Griechenland im Bundestag:Warum die Union Abweichler auf Kurs bringen will

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Arbeit im Hintergrund: Michael Grosse-Brömer (hinten) mit Kanzlerin Merkel, Fraktionschef Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • An diesem Freitag wird im Bundestag über das Griechenland-Rettungspaket beraten.
  • Der Großteil der Abgeordneten der Union würde wohl lieber gegen weitere Kredite für Athen stimmen. Damit das nicht passiert, wird alles getan, um die Abweichler auf Kurs zu bringen.
  • Widerstand gegen das Griechenland-Paket bedeutet: Widerstand gegen die Kanzlerin.

Von Robert Roßmann

Michael Grosse-Brömer hat einmal sehr anschaulich beschrieben, wie sein Geschäft funktioniert. Der Mann ist "Erster Parlamentarischer Geschäftsführer" der Unionsfraktion. Das ist ein ziemlich komplizierter Titel. Grosse-Brömers Kollegen in London und Washington heißen einfach "whip", also Einpeitscher. Und das trifft die Jobbeschreibung gar nicht so schlecht. Grosse-Brömer ist dafür verantwortlich, dass die Unionsfraktion geschlossen abstimmt.

An diesem Freitag kommt der Bundestag zusammen, um über das Griechenland-Paket zu beraten. Die Union stellt 310 Abgeordnete. Und der Großteil von ihnen hat eigentlich keine Lust, die Aufnahme neuer Verhandlungen mit Athen zu billigen. Schon bei der bisher letzten Griechenland-Abstimmung Ende Februar verweigerten 32 Unionsabgeordnete der Kanzlerin die Gefolgschaft. Mehr als 100 gaben persönliche Erklärungen ab, in denen sie kundtaten, dass sie nur unter politischen Bauchschmerzen mit Ja gestimmt haben. Wegen der Volten der griechischen Regierung hat sich die Stimmung in den Wahlkreisen seitdem weiter verschlechtert. Die Basis fordert von ihren Abgeordneten ein Nein.

Das sind die Momente, in denen Grosse-Brömer ins Spiel kommt. Mit Zweiflern treffe er sich in den hinteren Reihen des Bundestags oder in der Cafeteria des Parlaments, erzählte Grosse-Brömer der FAS. Zuerst höre er sich die Argumente des Kollegen an. Das sei immer "ein freundschaftliches Gespräch". Dann weise er vor allem die jüngeren darauf hin, dass sie auch nur eine persönliche Erklärung mit ihrer Kritik abgeben könnten, statt mit Nein zu stimmen. Wenn das nicht hilft, empfiehlt Grosse-Brömer möglichen Abweichlern schon mal, dass sie während der Abstimmung im Plenum ja auch einen Kaffee trinken gehen könnten. Und wenn sie partout mit Nein stimmen wollten, müssten sie sich ja nicht unbedingt in die erste Reihe setzen, wo es jeder sehe.

Damit Grosse-Brömer sein Werk verrichten kann, muss er aber wissen, wer vom Kurs abweichen will. Die Arbeitsordnung der Unionsfraktion verpflichtet deshalb alle Abgeordneten, ihm eine "abweichende Abstimmungsabsicht" bis zum Vorabend des Votums mitzuteilen. Aber genau das ist diesmal das Problem. Die Abgeordneten sind kurzfristig aus dem Sommerurlaub zur Griechenland-Sondersitzung nach Berlin gerufen worden. In so einem Fall ist die Arbeitsordnung nicht anwendbar. Die Spitze der Unionsfraktion hatte deshalb auch am Donnerstagnachmittag noch keinen genauen Überblick, wie viel Gegenwind sie im Bundestag bekommen wird.

So viel internen Widerstand hatte Merkel als Kanzlerin noch nie

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Es gab in dieser Woche CDU-Abgeordnete, die von bis zu 100 möglichen Gegenstimmen sprachen. Die meisten halten das jedoch für übertrieben. Mehr als 50 könnten es aber schon werden. So viel Widerstand in den eigenen Reihen hatte die Kanzlerin in ihrer ganzen Amtszeit noch nicht. Am Donnerstagabend kamen die Unionsabgeordneten zu einer Fraktionssitzung zusammen. Dabei bat Angela Merkel die Parlamentarier, den Verhandlungen über das neue Hilfspaket zuzustimmen. Dies bewahre Europa "vor einer Zerreißprobe", sagte die Kanzlerin. Sie verteidigte außerdem ihren Finanzminister gegen Kritik aus der SPD. Wolfgang Schäuble hatte zum Leidwesen der Sozialdemokraten auch einen zeitweisen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone vorgeschlagen. "Ich finde es ausdrücklich richtig, in einer solchen Situation jede Variante durchzudenken und zu diskutieren", sagte Merkel nach Teilnehmer-Angaben. In der Fraktionssitzung sollte es auch eine offene Abstimmung über das Griechenland-Paket geben. Grosse-Brömer weiß dann, um wenn er sich vor dem Votum im Bundestag noch kümmern muss. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand das Ergebnis aber noch nicht fest. Dass der Großteil der Unionsabgeordneten am Freitag trotz aller Bedenken Ja sagen dürfte, liegt aber nicht nur an der Fraktionsdisziplin, sondern auch an den Argumenten ihrer Führung. Die verweist ohne Unterlass auf die anderen, noch viel größeren Probleme: den Krieg in der Ukraine und das eisige Verhältnis zu Russland, die Lage im Nahen Osten und die Mörder vom IS, die gewaltigen Flüchtlingsbewegungen sowie die schwierige Lage in der Türkei. Kann man angesichts dessen ein Abdriften Griechenlands in Kauf nehmen, werden die Abgeordneten gefragt. Könne sich Europa in so einer Situation ein Auseinanderfallen erlauben? Und: Würde Griechenland die anderen Europäer nach einem Grexit nicht auch viele Milliarden Euro kosten?

Einige Abgeordnete beschäftigt aber auch ein viel profanerer Gedanke. Dass die Union bei der Bundestagswahl fast die absolute Mehrheit der Mandate geholt hat, lag vor allem an der Beliebtheit Angela Merkels. Wenn man jetzt die Kanzlerin, und damit das Fundament des eigenen Erfolges, mit zu vielen Nein-Stimmen beschädigen würde, wäre auch der Erfolg der Union bei der nächsten Wahl gefährdet - und damit vielleicht auch das eigene Bundestagsmandat.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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