Panama Papers:Ex-Siemens-Manager soll sich aus schwarzen Kassen bedient haben

Panama Papers: Der Ex-Siemens-Manager Hans-Joachim Kohlsdorf verschob offenbar Konzern-Schwarzgeld auf sein Konto.

Der Ex-Siemens-Manager Hans-Joachim Kohlsdorf verschob offenbar Konzern-Schwarzgeld auf sein Konto.

(Foto: Illustration Peter M. Hoffmann)
  • Das Bundeskriminalamt (BKA) hat dank Informationen aus den Panama Papers erste Erfolge bei Ermittlungen erzielt.
  • Unter anderem ist es gelungen, zwei Millionen Euro sicherzustellen, die aus einstigen schwarzen Kassen von Siemens stammen und offenbar von einem früheren Manager des Unternehmens veruntreut worden sind.
  • In weiteren nun eröffneten Verfahren geht es um Betrug, Steuerdelikte oder Geldwäsche.

Von Georg Mascolo, Bastian Obermayer und Klaus Ott

Die Ermittler beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden sind etwas anderer Ansicht als der römische Kaiser Vespasian, der von 69 bis 79 nach Christus regiert hatte. Um die Staatskasse zu füllen, hatte Vespasian eine Abgabe auf die öffentlichen Toiletten eingeführt. Eine Latrinensteuer eben. Nach dem Motto, Geld stinke nicht. Daraus entstand der berühmte lateinische Spruch "pecunia non olet". Das BKA hingegen hat sich, als vor einigen Monaten eine Sonderkommission zur Aufklärung zahlreicher Wirtschaftsverbrechen eingesetzt wurde, mit dem Titel "Olet" begnügt. Geld stinkt halt manchmal doch.

Die neue Arbeitsgruppe mit der etwas sperrigen Fachbezeichnung "Besondere Aufbaukommission" und dem Namen Olet besteht aus 25 BKA-Beamten und sieben Steuerfahndern. Die 32 Ermittler haben die Aufgabe, die vom Bundeskriminalamt Mitte des Jahres von einem geheimen Informanten gekauften Panama Papers auszuwerten; und sie haben nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR bereits erste Erfolge erzielt.

Ein Siemens-Manager soll sich selbst bedient haben, aus schwarzen Kassen

Der Münchner Staatsanwaltschaft ist es mit Material aus Wiesbaden gelungen, zwei Millionen Euro sicherzustellen, die den Panama Papers zufolge aus einstigen schwarzen Kassen von Siemens in Südamerika stammen. Das Geld ist offenbar von einem früheren Manager veruntreut worden und gehört wohl dem Industriekonzern.

Drei Verfahren sind inzwischen beim BKA anhängig. In sieben weiteren Fällen hat die Wiesbadener Behörde Staatsanwaltschaften quer durch Deutschland Unterlagen aus den Panama Papers überlassen. Es geht um Betrug, Steuerdelikte oder Geldwäsche. Darunter ist auch eine alte Affäre bei der Deutschen Bank, zu der es jetzt ebenso wie beim Schmiergeldskandal bei Siemens neue Erkenntnisse gibt.

Hinzu kommt eine umfangreiche Zusammenarbeit mit Ermittlern aus anderen Staaten wie den USA, Großbritannien und Frankreich. Island zum Beispiel hat aus Wiesbaden Unterlagen über den ehemaligen Regierungschef Sigmundur Davíð Gunnlaugsson erhalten. Er war in den im April 2016 von einem internationalen Journalistenkonsortium veröffentlichten Panama Papers aufgetaucht; als Miteigentümer einer Briefkastenfirma. Vor dem Parlament in der Hauptstadt Reykjavík hatten daraufhin Zehntausende gegen den damaligen Premierminister demonstriert und erfolgreich seinen Rücktritt gefordert.

Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, das ist nur einer von vielen, vielen Namen in den Panama Papers, die Aufschluss geben über dubiose, wenn nicht gar kriminelle Geschäfte mit Briefkastenfirmen rund um den Globus. Die Unterlagen stammten aus der in Panama ansässigen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca; einem Spezialisten für Offshore-Gesellschaften. Nach der SZ und dem Journalistenkonsortium, die für das Material nichts bezahlt hatten, war auch das BKA in den Besitz der riesigen Datenmenge gelangt. 2,8 Terabyte, mehr als elf Millionen Dokumente. Deutschlands größte Polizeibehörde verfügt nun über 42 Millionen Dateien mit geschätzt 290 000 Briefkastenfirmen aus 21 Ländern. 40 Millionen Dateien wurden bereits lesbar gemacht, binnen weniger Monate. Eine Menge Arbeit, die sich nun auszahlt, auch im Fall Siemens.

