Kampf gegen den Terror:30 000 IS-Kämpfer lassen sich nicht totstreicheln

France launches airstrikes against Islamic State in Syria

Start eines mit Raketen und Bomben bestückten französischen Kampfjets zu einem Einsatz gegen den IS

(Foto: Sebastien Dupont/dpa)

Nur mit Krieg und Luftangriffen ist der "Islamische Staat" im Nahen Osten nicht zu besiegen. Aber auch nicht ohne.

Kommentar von Tomas Avenarius

Jene, die am lautesten über den Krieg und seine vermeintliche Notwendigkeit reden, haben zumeist am wenigsten vom Krieg gesehen. Schön ist er jedenfalls nicht. Das ändert nichts daran, dass militärische Gewalt manchmal das einzige Mittel ist, Sicherheit zu schaffen. Dafür - und nur dafür - unterhält ein postmoderner Staat eine Armee. Nach dem 11. September 2001 war der Angriff auf Osama bin Laden und seine Al-Qaida-Truppe zwingend. Dass in Afghanistan dann nach dem Etappensieg vieles falsch gemacht wurde, ändert daran nichts.

Dasselbe gilt für den Kampf gegen den "Islamischen Staat". Die Spur führt von Paris direkt in das "Kalifat" - warum sonst hätten die Attentäter vor dem Blutbad mit ihren Führungsoffizieren in Syrien oder dem Irak telefoniert? Also muss der IS im Nahen Osten militärisch bekämpft und, wenn möglich, zerstört werden. Wobei ein Zusatz erforderlich ist: Der IS muss auch militärisch bekämpft werden. Aber eben nicht nur.

Integration und Aufklärung reichen nicht

In Europa bedarf es eines weitaus stärkeren polizeilich-geheimdienstlichen Einsatzes, als es sich unsere Wohlfühlgesellschaften eingestehen wollen. Die Tentakeln des Kalifats reichen nicht nur in die Migrantenviertel Frankreichs und Belgiens, sondern auch nach Deutschland; ein Attentat hier ist vielleicht nur eine Frage der Zeit. Integration und Aufklärung der Migrantenjugend reichen zur Abwehr ebenso wenig aus wie Resozialisierungsangebote für Dschihad-Rückkehrer.

Mit der politischen und polizeilichen Abwehr der Islamisten in Europa ist es jedoch nicht getan. Der IS kontrolliert im Nahen Osten ein Gebiet von der Größe Großbritanniens. Er hat aus den Arsenalen der irakischen Armee Panzer, Geschütze und Raketenwerfer geplündert, verfügt über mindestens 30 000 Kämpfer. Die lassen sich nicht totstreicheln, leider. Das Militärische ist ein Handwerk; man sollte es denen überlassen, die es gelernt haben. Worum es aber geht, ist die politische und gesellschaftliche Rückendeckung für den Teil des Kampfes gegen den IS, den nur Soldaten führen können.

Luftangriffe sind nicht die einzige militärische Möglichkeit

Die seit Monaten laufenden Luftangriffe der westlich-arabischen Koalition gegen den IS führen nicht zum Ziel. Diese Angriffe müssen verstärkt werden, wo immer der IS ein Ausbildungslager hat, ein IS-Konvoi fährt, die Islamisten Ölfelder plündern. Ob und wie die Bundeswehr sich beteiligen kann, müssen die Uniformierten den Politikern sagen. Aber dass Politiker und Bürger reflexartig Nein rufen, reicht nicht aus. Der IS ist kein vorübergehendes Ärgernis - er ist eine immer gefährlicher werdende Realität.

Militärisch gibt es neben Luftangriffen andere Instrumente. Westliche Soldaten - ja, auch deutsche - können die irakische Armee und die Kurden-Kämpfer mehr und besser ausbilden, beraten, bewaffnen, vielleicht sogar an die Front begleiten. Auch der Einsatz bewaffneter Drohnen sollte nicht ausschließlich als extralegale Exekution begriffen werden. Ein Drohnenangriff auf den Jeep, in dem der Kalif fährt, gefährdet weniger Menschen als der Einmarsch mit Truppen und Panzern. Und das Ende Osama bin Ladens hat gezeigt, dass Terrorfürsten manchmal sogar mit riskanten Kommandoaktionen erreicht werden können.

Militärische, polizeiliche und politische Instrumente nutzen

Bei all dem gilt: Wer unter dem Eindruck der Bilder von Paris einen Einmarsch westlicher Truppen ins Kalifat fordert, hat die Lektionen der Kriege in Afghanistan und im Irak nicht verstanden. Dort sind in den vergangenen 15 Jahren die modernsten Armeen gescheitert, die amerikanische vorneweg. Stattdessen gilt es, neben Luftangriffen und der Unterstützung einheimischer Truppen andere, eher nahöstliche Methoden zu nutzen: Sunnitische Stämme im Irak lassen sich kaufen, Milizen für den Kampf gegen den IS aufbauen und bewaffnen.

Voraussetzung ist, dass die Probleme gleichzeitig politisch angegangen werden: Bagdad muss den Sunniten eine Perspektive geben im schiitisch dominierten Staat. Und im Falle von Syrien muss überlegt werden, wie lange man gegen den Diktator Baschar al-Assad und den IS gleichzeitig kämpfen kann. Es geht nicht nur um einen verabscheuenswürdigen Staatschef, sondern auch darum, was für ein Staat Syrien in zehn Jahren sein wird - falls es dann noch Staat ist und nicht Kalifat.

Die bisherigen Misserfolge im Krieg gegen den Terror bedeuten nicht, dass Terror militärisch nicht bekämpft werden kann. Wichtig ist die Mischung aus militärischen, polizeilichen und politischen Instrumenten. Ein Beispiel hat das Hackernetzwerk Anonymus gegeben. Die Computer-Nerds wollen die Blutpropaganda des IS im Internet bekämpfen. Etwas mehr Fantasie und etwas weniger Bloß-keinen-Krieg-Reflex darf also schon sein im Kampf gegen den Kalifen.

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