Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat im Streit um das Wahlrecht Kompromissbereitschaft signalisiert. In der Sitzung des Parteivorstandes am Montag sagte Seehofer Teilnehmern zufolge, er hätte "kein Problem" damit, wenn künftig alle Überhangmandate ausgeglichen würden, falls auf dieser Basis eine Einigung mit den Oppositionsfraktionen erzielbar sei.
Damit widersprach der CSU-Chef der bisherigen Linie der Union. CDU und CSU hatten bei der Bundestagswahl 2009 alle 24 Überhangmandate gewonnen. Diese werden bisher nicht durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert. Vergangene Woche hatte das Bundesverfassungsgericht das Wahlrecht auch deshalb für verfassungswidrig erklärt. In dem Urteil wiesen die Richter auf die mögliche Verzerrung von Wahlergebnissen durch die Überhangmandate hin.
Seehofer befürchtet offenbar neue Klagen
Nach Ansicht des Karlsruher Gerichts sind deshalb künftig maximal 15 Überhangmandate ohne Ausgleich zulässig. Die Unionsparteien als größte Profiteure solcher Mandate wollen die Grenze von 15 möglichst ausschöpfen, um den Vorteil wenigstens teilweise zu erhalten. Sie plädieren deshalb für einen Teilausgleich. Die Opposition fordert dagegen, dass alle Überhangmandate kompensiert werden. Die Gespräche zwischen den Fraktionen sollen spätestens Anfang September beginnen.
Seehofer widersprach mit seiner Äußerung nicht nur dem stellvertretenden Unionsfraktionschef und CDU-Wahlrechtsexperten Günter Krings, sondern auch seinem eigenen parlamentarischen Geschäftsführer in Berlin, Stefan Müller. Beide hatten sich für einen Teilausgleich der Überhangmandate ausgesprochen. Der CSU-Chef warnte in der Vorstandssitzung ausdrücklich vor Vorfestlegungen. Man solle nicht mit Maximalforderungen in die Verhandlungen gehen.
Dem Vernehmen nach befürchtet er, dass eine Regelung mit 15 nicht ausgeglichenen Überhangmandaten wegen der Widrigkeiten des Wahlrechts in der Praxis rechtlich angreifbar sein könne - und womöglich zu weiteren Klagen führe. Seehofer strebe eine Lösung bis Weihnachten an, hieß es. Er stellte in der Sitzung zudem klar, dass es mit seiner Partei keine Wahlrechtsreform geben werde, die die CSU zu einer Listenverbindung mit der CDU zwinge.