Nun konnten die Fahner im Fall Siemens endlich zuschlagen

Der in München ansässige Industriekonzern hatte jahrzehntelang weltweit schwarze Kassen geführt und Beamte wie Regierungen bestochen, um lukrative Aufträge für den Bau von Kraftwerken und andere Projekte zu ergattern. Als die Staatsanwaltschaft München I vor einem Jahrzehnt dieses Schmiergeldsystem enthüllte, geriet auch ein gewisser Hans-Joachim Kohlsdorf ins Visier der Ermittler. Er war für Siemens mehrere Jahrzehnte lang in wichtigen Funktionen vor allem in Lateinamerika tätig gewesen und hatte geholfen, schwarze Kassen zu führen. Weil man ihm nicht nachweisen konnte, dass er selber Personen bestochen hatte, und er zudem bei der Aufklärung half, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn wegen Geringfügigkeit ein. Kohlsdorf musste lediglich eine Geldauflage von 40 000 Euro zahlen. Die Ermittler notierten, der langjährige Siemens-Manager habe die "vollständige Rückführung" der noch vorhandenen Schwarzgeld-Millionen ermöglicht.

Die Panama Papers legten dann den Verdacht nahe, Kohlsdorf könne sich an den Schwarzgeldkonten bereichert haben, zu Lasten von Siemens. Das Unternehmen erstattete Strafanzeige, die Münchner Staatsanwaltschaft leitete ein neues Verfahren gegen Kohlsdorf ein; wegen Veruntreuung von Firmenvermögen. Die Münchner Ermittler hatten allerdings noch keinen Zugriff auf die Panama Papers.

Die SZ und das International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) gaben, um ihre Quelle zu schützen, das Material nicht an die Behörden weiter. Schließlich besorgte sich das BKA die Panama Papers selbst, von wem und wie auch immer. Binnen weniger Wochen stellten die Fahnder ein Kohlsdorf-Dossier zusammen und schickten es an die Kollegen in München. Die konnten endlich zuschlagen.

Bei Razzien in Frankfurt und Hamburg bei der Commerzbank und Filialen von ihr gelang es der Staatsanwaltschaft, auf diversen Konten zwei Millionen Euro sicherzustellen. Das Geld stammt offenbar aus den einstigen schwarzen Kassen von Siemens in Lateinamerika. Kohlsdorf soll die zwei Millionen Euro etwa über ein Konto bei der Société Générale und ein UBS-Konto nach Deutschland transferiert haben, offenbar in dem Glauben, ihm könne nach der Einstellung des Verfahrens gegen ihn nichts mehr passieren. Niemand konnte ja ahnen, dass die von Mossack Fonseca betreuten, geheimen Offshore-Gesellschaften eines Tages auffliegen würden. Gegen die Commerzbank gibt es in diesem Zusammenhang keine Vorwürfe. Das Geldinstitut soll vielmehr bei der Aufklärung kräftig geholfen haben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft könnte im Fall Kohlsdorf auch das Rätsel um eine ominöse Überweisung im Wert von angeblich 375 077,83 Feinunzen Gold gelöst haben. Das wären rund 480 Millionen US-Dollar gewesen. Es waren aber offenbar keine Feinunzen Gold, sondern nur Norwegische Kronen, umgerechnet 40 000 Euro.

Es gibt noch eine Menge Material über stinkende Firmen

Der ehemalige Siemens-Manager wohnt seit Längerem in Mexiko, wo die SZ ihn am Dienstag am Telefon erreichte. Allerdings wollte er keine Fragen beantworten. Sein Wohnort mag weit weg sein von Deutschland, schützt ihn aber nur bedingt. Diese Erfahrung machten bereits kriminelle Geschäftsleute aus Asien, die mithilfe der Deutschen Bank den deutschen Fiskus beim Handel mit Verschmutzungsrechten (CO₂-Zertifikaten) um viele Hundert Millionen Euro betrogen hatten. Das meiste Geld hat sich der Staat bereits zurückgeholt. Aber auch hier enthalten die Panama Papers Hinweise auf noch mehr verschwundene Millionen, die nun ebenfalls sichergestellt werden könnten.

Die Münchner Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl ist voll des Lobes über das BKA. "Wir sind sehr angetan von der Zusammenarbeit." Auch viele andere Behörden aus dem In- und Ausland dürften noch viel Material von Olet bekommen. Über stinkende Firmen.

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