Europäische Union:Wie Deutschland an Europas Krisen verdient

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Finanzminister Wolfgang Schäuble während eines Treffens mit seinen Kollegen in Brüssel: Deutschland profitiert teilweise von Athens Schuldenkrise (Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)
  • Während andere europäische Länder unter Krisen leiden, hat Deutschland Vorteile.
  • Vier Punkte, wie die Bundesrepublik profitiert: Staatsanleihen, Exporte, Kredite, Zuwanderer.

Analyse von Katharina Brunner und Jakob Schulz

Deutschland kann sich günstig Geld leihen

Als 2010 klar wurde, dass Griechenlands Haushaltsdefizit deutlich höher war als zuvor angenommen, schwand das Vertrauen der Geldgeber. Wie sollte Athen seine hohen Schulden jemals zurückzahlen? Deutlich weniger Investoren wollten Griechenlands Bonds kaufen - und wenn, dann nur zu deutlich höheren Zinsen. Aus diesem Grund sprangen die europäischen Geldgeber ein und gaben Athen Kredite zu vergleichsweise niedrigen Zinssätzen. Bis heute kann Athen an den Finanzmärkten kein Geld mehr zu vertretbaren Konditionen leihen, weil die Investoren dem Land nicht mehr vertrauen.

In Deutschland passierte das Gegenteil: Die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen sanken - und damit die Renditen für diejenigen, die Deutschland Geld leihen. Wer heute deutsche Bonds kauft, dem ist eine sichere Geldanlage wichtiger als hohe Renditen. Es kommt sogar vor, dass Anleger dafür zahlen, ihr Geld in deutsche Staatsanleihen stecken zu dürfen. Die Zinsen waren negativ (Hier zeigt die New York Times eindrücklich, wie Staatsanleihen funktionieren).

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Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe. Angesichts der Unsicherheit über das Schicksal von Staaten wie Portugal, Spanien oder Italien flüchteten viele Investoren in den vergangenen Jahren in sogenannte "sichere Häfen". Sprich, sie steckten ihr Geld in Anleihen, bei denen die Rückzahlung noch halbwegs sicher erschien - wie zum Beispiel bei deutschen Staatsanleihen. Von Bedeutung ist zudem die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie versucht seit Jahren, mit niedrigen Leitzinsen das europäische Wirtschaftswachstum zu unterstützen.

Die niedrigen Zinsen auf deutsche Anleihen sparen dem Bundeshaushalt eine Menge Geld. Bis 2030 sollen es 160 Milliarden Euro sein. Das hat das Institut für Weltwirtschaft (IfW) berechnet. Allein 2015 soll die Ersparnis durch niedrigere Zinsen für den Bundeshaushalt bei 20 Milliarden Euro liegen. Wenn der Bund alte Schulden mit neuen Schulden tilgt, muss er also weniger Zinszahlungen einkalkulieren als noch vor zehn Jahren. Um diesen Effekt möglichst lange ausnutzen zu können, steigt, so das IfW, der Anteil von Anleihen mit langen Laufzeiten. Damit kann Deutschland auch noch in 30 Jahren davon profitieren, dass 2015 die Zinsen so niedrig waren - ganz egal, wie dann die wirtschaftliche Situation aussieht.

Wem nützt das nicht?

Staatsanleihen gelten unter Anlegern als sichere Anlagen: Ihr Wert schwankt traditionell weniger, sie versprechen niedrige, dafür vergleichsweise sichere Gewinne. Sinken die Renditen, trifft das oft gewöhnliche Bürger, die ihr Erspartes in vermeintlich sicheren Staatsanleihen angelegt haben.

Formulierungen wie "Hilfspakete" suggerieren, dass die Geldgeber Griechenland Geld schenken. Das stimmt so zunächst nicht. Deutschland und die anderen Gläubiger überweisen Mittel an die griechische Regierung als Kredite - und bekommen dafür bestenfalls die zuvor vereinbarten Zinsen. Je mehr Kreditprogramme für Griechenland aufgelegt werden, je mehr Griechenland-Anleihen also etwa Deutschland hält, desto höher ist der potenzielle Zinsgewinn aus diesen Krediten.

