Präsidentschaftsrennen:Von nun an kontrolliert Trump die Republikaner

Cruz steigt aus, der Milliardär triumphiert, die "Never Trump"-Bewegung zerbröselt. Was dies für die Wahl im November und die Zukunft der Republikaner bedeutet. Fünf Lehren.

Von Matthias Kolb, Washington, und Johannes Kuhn, New Orleans

Plötzlich geht alles ganz schnell. Donald Trump gewinnt die Vorwahl in Indiana mit mehr als 15 Prozentpunkten Vorsprung - und zerstört damit die wohl letzte Chance von Ted Cruz, die Kür des Milliardärs zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu verhindern. Der texanische Senator, der den Rivalen Trump noch am Morgen als "pathologischen Lügner und Schürzenjäger" bezeichnet hatte, beendet daraufhin seine Kandidatur.

Nun steht fest: Die Republikaner werden im Juli mit Donald Trump einen Mann fürs Rennen um das Weiße Haus nominieren, der keinerlei Regierungserfahrung hat und unter anderem ein temporäres Einreiseverbot für Muslime in die USA fordert. An diesem 3. Mai fällt auch die "Never Trump"-Bewegung in sich zusammen, ohne seit ihrer Ausrufung im März außerhalb von Twitter und TV-Werbepausen jemals größere Wirkung entfaltet zu haben.

Ein Blick auf Zustand und Zukunft der Grand Old Party.

Lehre 1: Trump gewinnt und demoliert eine ganze Generation

Chris Christie, Marco Rubio, Jeb Bush, Scott Walker, Bobby Jindal und, und, und: Der Kandidaten-Jahrgang 2015/16 galt mit seiner Mischung aus Erfahrung und politischem Talent als der beste der Republikaner seit langem. Viele der Rivalen stiegen gedemütigt aus dem Rennen aus, selbst eine Anti-Establishment-Größe wie Ted Cruz konnte am Ende die Wut nicht besser kanalisieren als das Phänomen Trump.

Seit er im Juni 2015 ins Rennen einstieg, haben seine Rivalen und die republikanischen Funktionäre Trump - und dessen Wähler - völlig falsch eingeschätzt. Trump brach Tabu nach Tabu, doch dies schadete ihm nicht. Er tritt auf wie ein Reality-TV-Star, ist in den nach Quoten und Klicks gierenden "alten" Medien ebenso omnipräsent wie in den filterlosen sozialen Medien - und gibt der Wut des zurückgelassenen Amerikas auf oft joviale Art eine Stimme.

Als das konservative Establishment begriffen hatte, dass die Wahlkampf-Regeln dieses Jahr neu geschrieben wurden, war es zu spät (irgendwann im Februar, nach Trumps Siegen in New Hampshire und South Carolina). Die Republikaner brauchen Nachhilfe, um ihre eigene Partei zu verstehen - eine bittere Erkenntnis.

Lehre 2: Der neoliberale Konsens ist chancenlos gegen ökonomischen Populismus

Das Versprechen eines schlanken Staats zieht noch, aber was ist mit Freihandel und einer robusten Außenpolitik à la George W. Bush? Trump hat den Republikanern bewiesen, dass zwei Säulen ihrer Philosophie arg ins Wanken gekommen sind. Er verspricht Protektionismus und ein "Amerika zuerst", das zwar Stärke ausstrahlt - aber sich doch international zurückzieht. Und die Wähler, nicht nur aus der globalisierungsmüden weißen Arbeiterschaft, hören das gerne.

Hinzu kommt, dass der Milliardär anders als seine Konkurrenten nicht auf die weitere Privatisierung des Sozialsystems setzt und damit sogar einen Pragmatismus demonstriert, der in der ideologisierten Partei bislang kaum Platz hatte. Macht Trumps Erfolg 2016 zum Ausnahmejahr oder sind die republikanischen Dogmen nicht mehr attraktiv? Eine knifflige Frage für die Konservativen - und die Tatsache, dass sie zuletzt bei fünf von sechs Präsidentschaftswahlen insgesamt weniger Wählerstimmen als die Demokraten bekommen haben (auch beim Wahlsieg Bushs 2000), sollte den Republikanern zu denken geben.

Lehre 3: Die Republikaner müssen das Vorwahlsystem ändern

Weil 2016 der Republikaner-Kandidat nicht wie sonst schon im März feststand, erfuhren viele konservative Wähler (und Analysten) von den seltsamen Regeln, nach denen die Grand Old Party ihre Delegierten auswählt - gerade in Staaten, wo erst spät abgestimmt wird. Für Trump war es natürlich opportun, über die "korrupte und betrügerische" Kür zu schimpfen.

Doch die Kritik ist berechtigt: Wie kann es sein, dass in Colorado das Vorwahl-Ergebnis nur Orientierung geben soll oder in Pennsylvania 54 von 71 Delegierten ungebunden sind? Das Argument, dass diese Verfahren lange bekannt waren, befeuert nur die Wut der Trump-Fans. Viele Bürger wollen Transparenz und klare Regeln - wenn die Republikaner hier handeln, gewinnen sie etwas Glaubwürdigkeit zurück und zeigen: "Wir haben verstanden und hören zu."

Lehre 4: Das ewige Schlechtreden geht weiter

Der Aufstieg des Immobilien-Moguls Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner ist ohne das politische Klima nicht zu verstehen. Seit mehr als sieben Jahren, seit Barack Obama ins Weiße Haus gewählt wurde, überbieten sich konservative Kongressabgeordnete sowie Moderatoren bei Fox News und den Talkradio-Wellen darin, ihr Land schlechtzureden.

Wenn Wähler jahrelang hören, dass alle Menschen in Washington korrupt und unfähig sind und dass abwechselnd mexikanische Kartelle, das Ebola-Virus oder IS-Terroristen über die Grenze schleichen, dann zeigt das Wirkung. Wenn es seit 2009 heißt, dass der Rest der Welt über sie, ihre Heimat und ihren Präsidenten lacht, dann wächst die Wut.

Und von allen Kandidaten, die in Washington aufräumen wollen, war Donald Trump der größte Außenseiter und dadurch für viele am glaubwürdigsten. Und Trump, dessen Slogan "Make America great again" heißt, wird die kommenden sechs Monate noch mehr schwarzmalen, unken und raunen als je zuvor - und damit eine zivilisierte Diskussion über viele Herausforderungen, vor denen die USA stehen, verhindern.

Lehre 5: Wenn Trump verliert, dann schauen alle auf Paul Ryan

Prognosen sind in diesem Wahlkampf-Jahr eine riskante Angelegenheit. Doch sollten die Republikaner mit Donald Trump genau wie mit Mitt Romney 2012 und John McCain 2008 verlieren, dann erscheint es schwer vorstellbar, dass jemand anders als Paul Ryan die Scherben zusammenkehrt und - dies wäre nötig - die Partei neu aufbaut.

Nur der Speaker im Repräsentantenhaus und Vizepräsidentschaftskandidat von 2012 ist in diesem Rennen nicht beschädigt worden (siehe Lehre 1) und verfügt bei allen Flügeln der Partei über genug Respekt. Ryan steht für große Ideen und will den Staat umbauen - und sieht nun, wie seine Partei einen Kandidaten auswählt, der sich für Thesenpapiere und den Polit-Alltag nicht im Geringsten interessiert. Um diese Aufgabe wäre der 46-jährige Ryan überhaupt nicht zu beneiden.

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