Diesmal scheint es endgültig zu sein: Der isländische Premierminister Sigmundur Davíð Gunnlaugsson ist zurückgetreten.
Nun, eigentlich ist er nur die Treppe im Parlament - dem Althing - heruntergelaufen, vorbei an der internationalen Presse, raus aus einem Treffen der beiden Regierungsparteien. Und sagte dann auf Nachfrage, quasi im Vorbeigehen, der nächste Premierminister werde ein guter, vertrauenswürdiger Mann. Doch sich vor eine Kamera gestellt und seinen Rücktriff offiziell verkündet, das hat Sigmundur Davíð Gunnlaugsson am Mittwochabend nicht.
Später kam dann auch der neue Regierungschef vorbei - ein altbekanntes Gesicht und jener Mann, den Gunnlaugsson schon am Vortag für diese Rolle vorgeschlagen hatte: Der bisherige Fischereiminister Sigurður Ingi Jóhannsson ist einer seiner Gefolgsleute und hatte die Offshore-Geschäfte zuvor verteidigt. Er wird wohl nicht lange Premier bleiben, denn im Herbst soll es Neuwahlen geben. Vielen Isländern kann das gar nicht schnell genug gehen.
Größtmögliche Verwirrung, kleinstmögliche Lösung
Gunnlaugsson hatte nicht nur durch die enttarnten Offshore-Aktivitäten die Wut der Bevölkerung geschürt, sondern auch nach der Veröffentlichung der Panama-Papiere wenig zur Klärung der Sache beigetragen. Seit Sonntag standen in Reykjavík jeden Abend Hunderte Menschen vor dem Parlament, am Montag waren es sogar mehrere Tausend, der größte Protest in der Geschichte Islands, heißt es. Und auch während die Parteien am Mittwochabend im Parlament berieten, trommelten und protestierten sie draußen vor der Tür unermüdlich. Wenn es nach den Demonstranten geht, soll nicht nur Gunnlaugsson gehen, sondern gleich die ganze Regierung.
SZ Jetzt Island:Junger Protest
Bei den Protesten gegen Islands Premier Gunnlaugsson gingen vor allem sehr junge Menschen auf die Straße, bewaffnet mit Bananen. Der Fotograf Sebastian Ziegler hat sie begleitet.
Die Koalition aus Gunnlaugssons bäuerlich-liberaler Fortschrittspartei und der liberal-konservativen Unabhängigkeitspartei hatte vor dem Verkünden der kleinstmöglichen Lösung zunächst für größtmögliche Verwirrung gesorgt. Am Dienstag war vom Rücktritt des Premiers die Rede, der seinerseits dann wieder vom Rücktritt zurücktratt, sodass zwischendurch niemand wusste, wer denn jetzt eigentlich gerade Regierungschef ist.
Am Mittwoch dann hetzten die Vertreter der beiden Regierungsparteien den ganzen Tag von Treffen zu Treffen. Finanzminister Bjarni Benediktsson, Chef der Unabhängigkeitspartei, ist selbst belastet durch die Panama-Papiere. Und bei Fischereiminister Sigurður Ingi Jóhannsson aus Gunlaugssons Fortschrittspartei war unklar, ob der Premier ihm die Geschäfte nun schon übergeben hatte oder nicht. Und wenn ja, ob das gemäß Protokoll überhaupt erlaubt war.
Am Abend dann versammelte sich die gesamte Presse im kleinen Parlamentsgebäude in Reykjavík und versuchte zu verstehen, was das vor sich ging. Die Regierungsparteien tagten, ein Stapel Pizza für die Politiker traf ein, während sich alle auf ein langes Warten einstellten. Die Opposition erklärte schon einmal vorsorglich, Neuwahlen im Herbst seien ihr nicht früh genug. Wenn die Regierung nichts Besseres anzubieten habe, würde sie an ihrem Misstrauensvotum festhalten - egal wie das neue Kabinett aussehe.
Panama Papers:Anhaltende Nachbeben
Manche Fragen kann in Reykjavík derzeit keiner beantworten: Wer ist eigentlich der Regierungschef? Tritt heute noch das Parlament zusammen? Über ein Land in Aufruhr.
Dann kam zunächst Gunnlaugsson die Parlamentstreppe herunter und verließ das Alþingishúsið ohne deutliche Erklärung. Wieder warten. Dann kam ein Abgeordneter der Fortschrittspartei, verplapperte sich - aus Versehen oder mit Absicht. Premier werde der Fischereiminister und eine Beraterin des alten Premiers solle wohl ins Kabinett aufrücken, erzählte er. Und war dann ganz erstaunt, dass die Presse davon noch nicht wusste. Eine offizielle Bestätigung war das allerdings immer noch nicht.
Kein Interesse an baldigen Neuwahlen
Eine ganze Weile später kamen dann Finanzminister Bjarni Benediktsson und Fischereiminister Sigurður Ingi Jóhannsson und gaben ihre Erklärung ab. Vor Herbst könne es keine Wahlen geben, betonten sie, die Regierung habe vorher noch einiges zu erledigen. Zum Beispiel die Abschaffung der unbeliebten Kapitalverkehrskontrollen für Island - ein Prozess, der bereits Monate andauert.
Das Misstrauensvotum mache ihnen keine Sorgen, schließlich habe die Regierung eine stabile Mehrheit im Parlament. Auch von den lautstarken Protesten der vergangenen Tage zeigten sie sich unbeeindruckt, obwohl der Rückhalt für die Regierung sich auch in Umfragen einem Rekordtief nähert.
Wenig soll sich ändern
Sigurður Ingi Jóhannsson, der Interimspremier, erklärte dann noch auf Nachfrage, die neue Regierung werde wenig an der bisherigen Politik ändern. Er dürfte recht behalten: Gunnlaugsson mag zwar kein Regierungschef mehr sein, hat aber seine Vertrauten im Kabinett platziert und wird außerdem Vorsitzender der Fortschrittspartei bleiben.
Am Donnerstag muss der isländische Präsident noch offiziell zustimmen, danach wird Gunnlaugsson formell zurücktreten. Und dann trifft sich auch noch das Parlament, nur ist noch nicht ganz klar, was genau auf dem Plan steht: Eine Fragerunde? Mit dem alten Premier oder schon mit dem Nachfolger? Oder wird es bereits um das Misstrauensvotum gehen? Bis die neue Regierung offiziell im Amt ist, kann noch einiges passieren.