FC Bayern:Ruhige Weihnachten, störende Weihnachten

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Und alle Turbulenzen sind vergessen: Beim 5:2 gegen Berlin findet der FC Bayern ein versöhnliches Ende für eine verwirrende Hinrunde.

J. Aumüller, Fröttmaning

Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Geschenke und der guten Taten, auch beim FC Bayern.

Selbst das Schneetreiben konnte die Bayern bei ihrem 5:2 Sieg gegen die Hertha nicht stoppen: Arjen Robben (links), Mario Gomez (Mitte) und Ivica Olic beim Abklatschen. (Foto: Foto: AP)

Also gründeten die Verantwortlichen des Klubs vor dem letzten Hinrundenspiel gegen Hertha BSC Berlin eine neue Fan-Initiative, mit der den gegnerischen Mannschaften im Stadion mehr Respekt entgegengebracht werden soll. Uli Hoeneß spendierte allen bei minus acht Grad im Stadion frierenden Fans Grillwürstchen und Glühwein, weil er eine Wette verloren hatte. Und die Südkurve stimmte ob des 100-jährigen Vereinsjubiläums von Borussia Dortmund dessen Vereinslied "Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia" an. Weihnachtszeit, Gabenzeit, Friedenszeit.

Ein versöhnliches Ende

Zu dieser gemütlichen Stimmung passten auch das Spiel und das Ergebnis gegen die Hertha. Nach dem 4:1 gegen Juventus Turin und dem 5:1 gegen den VfL Bochum zerlegte die Mannschaft von Louis van Gaal nun die weihnachtlich-demütig antretenden Berliner mit 5:2 (Tore: van Buyten, Gomez, Robben, Müller, Olic), und wenn die Bayern-Offensivspieler nicht so großzügig mit ihren Chancen umgegangen wären, hätte sich auch niemand über ein 6:2, 8:2 oder gar 10:2 beschweren dürfen.

Aber dennoch reichte das zum einen, um das Torverhältnis erneut kräftig zu verbessern, und zum anderen, um den Platz in der Tabelle zu festigen. Nur zwei Punkte trennen den FC Bayern von Herbstmeister Bayer Leverkusen, nach dem Weiterkommen und dem Glückslos in der Champions League hat auch die Bundesliga-Hinrunde für den Rekordmeister ein versöhnliches Ende gefunden.

"Wir können ruhige Weihnachten feiern", befand Trainer Louis van Gaal. Wer hätte das nach all den Turbulenzen im Spätsommer und im Herbst, nach den schwachen Spielen gegen Mainz, Schalke oder Bordeaux noch erwartet?

Wahrheit muss nicht einfach sein

Van Gaal, der seinen Sport stets als hochkomplexe und hochdiffizile Angelegenheit begreift, hat für die breite Öffentlichkeit auch schon mal banale Ansätze parat: "Ich denke, dass der Unterschied zum Saisonbeginn jetzt die Tore sind, die wir geschossen haben", sagte er nach dem Spiel gegen die Hertha. Wahrscheinlich wusste er bei diesen Worten selbst, dass die Wahrheit im Fußball manchmal zwar einfach sein kann, im Falle des FC Bayern München 2009/2010 aber gewiss nicht einfach ist.

Merkwürdige Monate liegen hinter diesem Klub, und es reicht allein ein Vergleich zwischen dem ersten und dem letzten Spiel dieser Halbserie, um zu begreifen, wie viele und wie tiefgreifende Veränderungs- und Entwicklungsprozesse die Mannschaft binnen weniger Monate durchlaufen hat.

Damals, am 8. August in Hoffenheim, hieß der Manager der Bayern Uli Hoeneß; stand Michael Rensing im Tor; spielte Bastian Schweinsteiger auf der linken Seite; agierte Alexander Baumjohann als Zehner; saß Thomas Müller nur auf der Bank, weil er laut van Gaal weniger kreativ als Baumjohann ist; und hatte der niederländische Trainer die Losung ausgerufen, stets im 4-4-2-System mit Raute und echtem Spielmacher und niemals im 4-4-2-Modell mit zwei Sechsern und zwei offensiven Außen anzutreten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche tiefgreifenden Veränderungen zwischen dem 8. August und dem 19. Dezember liegen.

