Große Koalition:Das schwere Erbe des neuen Finanzministers

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2013 verhandelten Scholz und Schäuble bereits gemeinsam um die Bedingungen einer großen Koalition (Foto: dpa)

Die SPD erbt mit dem mächtigen Posten auch das Risiko, die schwarze Null aufgeben zu müssen. Debatten über das Geld werden in der neuen Regierung jedenfalls lauter werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), ein lebenskluger Spötter aus dem Allgäu, hatte einst den guten Rat parat, ein Finanzminister dürfe nicht viel lachen; wenn er zu fröhlich sei, komme das schlecht an. "Wenn er aber nur ein grantiges Gesicht macht, sagen die Leute: Um Gottes willen, die Dinge müssen schlecht stehen."

Legte man die Waigel'sche Jobbeschreibung "nicht zu fröhlich, nicht zu grantig" den jüngsten Entwicklungen um die Besetzung des Ministeriums zugrunde, könnte man daraus ableiten, dass der geschäftsführende Minister Peter Altmaier (CDU) schlicht nicht geeignet gewesen sei, das Haus zu führen. Zu nett, zu fröhlich.

Der Finanzminister war stets der zweite Mann nach der Kanzlerin

Natürlich greift das zu kurz. Altmaier muss gehen, weil die SPD das Ressort für sich haben wollte. Für den Saarländer, der als Angela Merkels Minister fürs Komplizierte vor allem damit aufgefallen ist, offensichtliche Niederlagen als Siege darzustellen, ist die Ressortverteilung dreifach bitter. Weil er selbst damit geliebäugelt hatte, das Ministerium zu führen; weil er auch seinen anderen Wunsch, Digital-Minister zu werden, ad acta legen und sich stattdessen mit Wirtschaft und Energiewende abgeben muss. Und weil er schließlich die von seiner Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, gebilligte Ressortaufteilung öffentlich zu verteidigen hat. Entscheidend seien die vereinbarten Inhalte "und nicht die Frage, welches Ministerium von welcher Partei verwaltet wird", stellte er am Donnerstagabend klar.

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Die Realität sieht anders aus. Es mag sein, dass viele Wirtschaftsminister der Republik mit ihrem Amt nicht viel anzufangen wussten und sich als Verwalter sahen. Für das Finanzressort trifft das nicht zu. Der Finanzminister war stets der zweite Mann nach dem Kanzler oder der Kanzlerin. In den Jahren der Krise seit 2009 hat das Amt noch an Bedeutung gewonnen. Wolfgang Schäuble (CDU) hat das Ministerium in acht Jahren zu einer Art Nebenkanzleramt ausgebaut. Seine Beamten wachen über die Ausgaben der Regierung, sie teilen den Ressorts Budgets zu, sie koordinieren europaweite Abstimmungen in der Finanzpolitik und entwerfen für die Treffen der mächtigen G 20 die Leitlinien für die internationale Wirtschaftspolitik.

Schäuble hat es als Nebenkanzler zu gewisser Perfektion gebracht; Auftreten, Disziplin und Erfahrung verschafften ihm die Autorität, die ihm seiner Meinung nach zustand. Aber auch vor Schäuble standen an der Spitze des Hauses schon politische Schwergewichte wie Franz Josef Strauß, Helmut Schmidt oder Peer Steinbrück.

Niemand weiß, wie lange die schwarze Null hält

Anders als die Vorgänger hat es Schäuble freilich vermocht, ein Erbe zu hinterlassen, das beim deutschen Wähler gut ankommt und das die CDU unbedingt weiter für sich reklamieren will - die schwarze Null. Zwar war es weniger Schäubles Verdienst als Finanzminister als vielmehr das pure Glück von anhaltender Superkonjunktur mit Nullzinsen und niedrigen Rohstoffpreisen, die es ihm ermöglichten, über vier Jahre lang einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dennoch geht der CDU-Minister in die Geschichte als der Mann der schwarzen Null ein.

Die SPD übernimmt ein Erbe, das Chance und Risiko zugleich ist. Niemand weiß, wie lange die schwarze Null hält. Zwar sind die Voraussagen weiter hervorragend, zugleich zeigen wackelige Börsen, dass es nicht ewig so weitergehen kann.

Die SPD wird froh sein, das Wirtschaftsressort los zu sein, das nur Ärger einbrachte. Ob Rüstungsexporte, die Air-Berlin-Pleite, die Energiewende, umstrittene Freihandelsverträge oder der Ausverkauf deutscher Unternehmen an China - nirgendwo konnte der Minister bei Wählern punkten. Das Erbe der SPD soll nun Altmaier antreten. Viel zu gewinnen gibt es auch für ihn nicht, da Digitales beim Verkehrsministerium bleibt. Vielleicht kann er ja seine Chefin überzeugen, die Zuständigkeiten für Europa aus dem Finanz- in das Wirtschaftsressort zu übertragen. Faktisch stünde dem nichts im Weg, die als "eco-fin" bekannten Treffen der mächtigen Minister in Brüssel stehen Finanz- und Wirtschaftsressort gleichermaßen offen. Altmaier könnte als deutscher Europäer reüssieren.

Absehbar ist, dass das Regieren schwerer wird. Sind Kanzleramt und Finanzministerium in einer Hand, ist eine Koalition stabiler. Muss der Kanzler den Finanzminister entlassen, wie damals Gerhard Schröder Oskar Lafontaine, droht nicht gleich ein Bruch der Regierung. Auch Merkel konnte sich etwa bei der Entscheidung, Griechenland im Euro zu lassen, über Schäuble hinwegsetzen, der Athen rauswerfen lassen wollte. In der neuen Regierung, so sie denn zustande kommt, werden die Debatten übers Geld jedenfalls lauter werden.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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