten in der Pflicht und am Zug." Es gebe Lösungsmöglichkeiten auch im Rahmen der Ministererlaubnis.

Beide Aussagen klangen wie indirekte Aufforderungen an Caparros, doch noch eine finanzielle Entschädigung im Gegenzug für die Rücknahme der Beschwerde zu akzeptieren. Ursprünglich hatten die Unternehmenschefs und die Gewerkschaft Verdi ein Treffen an diesem Montag anvisiert. Doch der Termin wurde nicht eingehalten. Eine Insolvenz der Supermarktkette stehe jedoch nicht zur Debatte, sagte eine Sprecherin des Unternehmens weiter, weder für einzelne Filialen, die nicht rechtlich selbständig sind, noch für die GmbH. Da es zwischen Kaiser's Tengelmann und der Muttergesellschaft Tengelmann einen Ergebnis-Abführungs-Vertrag gebe, sei eine Insolvenz für das Familienunternehmen Tengelmann keine Option.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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