Internationaler Tag gegen Rassismus:Hauptsache gegen Rechts

Lesezeit: 4 min

In Deutschland gibt es zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus viele Aktionen. (Foto: dpa)
  • Dialog: Kritik gab es für Sigmar Gabriels Annäherung an Sympathisanten von Pegida.
  • Auf der Straße: Führen Gegendemonstrationen zu einem reinen Aufrechnen von Zahlen?
  • Satire: Wunsiedel versucht es mit Humor.

Von Hannah Beitzer

Spot an: Benedikt Höwedes, Nationalspieler, Bundesligaprofi, läuft im Trikot seines Vereins Schalke 04 in einen leeren Raum. "Ausgrenzung" schreibt er mit quietschendem Filzstift auf den Bildschirm. Hält kurz inne, streicht das -grenzung durch. Dann erscheint: Mach einen Strich durch Vorurteile!

Es ist eine Aktion des DFB, der gemeinsam mit der Bundesregierung eine Integrationsinitiative gestartet hat, passend zum Internationalen Tag gegen Rassismus. Der ist heute. Aktionen dazu gibt es auf allen Kanälen, in Fußballstadien, im Fernsehen, auf der Straße und natürlich online. Auf der Facebook-Seite der Bundesregierung etwa fordert Justizminister Heiko Maas: "Nein zu Rassismus - auch auf Facebook".

In dem Video spricht Maas von Fremdenfeindlichkeit im Netz aber auch auf der Straße: "Wenn man sich anschaut, wie viele Leute den Pegida-Konsorten hinterher gelaufen sind." Dagegen müsse man etwas tun, findet Maas: "Jeder, der sowas sieht, sollte darauf reagieren und sollte klarmachen, dass das in Deutschland keinen Platz hat."

Zwischen Dialog und Konfrontation

Aber wie geht das eigentlich? Darauf kann es natürlich in einem appellativen Kurzvideo keine rechte Antwort geben. Trotzdem ist das Statement des SPD-Justizministers aufschlussreich. Denn während sich der deutsche Fußball schon seit Jahren sehr deutlich von Rechts distanziert, hat der Umgang mit der von Maas erwähnten Pegida-Bewegung bei den Sozialdemokraten für einige Unruhe gesorgt. Und eben genau jene Frage aufgeworfen: Wie soll man rechten Tendenzen in der Bevölkerung begegnen?

Maas hatte sich als einer der ersten Politiker geäußert, als es damals mit den Montagsdemos losging in Dresden, und zwar deutlich. Die Proteste seien eine "Schande für Deutschland", sagte der Justizminister im Dezember 2014. Die Mehrheit seiner Partei dürfte das ähnlich sehen. Parteichef Sigmar Gabriel jedoch hielt es für eine bessere Idee, das Gespräch mit Anhängern von Pegida zu suchen. "Da waren ganz normale Dresdner mit ihren Alltagssorgen", sagte er über seinen Besuch einer Diskussionsveranstaltung mit den Demonstranten. Und die dürfe man nicht rechten Populisten überlassen. Das sahen viele, auch in der SPD, allerdings nicht so. Sie fanden: Ein "Nein zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" sieht anders aus, muss anders aussehen - nämlich eine deutliche Ansage an all jene sein, die eben jenen Rechten hinterherlaufen. Vor allem vom SPD-Chef und Vizekanzler.

Auf die Straße gegen Rechts

Dieser Auffassung waren nicht zuletzt auch Tausende Menschen, die zu Anti-Pegida-Demonstrationen auf die Straße gingen. In den Großkundgebungen außerhalb von Dresden waren sie den Rechten zahlenmäßig weit überlegen. Ein starkes Zeichen, fanden die meisten Kommentatoren. Doch es gab auch leise Kritik: "Eine Art Sportberichterstattung" beklagte zum Beispiel der grüne Protest-Veteran Rezzo Schlauch in der Süddeutschen Zeitung. Es ginge nur noch um die "quotenträchtige, aber inhaltsarme Frage (...): Wer bringt mehr auf die Straße - wir oder die?".

