Markus Babbel als Hertha-Trainer:Mit Tattoo und Berliner Schnauze

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Ein Münchner in der Hauptstadt: Der frühere "Spielerversteher" und Bayern-Profi Markus Babbel setzt als Hertha-Coach auf klare Ziele und markige Sprüche. Der direkte Wiederaufstieg soll her. Zur Vorbereitung schickt er seine Profis in die Provinz.

Michael König, Berlin

In seiner knapp einmonatigen Amtszeit als Trainer von Hertha BSC hat Markus Babbel bereits tiefgreifende Erfahrungen mit der Berliner Mentalität gemacht. Sie gingen gewissermaßen unter die Haut.

Ein Bayer in Berlin: Markus Babbel versucht die strauchelnde Hertha wieder auf Kurs zu bringen. (Foto: dpa)

Wie das Boulevardblatt B.Z. in der Hauptstadt exklusiv meldete, plane der neue Übungsleiter, sich bei Erreichen des Saisonziels selbst zu belohnen: mit einer Tätowierung in Form der Hertha-Flagge auf dem Körper. Sogar der Ort des Tattoos war bekannt: Auf der linken Brust solle das Vereinswappen gestochen werden. Dort, wo das Herz schlägt.

Bei den Hertha-Fans kam die Nachricht erwartungsgemäß gut an. Endlich identifiziere sich mal ein Trainer mit dem Verein, hieß es. Von dem Schweizer Lucien Favre, der den Traditionsklub von 2007 bis 2009 modernisiert hatte, in der dritten Saison seiner Amtszeit aber in die Krise führte, konnte das leidlich behauptet werden. Sein Nachfolger Friedhelm Funkel, im Oktober 2009 in größter Not von Manager Michael Preetz verpflichtet, wurde mit der zum Teil auch sehr kreativ tätowierten Anhängerschar ebenfalls nicht warm - zumal die Hertha unter Funkel den Abstieg in die zweite Liga besiegelte.

Doch kein Hertha-Tattoo

Tatsächlich fühlt sich der gebürtige Münchner Babbel, der als Spieler 182 Mal für den FC Bayern auflief und 2008 sein Trainerdebüt beim VfB Stuttgart gab, seinem neuen Arbeitgeber äußerst verbunden: "Der Klub ist top geführt, die Bedingungen sind sensationell", schwärmt er. Die Meldung von den Tattoo-Plänen war allerdings so exklusiv, dass sie auch Babbel überraschte: "Ich habe in dem Interview nur gesagt, dass ich Tätowierungen mag, schon mehrere habe und mir vorstellen könnte, mir zum Aufstieg ein weiteres machen zu lassen. Von der Hertha-Flagge war nie die Rede. Aber das ist eben Berlin."

Die Medien in der Hauptstadt seien "ungeheuer extrem", sagt Babbel im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Hier gibt es nur schwarz und weiß, eine Grauzone kennen die nicht. Sie sind entweder himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt".

Als Spieler - außer dem FC Bayern war er auch für den Hamburger SV und den VfB Stuttgart sowie für die englischen Klubs FC Liverpool und Blackburn Rovers aktiv - war Babbel keiner, der die Medien als Lautsprecher nutzte. Auch bei seinem Trainerdebüt in Stuttgart, wo er Ende 2008 Armin Veh ablöste und ein Jahr später wegen Erfolglosigkeit durch Christian Gross ersetzt wurde, galt Babbel eher als leiser Vertreter seiner Zunft, der vom Boulevard prompt als "Spielerversteher" belächelt wurde. Er hat offenbar daraus gelernt.

Bereits kurz nach seinem Dienstantritt bei Hertha BSC am 1. Juli verblüffte Babbel mit "Berliner Schnauze", die dem Münchner wohl die wenigsten zugetraut hatten: "Die Spieler waren im Urlaub schlampig und faul", polterte der Trainer. Die Fitnesswerte seiner Schützlinge seien die schlechtesten, die er in 19 Profijahren gesehen habe - deshalb werde ab jetzt dreimal täglich hart trainiert. Bild jubelte daraufhin: "Babbel scheucht Herthas Fitness-Schlampen". Die seriöse Financial Times Deutschland fragte: "Herr Babbel, sind Sie plötzlich zu einem Schleifer geworden?"

