Markus Kerber:Seehofers Mann für die Heimat

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Schwabe, promovierter Politologe und ehemaliger Banker: Markus Kerber im Jahr 2017, damals noch als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. (Foto: picture alliance / Britta Peders)

Markus Kerber ist der Überraschungs-Staatssekretär im Innenministerium. Er gilt als Brückenbauer - bei den Themen Flüchtlinge und Islam unterscheidet er sich stark von seinem Chef.

Von Stefan Braun, Berlin

Vielleicht Fußballtrainer? Oder Seelsorger? Oder doch Uni-Professor mit einem Faible für die Lehre? Markus Kerber könnte man sich in vielen Rollen vorstellen. Vor allem, wenn sie mit Menschen zu tun haben. Der 54-Jährige aus dem schwäbischen Ulm sieht zwar nicht aus wie ein charismatischer Surflehrer. Aber der ehemalige Unternehmer, Regierungsbeamte und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zieht Menschen mit seiner Leidenschaft fürs Zuhören in den Bann. Wo immer man ihn trifft, am Rande eines Parteitags, bei einer Konferenz oder zufällig auf einer Zugfahrt, immer erlebt man ihn zugewandt, freundlich, neugierig.

Dazu kommt, dass der Mann unideologisch auftritt. Kerber ist kein Spalter, er ist kein Provokateur, er ist einer, der Verbindungen sucht und findet. Interessant ist das deshalb, weil Kerber ab sofort für Horst Seehofer arbeitet. Ausgerechnet. Vor wenigen Tagen hat der neue Bundesinnenminister seine Führungsmannschaft vorgestellt. Kerber wird die Position eines Staatssekretärs übernehmen - eine Personalentscheidung, die in Berlin großes Erstaunen auslöste.

Auf die Idee nämlich, dass Kerber für Seehofer das Thema Heimat betreuen könnte, wäre in der Hauptstadt niemand gekommen. Erstens hatte Kerber der Politik bereits den Rücken zugewandt. Vor allem aber kommt er in zentralen Fragen der Innenpolitik ganz anders daher als sein neuer Minister.

Seehofers Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, wäre Kerber niemals über die Lippen gekommen

So hat Kerber als BDI-Hauptgeschäftsführer die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht gegeißelt, sondern wünschte sich eine bessere Organisation und eine stringentere Begründung. Seehofers Spruch von der "Herrschaft des Unrechts" wäre Kerber nicht über die Lippen gekommen. Stattdessen sagte er nüchtern: "Mir ist der Satz 'Wir schaffen das' zu unbestimmt." Also rief er die Bundesregierung auf, sie möge erklären, wie sie die Aufgabe meistern wolle. Nur so könnten die Menschen entscheiden, ob sie das wollten. "Wenn ich als Trainer bei der Fußball-WM antrete, muss ich auch eine Vorstellung davon haben, wie ich die Kräfte der Spieler bis ins Endspiel einteile." Als BDI-Geschäftsführer sah er in den Flüchtlingen zunächst einmal die Fachkräfte von morgen.

Sehr ähnlich verhält es sich zwischen Seehofer und Kerber beim Thema Islam. Auch hier kommen beide aus ziemlich unterschiedlichen Welten. Seehofers Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, wäre Kerber niemals über die Lippen gekommen. Immerhin war er es, der als Abteilungsleiter unter dem damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble die Islamkonferenz organisierte. Nicht ausgrenzen wollte er, sondern Brücken bauen. Es wird spannend sein, wie Seehofer und Kerber zusammenfinden.

Eines könnte helfen: Der promovierte Politologe Kerber, der zum Start seiner Karriere für eine Londoner Bank arbeitete, ist zwar unideologisch. Aber Christdemokrat ist er trotzdem. Als er seine Arbeit für die Islamkonferenz begann, hatte er von der Religion keine Ahnung. Trotzdem erarbeitete er sich schnell bei vielen Muslimen Vertrauen. Kreativ genug also dürfte er sein, um Seehofers Steckenpferd "Heimat" alsbald mit Leben zu füllen.

Zumal Kerber mindestens so ungeduldig ist wie sein Vorgesetzter. Das hängt mit einer besonderen Erfahrung zusammen: Vor zwei Jahren hatten Ärzte bei ihm einen Tumor entdeckt. Kerber hatte erst viel Angst, dann viel Glück. Und dann ließ er sich auf einem Motorrad fotografieren. Es sollte seinen Lebenshunger zeigen.

Auf dem berüchtigten Bild mit der ausschließlich männlichen Führungsriege im Innenministerium ist Kerber auch zu sehen. Als Einziger hat er die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Vom Fotografen aus betrachtet steht er ganz rechts. Aus Seehofers Perspektive freilich steht er ganz links. Und das ist keine falsche Beschreibung. Kerber lässt sich nicht in Schubladen pressen.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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