Tourismus in den Alpen:Liebe Bergwacht, du kannst mich jetzt abholen

Bergwachtretter beim Abseilen, 200

Retter in der Not: Doch immer öfter wird die Bergwacht von Erschöpften gerufen, die ihre Kräfte überschätzt hatten.

(Foto: dpa)

Ein Wanderer lässt sich sechs Mal in drei Jahren aus Bergnot retten - am liebsten ganz bequem mit dem Hubschrauber.

Von Dominik Prantl

Das Lafatscher Joch war bislang nicht unbedingt als alpinistische Herausforderung bekannt. Der Pass im südlichen Karwendel auf 2085 Metern wird von ganz harten Hunden sogar als Mountainbiketour empfohlen; für geübte Geher ist es ein wenig schwieriger Übergang vom Hallerangerhaus zur Bettelwurfhütte. Dennoch verständigte dort am vergangenen Wochenende bei guten Verhältnissen ein Wanderer die Bergrettung, wegen angeblich akuter Kniebeschwerden. Die Einsatzkräfte trafen dabei auf einen alten Bekannten. Der 68-Jährige hat sich seit 2014 insgesamt sechs Mal aus höchster Bergnot retten lassen, davon drei Mal vom Lafatscher Joch.

Neben der üblichen Häme in Nachrichtenforen und der Aufforderung, den Mann doch bitte schleunigst seines Mobiltelefons zu berauben, stellt sich vielen die Frage, wer das eigentlich zahlt.

Ein Helikoptereinsatz, wie ihn der Tiroler Dauerkunde bereits vier Mal in Anspruch genommen hat, kostet in den Tiroler Alpen je nach Aufwand etwa 3500 bis 5000 Euro. "Auch dieses Mal wollte er wieder mit dem Hubschrauber geholt werden", sagt Peter Veider, Geschäftsführer der Tiroler Bergrettung.

Da dem erschöpften Mann außer der nötigen Kondition augenscheinlich aber kaum etwas fehlte, habe man sich für die viel unkompliziertere Bergung auf dem Landweg entschieden. Die schlägt nur mit einigen Hundert Euro zu Buche. "Jetzt kriegt er halt eine Rechnung von uns", sagt Veider.

Die Wahrscheinlichkeit, dass diese von der entsprechenden Bergungskosten- oder Unfallversicherung - sofern er denn eine abgeschlossen hat - übernommen wird, ist ziemlich hoch. Diese greift im Falle der Bergnot, "und in Bergnot ist man relativ schnell. Da reicht es, wenn er nicht mehr aus eigener Kraft absteigen kann", sagt Viktoria Haider, Versicherungsexpertin des Österreichischen Alpenvereins. Zudem gingen einzelne Personen bei Kollektivunfallversicherungen, wie sie beispielsweise der Alpenverein, die Bergrettung oder der Österreichische Automobilklub ÖAMTC anbieten, oft in der Masse der Mitglieder unter.

So gebe es allein beim Österreichischen Alpenverein laut Haider 2500 Versicherungsfälle pro Jahr. Da der sechsmalig in Bergnot Geratene jedoch in vielen Medien auftaucht, sei davon auszugehen, dass die Versicherungen demnächst sehr genau hinschauen werden.

Verräterischer Eintrag im Gipfelbuch

Denn so erstaunlich großzügig die Zahlungsmoral bei Bergunfällen sein mag, gibt es auch hier gewisse Grenzen. So mussten zwei junge Wanderer aus den Niederlanden vor einigen Jahren 2300 Euro nachzahlen, nachdem sie sich vom Kleinen Göll in den Berchtesgadener Alpen hatten ausfliegen lassen. Ihre Begründung: Erschöpfung. Weil dafür der Polizeihubschrauber ausrückte, hätte die Kosten sogar der österreichische Steuerzahler übernommen. Nur hatten die beiden Touristen im Gipfelbuch den verräterischen Eintrag hinterlassen: "Zurück 'gehen' wir mit dem Helikopter."

Auch für den eigenwilligen Herren vom Lafatscher Joch hat das Hiking mit Heli wohl ein Ende. Sollte er sich erneut vom Berg melden, werde man sich sehr genau über die Situation informieren und ihn notfalls ein siebtes Mal holen, wie Bergretter Veider sagt. "Aber dann wieder eher zu Fuß."

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