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Raul wechselt - das klingt wie ein Widerspruch in sich selbst. Die Zahl der vereinstreuen Spieler wird geringer und gernger, sueddeutsche.de hat aber noch genügend für eine hochkarätige Elf gefunden.

Der Trainer verneint diese Frage und verweist auf seinen Arbeitsauftrag: Hertha BSC hatte sich bereits kurz nach dem Abstieg die direkte Rückkehr in die erste Liga zum Ziel gesetzt. Der beim FC Bayern sozialisierte Babbel fand daran Gefallen: "Diese klare Ansage hat mir imponiert. Ich mag kein Rumgeeiere. Deshalb habe ich nicht lange überlegen müssen, als mich die Verantwortlichen fragten, ob ich Trainer werden will."

Daniel Beichler (re.) ist einer der Neuen in Babbels Kader. Der Österreicher kam von Sturm Graz. Name seiner Großmutter? Hertha (sic!). (Foto: dpa)

Zwar sieht Babbel die Gefahr, "dass wir die Parole bei jedem Anflug von Misserfolg um die Ohren gehauen bekommen". Er hält die Mannschaft jedoch für stark genug, dem Anspruch standzuhalten. Auch wenn der Kader im Vergleich zur Vorsaison umgestaltet worden ist - zum Teil aus finanziellen Gründen, wie beim jüngsten Transfer von Gojko Kacar zum Hamburger SV, der Berlin 5,5 Millionen Euro in die Vereinskasse spülte. Auch Torhüter Jaroslav Drobny (ebenfalls HSV) und der Nationalverteidiger Arne Friedrich (VfL Wolfsburg) verließen die Hauptstadt.

Nicht geplant war hingegen der halbjährige Ausfall des Hertha-Eigengewächses Patrick Ebert, der in der Vorbereitung auf dem besten Wege war, sich auf der rechten Außenbahn zu einem Arjen Robben der zweiten Liga zu entwickeln - so verkauften es zumindest die Berliner Medien. Im Testspiel gegen den SSV Ulm ging Ebert übermotiviert in einen Zweikampf und verletzte sich am Knie. Seine Position soll der 21-jährige Österreicher Daniel Beichler, der von Sturm Graz kommt, übernehmen.

Im Sturm ruhen die Hoffnungen auf Rob Friend, mit 1,8 Millionen Euro Ablöse der Königstransfer der Berliner. Bei Borussia Mönchengladbach war der Kanadier nach einer Verletzung nicht mehr zum Zuge gekommen.

Eberts Ausfall schmerzt

Babbel setzt ihn als Speerspitze eines 4-2-3-1-Systems ein. Im Training hinterlässt Friend einen treffsicheren Eindruck, in den Testspielen aber ist der Angreifer noch torlos - im Gegensatz zu seinem erst 18 Jahre alten Konkurrenten Pierre-Michel Lasogga. Der Nachwuchsstürmer aus der Jugend von Bayer Leverkusen traf in vier Testspielen sechs Mal, woraufhin der Boulevard ihn kurzerhand zum "Hertha-Müllerchen" erklärte.

Als Vorbereitungsgegner hat Hertha BSC auffällig viele niederklassige Klubs im Programm: Der Bezirksligist FC Isny wurde mit 8:0 geschlagen, der Landesligist TSV Kottern mit 2:0. Eindeutige Siege sprangen auch bei den Regionalligisten SSV Ulm (4:0) und VfB Lübeck (3:1) sowie dem Oberligisten BFC Dynamo (4:0) heraus. Gegen den Drittligisten Rot-Weiß Erfurt verlor die Hertha zuletzt mit 1:2 - es war die erste Niederlage unter Markus Babbel.

Alle Spiele wurden auswärts ausgetragen, was eine nette Geste des Zweitligisten an die unterklassigen Klubs ist. Aber laut Babbel auch eine Erziehungsmaßnahme für seine Spieler: "Dreieinhalb Stunden in Bus und Bahn zu sitzen und aufs Land zu dackeln, das ist doch eine tolle Übung. Wir sind kein Bundesligist mehr, das muss rein in die Köpfe. Die zweite Liga wird kein Zuckerschlecken."

Die Berliner Boulevard-Reporter, die Babbel nach dem Training mit diesem Zitat beglückte, schrieben mit leuchtenden Augen mit.

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