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Die wirklich beunruhigenden Zahlen zu Fremdenfeindlichkeit machen Wissenschaftler tatsächlich nicht auf der Straße aus, sondern dort, wo rassistische und fremdenfeindliche Gedanken im Verborgenen existieren. Fast ein Drittel aller Deutschen äußerte im Januar in einer Umfrage Verständnis für Pegida. Migrationswissenschaftler wie der Soziologe Andreas Zick weisen darauf hin, dass viele Deutsche Vorurteile hätten. So werde die Kriminalität unter Migranten in Umfragen ebenso überschätzt wie ihr tatsächlicher Anteil an der Bevölkerung.

Insbesondere die Islamfeindlichkeit in Deutschland steigt, zeigt etwa der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sind dabei kein Problem von Randgruppen der Gesellschaft, dem Islam stehen demnach gerade Menschen mit hohem Bildungsabschluss kritisch gegenüber. Erkenntnisse, die eine These des Soziologen Wilhelm Heitmeyer bestätigen. Der untersuchte zehn Jahre lang in einer Studie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland und sprach bereits 2012 von einem verrohten Bürgertum, das Schwächeren - Hartz IV-Empfängern, Migranten - die Solidarität entziehe.

Satire als Waffe gegen Rechts

Das alles lässt die "deutschen Zustände", wie auch Heitmeyers Studie heißt, recht düster aussehen - allen bunten Luftballons zum Internationalen Tag gegen Rassismus zum Trotz. Manchmal hilft den Nazigegnern da nur noch Humor. So wie im fränkischen Wunsiedel:

Die Kleinstadt hat jedes Jahr mit einem Nazi-Aufmarsch am Volkstrauertag zu kämpfen. Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß war einmal dort begraben. Inzwischen wurde sein Grab zwar aufgelöst, die Rechten kommen trotzdem. 2014 spendeten Unternehmer und Privatleute aus der Region für jeden Meter, den ein Neonazi zurücklegte, zehn Euro an das Aussteigerprogramm Exit-Deutschland.

Auf bunten Bannern am Wegesrand standen Sprüche wie "Flink wie Windhunde, zäh wie Leder - und großzügig wie nie!". Damit die Nazis länger durchhalten, gab es in Kisten Bananen mit dem Aufdruck "Mein Mampf".

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Am Schluss kamen so 10 000 Euro zusammen. Und für die unfreiwilligen Spender gab es eine Siegerurkunde.

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Allerdings fällt die Erkenntnis, wer eigentlich rechts ist und wer nicht, selten so leicht wie in Wunsiedel. Das beweisen die erwähnten wissenschaftlichen Studien, die Fremdenfeindlichkeit eben nicht nur an den Rändern der Gesellschaft ausmachen. Darüber eine offene Debatte zu führen, ist schwer. In ihr müssen sich nämlich auch viele, die rechtes Gedankengut weit von sich weisen würden, unangenehme Fragen stellen.

Ein kleines Beispiel: Heute, am Internationalen Tag gegen Rassismus, erschien auf Spiegel Online folgende Meldung: Mehrere Staaten der EU wollen Bootsflüchtlinge mit Hilfe von Ägypten und Tunesien aufhalten und in ihre Heimatländer zurückbringen, bevor sie europäischen Boden erreichen. Sie wollen so einen "echten Abschreckungseffekt produzieren". Ein Ton, der all diejenigen in ihrer Meinung bestätigt, die lieber über eine "Einwanderung in unsere Wirtschaftssysteme" klagen, als sich der Frage zu stellen: Welche Verantwortung haben wir dafür, dass vor Europas Küsten Bootsflüchtlinge ertrinken?

Wer Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bekämpfen will, so kann man es aus den zitierten Studien lesen, der muss zuallererst dafür sorgen, dass Menschen wie jenen Bootsflüchtlingen mit Empathie begegnet wird. Maximale Abschreckung ist das Gegenteil davon.

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