Syrien-Konflikt:Cameron will UN-Sicherheitsrat Resolutionsentwurf vorlegen

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Im Syrien-Konflikt rücken konkrete Schritte näher: Der britische Premier Cameron will an diesem Mittwoch einen Resolutionsentwurf in den UN-Sicherheitsrat einbringen. Russland wehrt sich gegen eine schnelle Entscheidung. Die UN hat den Einsatz von Giftgas inzwischen bestätigt.

Großbritanniens Premierminister David Cameron wird dem UN-Sicherheitsrat am Mittwoch den Entwurf für eine Syrien-Resolution vorlegen. Damit soll das Gremium nach dem Wunsch Großbritanniens "notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten" autorisieren. Eine Annahme der Resolution gilt wegen des russischen Widerstands gegen einen Militärschlag als äußerst unwahrscheinlich.

Die UN-Vetomacht Russland wehrt sich gegen eine schnelle Entscheidung im UN-Sicherheitsrat über eine Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien. Der Sicherheitsrat solle erst dann über eine Reaktion entscheiden, wenn der Bericht der UN-Chemiewaffenexperten vorliege, sagte Vize-Außenminister Wladimir Titow. Das deutet darauf hin, dass Russland gegen eine entsprechende Resolution stimmen könnte.

Der Sondergesandte der UNO und der Arabischen Liga für Syrien, Lakhdar Brahimi, hat einen Giftgaseinsatz inzwischen bestätigt. "Es scheint, dass eine Art von Substanz benutzt wurde und dadurch viele Menschen, auf jeden Fall mehr als einhundert, getötet wurden", sagte Brahimi am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im schweizerischen Genf. "Einige sprechen von 300 Toten, andere von 600, vielleicht 1000, vielleicht mehr als 1000", führte er aus. Brahimi mahnte, für einen möglichen Militäreinsatz in Reaktion auf den Vorfall sei die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats nötig. "Das internationale Recht besagt, dass eine Militäraktion nach einer Entscheidung des Sicherheitsrats unternommen werden kann", sagte er.

Zuvor hatten Großbritannien und die USA Erwartungen an einen Militärschlag gegen Syrien demonstrativ zurückgeschraubt. Beide Regierungen erklärten am Dienstag fast wortgleich, es gehe bei einer Antwort auf den mutmaßlichen Giftwaffeneinsatz gegen Zivilisten nicht darum, die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad zu stürzen.

"Die Optionen, die wir erwägen, drehen sich nicht um einen Regimewechsel", sagte US-Präsidentensprecher Jay Carney in Washington. "Es geht um eine Antwort auf eine klare Verletzung internationaler Standards, die den Einsatz chemischer Waffen verbieten", erklärte er. Carney zufolge wird in den kommenden Tagen ein Geheimdienstbericht veröffentlicht, der die Erkenntnisse zu den Hintergründen des mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes in der vergangenen Woche aufhellen soll.

Ban Ki-Moon fordert mehr Zeit für UN-Waffeninspektoren

Es gilt als wahrscheinlich, dass die US-Dienste zu dem Ergebnis kommen, dass Assad für den Einsatz von Giftgas verantwortlich zu machen sei. Nach Darstellung der syrischen Opposition wurden bei dem Angriff am vergangenen Mittwoch bis zu 1300 Menschen getötet.

Die USA erwägen Angriffe mit Marschflugkörpern gegen syrische Ziele. Carney stellte aber klar, dass Präsident Barack Obama noch keine Entscheidung getroffen habe. "Wenn der Präsident eine Ankündigung zu machen hat, wird er sie machen", sagte sein Sprecher lediglich.

Der Gebrauch von Chemiewaffen in Syrien darf auch nach Ansicht von US-Vizepräsident Joe Biden nicht ohne Folgen bleiben. "Diejenigen, die chemische Waffen gegen wehrlose Männer, Frauen und Kinder einsetzen, sollten und müssen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Biden vor der Veteranenvereinigung American Legion am Dienstag.