Wirklich lukrativ ist das Geschäft für Deutschland unterm Strich aber möglicherweise nicht. Für Deutschland vergibt die Förderbank KfW die Kredite. Die KfW muss sich dieses Geld für die Kredite selbst erst beschaffen - und dafür ihrerseits Zinsen zahlen. "Das muss man gegenrechnen", sagt Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik (CEP). Nur wenn die Zinsen, die Griechenland bezahlt, höher seien als die Zinsen, die die KfW selbst zahle, rentierten sich die Kredite. "Das halte ich für unwahrscheinlich", sagt Kullas. Stattdessen ist aktuell eine Umschuldung Griechenlands im Gespräch. Eine solche Umstrukturierung senkt die Zinsen, die die griechische Regierung zahlen muss, die Rückzahlungen werden zudem in die Zukunft verschoben. "Das wird ein Minusgeschäft", sagt Kullas.

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Die deutsche Wirtschaft ist stark von Exporten abhängig. Dass die Konjunktur in Deutschland gut läuft, liegt auch daran, dass Deutschland 2014 so viele Waren ins Ausland verkauft hat wie noch nie zuvor: 1,1 Billionen Euro haben deutsche Firmen durch Verkäufe eingenommen. Etwas mehr als 35 Prozent davon gingen in Länder der Euro-Zone. Bei diesen Exporten ist der Wechselkurs egal. Beim Großteil der Exporte im vergangenen Jahr war der Wechselkurs aber von Bedeutung.

2014 verlor der Euro im Vergleich zum US-Dollar stark an Wert. Ökonomen sprechen hier davon, dass der Euro abgewertet hat. Das hilft deutschen Firmen. Denn wenn der Euro weniger wert ist, werden Produkte aus der Euro-Zone außerhalb des Währungsraums günstiger - und damit für Käufer aus dem Ausland attraktiver. Eine Firma in China würde vor diesem Hintergrund vielleicht doch lieber die Maschine eines deutschen Herstellers kaufen - statt die eines konkurrierenden Anbieters aus den USA, dessen Produkt in US-Dollar bezahlt werden müsste.

Nicht zuletzt wegen der umfangreichen Exporte und der deshalb gut laufenden Wirtschaft ist die Arbeitslosenquote in Deutschland niedrig wie lange nicht mehr.

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Wem nützt das nicht?

Doch die hohen Exporte haben nicht nur Vorteile. Die vielen Exporte machen Deutschland stark abhängig von der Weltwirtschaft. Kommt es zu einer Krise wie 2009, bei der die Wirtschaft global einbrach, wäre davon auch Deutschland stark betroffen.

EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF), sogar das Bundeswirtschaftsministerium: Sie alle weisen zudem darauf hin, dass dauerhafte, extreme Exportüberschüsse wie in Deutschland die Stabilität des Wirtschaftssystems gefährden. Das Argument: Erzielt ein Land große Exportüberschüsse, bedeutet das im Umkehrschluss Importüberschüsse bei anderen Ländern.

Ein schwacher Euro hat auch negative Folgen für Konsumenten. Kaufen sie importierte Produkte, zum Beispiel aus den USA oder China, müssen sie dafür nun mehr zahlen als noch vor ein paar Jahren.

In Deutschland gibt es derzeit viele Arbeitsplätze, das zieht Menschen an: 140 000 Personen sind allein aus Griechenland, Spanien und Italien 2013 nach Deutschland gezogen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

In den Migrationszahlen der vergangenen Jahre ist die Krise klar erkennbar. Bis 2009 wanderten mehr Deutsche nach Griechenland, Spanien und Italien aus als umgekehrt. Das ist heute anders. Immer mehr Griechen, Italiener und Spanier ziehen nach Deutschland.

Für Deutschland ist das positiv. Schließlich sind die Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik düster. Sinkt die Einwohnerzahl, droht auch ein Kollaps des Sozialsystems. Dieses basiert auf dem Prinzip, dass junge für ältere Generationen bezahlen. Aus den EU-Krisenstaaten kommen zudem häufig hochqualifizierte Arbeitskräfte, die in Deutschland den Fachkräftemangel lindern können.

Wem nützt das nicht?

Gerade die Krisenstaaten erleiden einen sogenannten "brain drain". Junge, qualifizierte Arbeitskräfte verlassen die ohnehin schwächelnden Länder auf der Suche nach einer Anstellung. Die Krisenstaaten verlieren fähige Arbeitskräfte, für deren Ausbildung die Staaten selbst gezahlt haben.

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