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Nun, am 19. Dezember gegen Berlin, firmiert Hoeneß nicht mehr als Manager, sondern als Präsident; ist Michael Rensing nur noch ein Tribünenhocker und als Zugang beim VfB Stuttgart im Gespräch, weil sich im Tor längst Jörg Butt als Stammkraft etabliert hat; spielt Schweinsteiger einen selbstbewussten Sechser; steht Baumjohann auf der Verkaufs- und Verleihliste ganz oben; gilt Müller neben Holger Badstuber als Gewinner der Vorrunde; und ist die 4-4-2-Anordnung mir Raute und echtem Spielmacher längst passé, weil sich van Gaal für das einst verpönte 4-4-2-Modell mit zwei Sechsern und zwei offensiven Außen entschieden hat.

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Ein anständiges Resultat zur Halbzeit

Und zwischen Hoffenheim und Berlin lagen, unter anderem, noch: ein verkorkster Saisonstart, die Demontage und die Rückkehr von Mario Gomez, die ständigen verletzungsbedingten Ausfälle von Franck Ribéry und Arjen Robben, die Rückkehr und die Demontage von Miroslav Klose, ein kritisches Grundsatzinterview von Philipp Lahm mit mächtigen Folgen, die Rückkehr und die Demontage von Luca Toni und ein zum Abschuss quasi schon freigegebener Trainer, der selbst mit der Trennung kokettierte.

Wahrscheinlich ist es nur dem FC Bayern und der individuellen fußballerischen Klasse seiner Profis möglich, so eine verwirrende, unkonstante und ereignisreiche Halbserie noch mit einem so anständigen Resultat zu beenden - manch anderer Verein wäre wohl daran zerbrochen.

Es waren anstrengende Lehr- und Anpassungswochen, die der FCB (vom Trainer über den Vorstand bis zu den Spielern) hinter sich gebracht hat. Nun scheint es, als sei diese Phase vorbei. "Es dauerte ein bisschen, bis wir die Philosophie des Trainers begriffen haben", sagte zum Beispiel Bastian Schweinsteiger. "Jetzt haben wir es geschafft."

Nach drei so torreichen und so überzeugenden Siegen in Serie klingt das logisch. Aber: Ist dem wirklich so? Waren der Letzte der Bundesliga (Berlin), der bis zu diesem Spieltag Drittletzte der Liga (Bochum) und eine erschreckend schwache Turiner Mannschaft wirklich schon der Maßstab? Und wie ordnet van Gaal die wieder in die Mannschaft zurückkehrenden Ribéry und Robben in sein zuletzt so erfolgreiches Gefüge ein?

Ärger über Weihnachten

Dass der Niederländer stets für Überraschungen gut ist, zeigte er bei der Aufstellung fürs Hertha-Spiel. Weil der Kapitän und Sechser Mark van Bommel nach seiner fünften gelben Karte gesperrt fehlte, erwarteten alle den Ukrainer Anatolij Timoschtschuk oder den in der Mannschaft hochrespektierten Andreas Ottl als Ersatz.

Doch es spielte weder Timoschtschuk noch Ottl, stattdessen rückte Schweinsteiger ein wenig nach rechts auf die Van-Bommel-Position und übernahm Danijel Pranjic die Rolle von Schweinsteiger. Für den 25-jährigen Nationalspieler bedeutete das eine erneute Aufwertung, für den elf Millionen teuren Sommerzugang Timoschtschuk eine erneute Brüskierung.

Mit solchen Fragen aber beschäftigen sich die Bayern derzeit nicht. "Mich ärgert, dass jetzt Weihnachten kommt", sagte Mario Gomez, der sowohl die Erfolgsserie der Mannschaft als auch die persönliche Erfolgsserie (sechs Treffer in den vergangenen sieben Begegnungen) gerne ohne Spielpause fortgeführt hätte.

Doch auch mit dieser Kalendergestaltung gehen er und die Bayern voller Selbstbewusstsein in die Rückrunde. "Wenn wir so weiterspielen, sind wir bald spitze", sagte Gomez.

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