Das sei auch die Haltung von US-Präsident Barack Obama. Es gebe keinen Zweifel daran, dass das Regime für den "ruchlosen" Gebrauch chemischer Waffen in Syrien verantwortlich sei. Die USA wüssten, dass nur das Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad solche Waffen besäße und diese in der Vergangenheit auch mehrfach eingesetzt hätte.

Auch der britische Premierminister David Cameron sagte, ein möglicher Militärschlag gegen Syrien werde auf spezifische Ziele begrenzt sein. Es gehe nicht darum, in einen Nahost-Krieg hinein- oder tiefer in den Syrien-Konflikt gezogen zu werden, sagte er. Ein mögliches Vorgehen richte sich einzig gegen den Gebrauch von Chemiewaffen. "Es geht um Chemiewaffen. Ihr Gebrauch ist falsch und die Welt sollte nicht tatenlos danebenstehen", sagte Cameron. Darüber, welche konkreten Konsequenzen der mutmaßliche Giftgaseinsatz haben sollte, sei noch nicht entschieden, versicherte er.

Die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen haben am Mittwoch ihre Suche nach Spuren von Giftgas im Umland von Damaskus fortgesetzt. Das sagte ein Sprecher der Revolutionäre dem Nachrichtensender Al-Arabija. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon fordert angesichts des drohenden Militärschlags gegen Syrien mehr Zeit zur Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasangriffs. Die UN-Waffeninspektoren vor Ort müssten die Faktenlage sorgfältig klären, betonte er

Seit Tagen verstärken sich die Anzeichen für einen Angriff des Westens als Reaktion auf einen mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. In Deutschland zeigten sich Politiker aller Lager zurückhaltend und betonten die Bedeutung einer Einbeziehung der Vereinten Nationen. Inspektoren der UN untersuchen derzeit in Syrien den mutmaßlichen Giftgaseinsatz.

Frankreichs Präsident François Hollande empfängt am Donnerstag den Chef der syrischen Opposition, Ahmad al-Assi al-Dscharba, zu Gesprächen in Paris. Frankreich sei bereit, die Verantwortlichen des mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes in Syrien zu "bestrafen", sagte er. Alles deute darauf hin, dass die syrische Regierung für diese "schändliche Tat" verantwortlich sei.

Die Arabische Liga hat dem Regime in Damaskus bereits die Schuld an einem mutmaßlichen Giftgasangriff gegeben, bei dem Hunderte Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Der Rat der Liga verurteilte am Dienstag in Kairo "dieses abscheuliche Verbrechen". Die Verantwortlichen seien "Kriegsverbrecher" und müssten vor ein internationales Gericht gestellt werden.

Westerwelle warnt vor regionalem Flächenbrand

Nach Einschätzung Irans würde ein möglicher Krieg in Syrien auch Israel bedrohen. Im Fall eines Krieges in Syrien sollte sich der Westen auch um sein "illegitimes Kind" Israel "große Sorgen" machen, sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani der Nachrichtenagentur Isna zufolge. Er warf dem Westen vor, mit einem Militärschlag ohne UN-Mandat das internationale Recht zugunsten Israels zu ignorieren. Teheran steht im Konflikt auf der Seite Assads, seinem engsten Verbündeten im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat unterdessen sein Sicherheitskabinett zu einer Dringlichkeitssitzung versammelt. Der Ministerkreis solle über Einzelheiten der Syrien-Krise informiert werden, wie israelische Medien meldeten. Netanjahu hatte mit einer harten Reaktion gedroht, sollte Israel angegriffen werden. Das Land sei nicht Teil des syrischen Bürgerkriegs.

In der Neuen Zürcher Zeitung warnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor einem regionalen Flächenbrand. Es sei wichtig, "alle Entscheidungen genau abzuwägen, nicht nur danach, was gerade kurzfristig geboten erscheint, sondern danach, was am Ende auch den Menschen in Syrien, dem Frieden und der Stabilität in der gesamten Region wirklich dient." Sollte sich der Einsatz von Chemiewaffen bestätigen, sagte Westerwelle "wird Deutschland zu denjenigen gehören, die Konsequenzen für richtig halten".

© Reuters/AFP/dpa/mest/schma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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