Steuerschätzung:Für alle Wahlversprechen wird das Geld nicht reichen

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Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht bei den Sondierungsgesprächen mit Wolfgang Kubicki, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckard. (Foto: dpa)

Die Jamaika-Sondierer haben mehr Geld zur Verfügung als ihre Vorgänger. Um alle Pläne zu finanzieren, könnten dennoch Steuererhöhungen nötig sein.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Schon zum zweiten Mal in Folge befindet sich eine angehende Bundesregierung in der ungewöhnlichen Lage, einen großen Batzen Geld vorzufinden, den sie nach Belieben ausgeben kann. Vor vier Jahren betrug die zur freien Disposition verfügbare Summe für die bevorstehende Wahlperiode 23 Milliarden Euro, jetzt sind es sogar 30 Milliarden Euro. Doch obwohl damit in Deutschland geradezu paradiesische Zustände herrschen, scheint das Geld angesichts der großen Wahlversprechen bei Weitem nicht zu reichen.

Die Steuerschätzung ist ein guter Anlass, die Debatte über die Erfüllung der Versprechen der angehenden Jamaika-Koalitionäre vom Kopf auf die Füße zu stellen. Die Zahlen geben den Rahmen für die weiteren Sondierungen vor. Die wichtigsten Botschaften lauten: Nicht nur der Bund, auch die Länder müssen sich an sozialen und steuerlichen Wohltaten beteiligen. Zudem braucht es zusätzliche Einnahmen, um diejenigen Ausfälle auszugleichen, die die Folge von versprochenen Steuersenkungen oder der Abschaffung des Soli sind. Oder es muss gekürzt werden.

Steuern
:Altmaier sieht finanziellen Spielraum von 30 Milliarden Euro

Die amtliche Steuerschätzung sagt bis 2021 Mehreinnahmen von etwa 26 Milliarden Euro im Vergleich zu ihrer bisherigen Schätzung voraus.

Man mag es verwunderlich finden, dass trotz ausgezeichneter wirtschaftlicher Aussichten für die nächsten vier Jahre nur sieben Milliarden Euro mehr zur freien Verfügung bereitliegen sollen, als dies zu Beginn der vergangenen Periode der Fall war. Sicher ist es nicht ganz abwegig, dahinter eine erzieherische Maßnahme des Finanzministeriums zu vermuten. Die Sondierer von CDU, CSU, FDP und Grünen sollen sich halt mäßigen in ihren Wünschen.

Richtig ist aber auch, dass im Haushalt bereits viel mehr Geld für Aufgaben eingebucht ist, die inzwischen neu dazugekommen sind oder die sich abzeichnen. Dazu gehören die Bewältigung der Migration, anstehende Tariferhöhungen, zusätzliches Personal für die Bundeswehr, der Klimafonds sowie die zusätzlichen Milliarden, die der Bund wegen des neuen Finanzausgleichs von 2020 an den Ländern zahlt.

Die Voraussetzungen für eine Trendwende sind bestens

Für die Sondierer markiert die Steuerschätzung den Beginn einer schwierigen Übung. Sie müssen sich entscheiden, ob eine mögliche Jamaika-Koalition damit zufrieden wäre, das trotzdem noch frei verfügbare Geld schlicht so aufzuteilen, dass zumindest einige Wahlversprechen erfüllt werden können. Man könnte zunächst nur das Kindergeld erhöhen, ein bisschen Soli-Zuschlag abbauen und für ländliche Regionen nur marginal mehr Geld ausgeben.

Will ein schwarz-grün-gelbes Bündnis hingegen die angekündigten Trendwenden in der Steuerpolitik oder bei der Bildung durchsetzen, wird die Übung deutlich schwieriger. Denn dann braucht es zusätzliches Geld. Das kann freilich beschafft werden, etwa über den Abbau von Subventionen, über gezielte Steuererhöhungen oder den Verkauf von Staatsbetrieben. Die Dieselsteuer steht zur Disposition, das Dienstwagenprivileg, ein höherer Spitzensteuersatz oder das Veräußern der Telekom-Beteiligung. Insgesamt sind die Voraussetzungen bestens, um Trendwenden einzuleiten. Die angehenden Jamaika-Koalitionäre müssen sich nur trauen.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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