FC Bayern gegen Juventus:Vidal tritt zu, Ribéry tritt zurück

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Raufbolde unter sich: Juves Arturo Vidal grätscht gegen Franck Ribéry.  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Arturo Vidal, der einst in München im letzten Moment absagte und nach Turin wechselte, ist der Buhmann des Abends. Der Chilene von Juventus wehrt sich nach Kräften gegen die bayerische Übermacht und steigt einige Male rüde ein. Am Ende rächt sich Franck Ribéry mit einem üblen Tritt und hat dabei Glück, nicht vom Platz zu fliegen.

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Arturo Vidal verließ die Münchner Arena mit einer Umarmung. Nachdem er durch die Glastüre entwichen war, kam plötzlich Bayerns Ko-Trainer Peter Hermann um die Ecke. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Jahren bei Bayer Leverkusen, sie begrüßten sich fast freudestrahlend.

Zwar konnten sie sich nicht unterhalten, weil der Chilene Vidal offenbar all sein Deutsch vergessen hat, doch das Treffen zwischen den Mannschaftsbussen endete mit einer herzlichen Geste. Vidal legte dabei seinen Kopf an Hermanns Schulter, fast als brauchte er einigen Trost.

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Eine Wackelphase ist halb so schlimm, wenn es schon 1:0 steht. Und eine Verletzung ist zu verschmerzen, wenn der Ersatzmann richtig Schwung bringt. Die Bayern haben beim 2:0 gegen Juve nur ein richtiges Problem. Sein Name ist Clattenburg.

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Trost tat Not, denn der 25-jährige Mittelfeldspieler von Juventus Turin hatte einen schlimmen Abend hinter sich. Nicht nur, dass sein Klub nach dem 0:2 fast schon ausgeschieden ist. Vidal stand zudem im Zentrum von bissigen Zuschauer-Attacken. Er lenkte den Schuss von David Alaba nach wenigen Sekunden ins eigene Tor und ist nach einer gelben Karte außerdem für das Rückspiel gesperrt.

Dabei wollte er doch Rache nehmen an den Bayern, die ihn nach seinem Wechsel von Leverkusen nach Turin 2011 als charakterlosen Gesellen gebrandmarkt hatten, weil Vidal wohl auch in München zugesagt hatte. "Ich darf nicht zu motiviert sein, sonst überdrehe ich und schade der Mannschaft", hatte Vidal noch vor dem Champions-League-Viertelfinale getönt. Nun, dieses Vorhaben konnte er nicht umsetzen.

Vidal kämpfte wie ein chilenischer Puma gegen die bayerische Übermacht. Als stünde er für die Ureinwohner seines Landes im Kampf gegen die mächtigen Conquistadores, warf er alles auf das Spielfeld, was sein 1,80 Meter großer Körper hergab. Er machte seinem Beinamen "el guerrero" - der Krieger - alle Ehre, trug sogar eine schnittige Kriegsrasur, überschritt aber bisweilen die Grenzen des Erlaubten und stieg einige Male überhart ein.

Weil Schiedsrichter Mark Clattenburg aus England dafür in der ersten Halbzeit aus unerfindlichen Gründen keine Karte zückte, richtete sich die Wut der Zuschauer bald auf den Aggressor. Auch in München ist die Absage von Vidal offenbar noch nicht vergessen und nun zahlten es ihm die Bayern-Fans unter den 68.000 Zuschauern mit bösen Beschimpfungen heim.

Vor allem eine Attacke auf Franck Ribéry brachte das Volk in Rage. Der Franzose wand sich zwar zunächst auf dem Rasen, konnte aber bald weiterspielen. Da trafen nun zwei Krieger aufeinander, denn Ribéry hatte sich das gemerkt. Die Revanche folgte kurz vor Schluss. Der Bayern-Flitzer trat Vidal übel mit den Stollen in die rechte Wade, eine rote Karte für Ribéry wäre die richtige Entscheidung gewesen. Doch Clattenburg blieb seiner Linie treu - und ließ weiterspielen.

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Während Vidal nicht befugt war, öffentlich einen Kommentar zum Spiel zu geben, flötete sein Kontrahent Ribéry: "Es ist eine schönes Duell mit Vidal. Natürlich habe ich viele Schlag bekommen, natürlich hab ich auch gegeben. Ich habe mich nicht entschuldigt, er sich auch nicht. Das ist Fußball, das ist Champions League." Er hätte auch gleich sagen können: "Das war eine harte Auseinandersetzung, wir wollten uns weh tun und hatten Glück, dass wir beide das Spiel beenden durften."

Ribéry weiß eigentlich nur zu gut, welche Folgen so ein Tritt haben kann: Als Bayern 2010 im Champions-League-Finale gegen Inter Mailand verlor, saß er gesperrt auf der Tribüne: Im Halbfinale gegen Lyon hatte er wegen eines Trittes mit den Stollen voraus gegen Lisandro Lopez die rote Karte gesehen. Auch Zlatan Ibrahimovic von Paris Saint-Germain musste im diesjährigen Achtelfinale wegen einer ähnlichen Aktion vom Platz.

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Vidal lag danach sekundenlang neben dem Spielfeld, sprang plötzlich auf und beschwerte sich gestenreich bei Ribéry und Schiedsrichter Clattenburg. Er deutete dabei immer wieder auf seine Wade, wo sich vermutlich ein paar rote Streifen befanden. Da verlor das Publikum, das Ribérys Tritt höchstens erahnen konnte, endgültig die Fassung und buhte den Chilenen nun bei jeder Aktion aus.

Dennoch blieb Vidal der beste Spieler bei Juventus Turin. Er bestritt viele Zweikämpfe auch fair und gewann davon die allermeisten, was ihn völlig von den meisten seiner Mitspieler unterschied. Auch spielerisch bot er die beste Leistung, hatte als einziger im Turiner Mittelfeld wenig Probleme mit dem Münchner Pressing.

Mit seiner Leistung bestätigte Vidal die Vermutung, dass einige Spitzenklubs in Europa ihn gerne übernehmen würden, die Rede war zuletzt von Real Madrid - und dem FC Bayern. Vidal in München? Mit einem Mitspieler Franck Ribéry würde sich der Bruder im Geiste Vidal wohl hervorragend verstehen. Ein kriegerisches Paar, das von nun an gemeinsam auf die Gegner losgehen würde. Doch das Gerücht der italienischen Zeitung Tuttosport scheint wenig fundiert.

Ob denn der FC Bayern an Vidal interessiert sei? "Da müssen Sie Tuttosport fragen, das kann ich nicht beantworten. Die wissen immer mehr als wir", antwortete Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge schnippisch. Und mit Fan-Protesten vor der Verpflichtung von Spielern haben die Bayern ja Erfahrung.

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Es ist wohl eher so, dass sie diesem Arturo Vidal in München so schnell nicht mehr begegnen werden. Denn seine gelbe Karte hat er sich ja doch noch abgeholt - wegen eines unabsichtlichen Handspiels vor dem Strafraum. Es war eine im Vergleich lachhafte Entscheidung des überforderten Clattenburg. Aber Vidal ist damit im Rückspiel in Turin gesperrt.

Für Franck Ribéry bedeutet das: Er kann sich darauf konzentrieren, mit seinen Stollenschuhen den Ball ins Tor zu schießen, statt Abdrücke auf der Wade des Gegenspielers zu hinterlassen.

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