Fluggastrechte:Das sollten Passagiere zur Niki-Insolvenz wissen

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  • Die Air-Berlin-Tochter Niki hat am Mittwochabend Insolvenz angemeldet und unverzüglich ihren Flugbetrieb eingestellt.
  • Zehntausende Passagiere sind unmittelbar betroffen, Hunderttausende mittelfristig.
  • Wie gestrandete Urlauber jetzt nach Hause kommen und welche Rechte Kunden mit gebuchten Tickets haben: die wichtigsten Informationen für Reisende.

Was ist passiert?

Die österreichische Fluglinie Niki hat am Mittwochabend Insolvenz angemeldet. Zuvor hatte die Lufthansa ihr Kaufangebot für die Tochter der insolventen Air Berlin zurückgezogen. Deutschlands größte Airline wollte Niki ursprünglich übernehmen, das ist nun jedoch geplatzt. Die EU-Kommission hatte wettbewerbsrechtliche Bedenken und wollte eine endgültige Entscheidung erst am 21. Dezember treffen. Etwa 1000 Mitarbeiter müssen nun um ihre Arbeitsplätze fürchten, davon etwa 790 Beschäftigte in Österreich und 210 in Deutschland.

Welche Auswirkungen sind an den Flughäfen nun unmittelbar zu spüren?

Die Maschinen von Niki bleiben mit sofortiger Wirkung am Boden. An deutschen Flughäfen sind bereits zahlreiche Verbindungen gestrichen worden, etwa in Berlin-Tegel, Stuttgart und Hamburg.

Zehntausende Passagiere drohen rund um Weihnachten an ihren Reisezielen zu stranden. Laut Insolvenzverwalter Lucas Flöther sind insgesamt bis Oktober 2018 sogar etwa 410 000 Passagiere betroffen, davon hätten etwa 210 000 Fluggäste ihre Tickets über Reisebüros oder -veranstalter gekauft.

Nach der Air-Berlin-Pleite
:Air-Berlin-Tochter Niki stellt ab sofort Flugbetrieb ein

Das Unternehmen hat nach der geplatzten Übernahme durch die Lufthansa Insolvenz angemeldet. 1000 Mitarbeitern droht der Jobverlust.

Welche Rechte habe ich, wenn mein Flug ausfällt?

Lässt eine Airline einen Flug ausfallen, ist das Unternehmen normalerweise entsprechend der EU-"Fluggastrechteverordnung" gesetzlich dazu verpflichtet, eine Ausgleichsleistung zu erbringen. Meist ist das eine Entschädigung in Höhe von 125 bis 600 Euro.

Im Falle einer Insolvenz haben Kunden jedoch grundsätzliche schlechtere Karten. Ihre Tickets sind dann wertlos, das Geld von Passagieren wird - sofern noch vorhanden - Teil der Insolvenzmasse. Betroffene müssen also ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Solche Verfahren können Jahre dauern, am Ende haben einzelne Passagiere oft das Nachsehen gegenüber größeren Gläubigern.

Niki-Insolvenzverwalter Flöther hatte Betroffenen dementsprechend zunächst keine großen Hoffnungen gemacht. Am Donnerstagnachmittag erklärte er nun, die meisten Direktkunden würden ihren Reisepreis voraussichtlich doch voll erstattet bekommen. Unter einer Voraussetzung: Sofern die Kunden ihre Tickets erst nach dem Insolvenzantrag des Mutterunternehmens Air Berlin Mitte August erworben haben. Dies gelte für Tickets mit Reisezeitraum bis Ende Oktober 2018.

Was ist, wenn ich einen Flug im Rahmen einer Pauschalreise gebucht habe?

Kunden, die Niki-Flüge im Rahmen einer Pauschalreise im Reisebüro gebucht haben, haben insgesamt mehr Sicherheit. Die Unternehmen sind in der Regel gegen Flugausfälle versichert und müssen im Zweifel für Ersatz sorgen. Entsprechend verweist Niki Pauschalreisekunden, deren Flüge ausfallen, derzeit direkt an ihre jeweiligen Reiseveranstalter.

Tui habe sich bereits weitere Flugkapazitäten gesichert, teilte der Konzern mit. Insgesamt seien bis Ende des Jahres rund 5000 Kunden aus Deutschland von der Niki-Pleite betroffen. Keiner von ihnen müsse sich Sorgen machen, dass er nicht in Urlaub fliegen könne oder am Reiseziel festsitze, sagte Tui-Touristikchef Stefan Baumert. Auch der Reiseunternehmer Thomas Cook teilte mit, die eigenen Kunden mit Abflug am Donnerstag bereits auf andere Flüge umgebucht und entsprechend informiert zu haben.

