Kauder kritisiert EU-Gipfelpolitik:"Europa muss seinen Arbeitsstil dringend ändern"

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Unionsfraktionschef Kauder ist unzufrieden mit der Brüsseler Hinterzimmerpolitik. Ergebnisse von EU-Gipfeln dürften nicht einfach morgens von "irgendwelchen Leuten" verkündet werden, weil diese niemand überprüfen könne. Besonders Italiens Premier Monti bezieht Schelte - ebenso wie CSU-Chef Seehofer. Kauder äußert sich auch zum konservativen "Berliner Kreis" der CDU - mit klaren Worten.

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Art, wie die EU-Staats- und Regierungschefs bei Gipfeltreffen verhandeln, scharf kritisiert. Kauder sagte der Süddeutschen Zeitung, Europa müsse "seinen Arbeitsstil dringend ändern, den jetzigen kann ich nicht akzeptieren".

"Es kann nicht sein, dass man in Brüssel die ganze Nacht durchverhandelt und dass dann irgendwelche Leute in den frühen Morgenstunden Erklärungen abgeben, die zunächst keiner überprüfen kann", sagt Volker Kauder. (Foto: picture alliance / dpa)

Es dürfe "nicht sein, dass man sich in Brüssel am späten Nachmittag trifft, dass man dann die ganze Nacht durchverhandelt und dass dann irgendwelche Leute irgendwann in den frühen Morgenstunden Erklärungen abgeben, die zunächst keiner überprüfen kann". Die Gipfeltreffen seien in diesem Punkt "nicht richtig koordiniert". Er glaube nicht, "dass wir in Europa weiter so Politik machen können".

Am vergangenen Freitag hatten viele Bundestagsabgeordnete lange ergebnislos versucht, die genauen Ergebnisse des am frühen Morgen zu Ende gegangenen Gipfeltreffens zu erfahren. Deshalb waren zeitweise sogar die Abstimmungen über den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM gefährdet.

Kauder gestand jetzt ein, dass es am vergangenen Freitag "Kommunikationsprobleme" gegeben habe. Für diese sei aber nicht Regierungssprecher Steffen Seibert verantwortlich gewesen. Entsprechende Vorwürfe gegen Seibert seien "überhaupt nicht gerechtfertigt", sagte Kauder. Schuld seien "vielmehr andere" gewesen, wie Italiens Ministerpräsident Mario Monti.

Dieser habe am Freitagmorgen eine "unverantwortliche Interpretation der Brüsseler Ergebnisse" abgegeben. "Ich fand nicht in Ordnung, wie Mario Monti an diesem Morgen aufgetreten ist", sagte Kauder. Dadurch sei "manch falscher Zungenschlag rübergekommen".

Kritik an Seehofer

Mit seiner Erklärung habe der italienische Premier "dafür gesorgt, dass viele glauben, dass er gewonnen und dass die Kanzlerin verloren hat". Montis Interpretation stimme aber nicht. Inzwischen hätten "ihm ja auch schon andere Länder widersprochen, etwa die Finnen", sagte Kauder. Der Fall zeige, dass in Europa offenbar gelte: "Wenn's ums Geld geht, hört jede Freundschaft auf."

Den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer kritisierte Kauder wegen dessen Androhung eines Koalitionsbruchs: Es wäre besser, "wenn wir in diesem Sommer mit unseren Wählerinnen und Wählern mehr darüber reden würden, was wir geleistet haben. Das hilft uns mehr, als wenn wir immer nur den Eindruck erwecken, im Streit zu liegen."

Für FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt fand Kauder dagegen freundliche Worte: "Mit meinem Kollegen Rainer Brüderle, der mir ein Freund geworden ist, arbeite ich hervorragend zusammen", sagte Kauder. "Das gilt auch für Gerda Hasselfeldt."

Das vollständige Interview lesen Sie in der Freitagsausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 6. Juli 2012. Warum Kauder das Elterngeld überprüfen will und trotzdem auf Distanz zu konservativen Merkel-Kritikern geht, lesen Sie hier.

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