Fiskalpakt auf EU-Gipfel unterzeichnet:Europa diszipliniert sich selbst

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Schluss mit dem Schuldenmachen: Der Währungsunion soll nun endlich die Fiskalunion folgen. 25 EU-Staaten haben in Brüssel einen gemeinsamen Pakt für mehr Haushaltsdisziplin unterzeichnet - nur Großbritannien und Tschechien verweigern sich. Akut soll die Staatsschuldenkrise eingedämmt werden, indem der permanente Rettungsschirm ESM schneller einsatzbereit gemacht wird.

Europa fürchtet den gemeinsamen Untergang, deshalb wird jetzt gemeinsam gespart. 25 EU-Staaten haben sich vertraglich zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichtet. Die Länder beschlossen beim EU-Gipfel in Brüssel den sogenannten Fiskalpakt. Nur Großbritannien und Tschechien verweigerten ihre Unterschrift.

Der Pakt soll mehr Haushaltsdisziplin in die Währungsunion bringen, die Wirtschaftspolitik soll besser koordiniert werden. Die Staaten akzeptieren damit, dass die EU die nationalen Haushalte schärfer kontrolliert und Schuldensünder effektiver bestrafen soll. Der Europäische Gerichtshof soll die neue Schuldengrenze kontrollieren: Überschreitet ein Land bei der Neuverschuldung konjunkturbereinigt die Grenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, kann es vor dem Gericht verklagt werden. So soll verhindert werden, dass Staaten erneut gigantische Schuldenberge anhäufen können - und dann wie Griechenland bankrott gehen.

Bis der Pakt in Kraft tritt, müssen ihn zwölf Staaten noch ratifizieren. Irland hat sich entschieden, dass Volk darüber abstimmen zu lassen. Lehnt ein Land den Pakt nach der Unterzeichnung noch ab, verliert es seinen Anspruch auf Hilfen aus dem ständigen Krisenfonds ESM. Das Abkommen soll spätestens Anfang 2013 in Kraft treten.

Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich für den Fiskalpakt eingesetzt. Sie nannte den Vertrag nach der Unterzeichnung einen "Meilenstein in der Geschichte der Europäischen Union". Herman Van Rompuy, gerade als Ratspräsident im Amt bestätigt, sagte: "Der Vertrag wird den Euro in ruhige Gewässer zurückbringen."

ESM soll schneller einsatzbereit sein

Die permanenten Brandschutzmauern der Euro-Länder gegen die Schuldenkrise sollen nicht nur verstärkt, sondern auch wesentlich schneller einsatzbereit werden als bisher geplant. Merkel sagte, die Euro-Staaten hätten beschlossen, den Kapitalstock von 80 Milliarden Euro für den ab Juli geplanten dauerhaften Rettungsmechanismus schneller aufzubauen. In diesem Jahr sollten zunächst die ersten beiden der ursprünglich fünf vereinbarten Tranchen eingezahlt werden. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte einen solchen Schritt bereits am Donnerstag angekündigt. "Es könnte eine Beschleunigung mit der Einzahlung von zunächst zwei Tranchen im Jahr 2012 geben", sagte Van Rompuy.

Ursprünglich sollte die Einzahlung von insgesamt 80 Milliarden Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgen. Die erste Tranche wurde bereits um ein Jahr von Mitte 2013 auf Mitte 2012 vorgezogen. Etlichen Euro-Staaten dürfte es aber schwerfallen, ihre Beiträge in zwei statt fünf Jahren einzuzahlen. Eine endgültige Einigung wird es wahrscheinlich erst Ende März geben, wenn auch über die genaue Höhe des Rettungsschirms entschieden wird.

Der Internationale Währungsfonds (IWF), mehrere Euro-Mitglieder und auch Nicht-Euro-Länder wie die USA fordern eine Aufstockung des ESM. Zu den bisher geplanten 500 Milliarden Euro könnten dann noch einmal 250 Milliarden Euro dazukommen - unverbrauchte Mittel aus dem alten Rettungsfonds EFSF. Deutschland müsste in diesem Fall 22 Milliarden Euro zum ESM-Grundkapital beisteuern und darüber hinaus Garantien von etwa 280 Milliarden Euro übernehmen. Bislang liegt die Bürgschaftsgrenze bei 211 Milliarden Euro. Kanzlerin Angela Merkel hat ihren Widerstand gegen die Erhöhung des Darlehens bereits aufgegeben.

Um die Schuldenkrise in Griechenland soll es auf dem EU-Gipfel in Brüssel nur am Rande gehen. Die Teilnehmer äußerten sich aber sehr positiv zu den Entwicklungen in Athen: Regierung und Parlament in Griechenland hätten alle erbetenen Maßnahmen ergriffen, erklärte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. "Die Sache läuft." Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lobte die Fortschritte der Griechen. Sein griechischer Amtskollege Evangelos Venizelos zeigte sich daher zufrieden: "Griechenland hat lange keine freundlichen Worte gehört, aber heute haben wir sie gehört."

Die Eurogruppe sicherte Griechenland die Bereitstellung der Mittel zu, die Athen für den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern benötigt. Durch ihren Verzicht sollen die Schuldner dem Land 107 Milliarden Euro Schulden erlassen. Die Euro-Staaten hatten in der vergangenen Woche ein zweites Rettungspaket für Griechenland in Höhe von 130 Milliarden Euro beschlossen. Davon müssen 30 Milliarden Euro an griechische Banken überwiesen werden, damit die den Schuldenerlass überstehen, ohne selbst pleitezugehen. Weitere 30 Milliarden Euro bekommen die Gläubiger, um ihnen den Schuldenerlass zu versüßen.

Endgültig freigegeben wird das Geld aber erst, wenn eine ausreichend hohe Beteiligung der Gläubiger am Schuldenschnitt sichergestellt ist - es ist die Rede von mindestens 75 Prozent. "Die Gläubiger wissen, die Euro-Zone hat alle Entscheidungen getroffen - es liegt jetzt nur noch an den Gläubigern, dieses Angebot anzunehmen", sagte Schäuble. Außerdem behalten sich die Euro-Länder vor, die jüngsten Reformbeschlüsse des griechischen Parlaments genau zu prüfen. Eine endgültige Entscheidung könne dann vorraussichtlich am 9. März bei einer Telefonkonferenz fallen, sagte Schäuble.

Cameron verärgert wegen Abschlusserklärung

Ein rundum harmonischer Gipfel also? Nicht ganz: Für Unruhe sorgte zwischenzeitlich erneut der britische Premierminister David Cameron. Er war verärgert, weil eine von Großbritannien gestützte Initiative für mehr Wachstum und Beschäftigung ignoriert worden sei. In einem ersten Entwurf der Abschlusserklärung zum Gipfel in Brüssel war diese nicht erwähnt worden. In der Nacht zum Freitag wurde die Erklärung noch einmal überarbeitet - nun auch zur Zufriedenheit des britischen Premiers. "Wir sehen tatsächlich einige sehr starke Aussagen und sehr nachdrückliches Handeln zum Wachstum." Das seien sehr gute Neuigkeiten, freute sich Cameron.

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