Und wenn ich nur den Flug im Reisebüro gekauft habe?

In diesem Fall bleiben die Kunden leider meist auf ihren Kosten sitzen. Wenn kein Pauschalurlaub gebucht wurde oder der Flug Teil eines Pauschalreisekontingents war, treten Reisebüros oder Online-Portale in der Regel nur als Vermittler auf. Der Vertrag wird also zwar zwischen Airline und Kunde geschlossen, dieser bekommt aber keinen Sicherungsschein - und hat damit Pech gehabt.

In einigen Fällen jedoch ist das Reisebüro oder Portal selbst der Vertragspartner, hat die Flüge über einen Großhändler günstig eingekauft und verkauft sie an den Privatkunden weiter. In diesem Fall steht das Reisebüro als Zahlungsempfänger und Aussteller auf der Rechnung, erklärte Reiserechtler Ernst Führich zuletzt in Zusammenhang mit der Insolvenz von Air Berlin. Selbst wenn auf dieser Rechnung stehe "wir vermitteln Ihnen den Flug" sei dies nur ein Versuch, sich der Haftung zu entziehen, so Führich. Ein Reisebüro, das zum Veranstalter wurde, sei für einen Ersatzflug zuständig - oder muss den Flugpreis zurückerstatten und Schadensersatz leisten.

Welche Aussichten haben Passagiere, die jetzt unmittelbar von Flugausfällen betroffen sind?

Etwa 40 000 Passagiere, die kürzlich mit Niki ins Ausland gereist sind, haben innerhalb der kommenden zwei Wochen Heimflüge mit der Airline gebucht. Laut der Fluggesellschaft bietet die Branche eine Rückholaktion zu besonderen Konditionen ( auf der Niki-Website sind die Hotlines der teilnehmenden Airlines aufgelistet).

Die Aktion gilt für Passagiere, die direkt bei Niki gebucht haben. Diese können noch verfügbare Sitzplätze zu Sonderkonditionen nutzen; es soll nur eine Art Aufwandsentschädigung fällig werden. Beteiligt sind mittlerweile Condor, Eurowings, Germania, Tuifly, die Lufthansa und ihre Töchter Austrian Airlines und Swiss. Reisende können sich an die Informationsschalter dieser Fluglinien an den Flughäfen oder an die Telefon-Hotlines wenden.

Der Ferienflieger Condor will Passagiere, die direkt bei Niki gebucht haben, sogar kostenlos nach Deutschland zurückfliegen, soweit Sitzplätze verfügbar sind. Condor kündigte dafür den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten an, die Reisenden sollten sich direkt an die Check-in Schalter am jeweiligen Flughafen wenden.

Ist Niki mit dem Insolvenzantrag nun völlig am Ende?

Insolvenzverwalter Lucas Flöther, der bereits Air Berlin abgewickelt hat, versucht derzeit, Niki mit einem Notverkauf zu retten. "Wir haben noch ein paar Tage Zeit, trotzdem einen Investor für Niki zu finden", sagte er. Der österreichische Unternehmer Niki Lauda hat sich bereits entsprechend geäußert: "Natürlich bin ich immer noch an Niki interessiert", sagte der ehemalige Formel-1-Weltmeister. Die vom ihm gegründete Fluggesellschaft bräuchte jedoch einen Neustart. Lauda hatte im Zuge der Air-Berlin-Insolvenz zusammen mit Condor beim Bieterverfahren den Kürzeren gegen die Lufthansa gezogen.

Ein Sprecher des österreichischen Verkehrministeriums sagte, es gelte nun, Chaos zu vermeiden und möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Er wollte sich aber nicht dazu äußern, ob die Regierung einen Überbrückungskredit für Niki gewähren könnte. Ein solcher Überbrückungskredit hatte im Falle von Air Berlin in diesem Sommer den Flugbetrieb für eine Weile aufrechterhalten.

Was passiert, falls Niki wirklich vom Markt verschwindet?

Sollte sich kein neuer Käufer finden, verschwände erneut die Kapazität von 21 Flugzeugen aus dem mitteleuropäischen Markt. Die Erfahrungen aus der Air Berlin-Pleite zeigen, dass das zu Engpässen auf betroffenen Strecken und höheren Durchschnittspreisen bei den verbleibenden Anbietern führen dürfte.

© SZ.de/mit Material von dpa/Reuters/AFP/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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