Unruhen in Kairo:Drei Tote bei Sturm auf Israels Botschaft

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Szenen blindwütiger Gewalt: Hunderte ägyptische Demonstranten haben in Kairo eine Mauer vor der israelischen Botschaft niedergerissen und das Gebäude gestürmt. Es kam zu brutalen Zusammenstößen mit der Polizei. Mindestens drei Menschen sind in der Nacht ums Leben gekommen, mehr als 1000 wurden verletzt. Israels Botschafter verließ fluchtartig das Land. Ägyptens Regierung gerät unter Druck - Rücktrittsgerüchte werden laut.

Demonstranten haben in der Nacht zum Samstag die israelische Botschaft in Ägyptens Hauptstadt Kairo angegriffen. Nach Augenzeugenberichten stürmten sie das Gebäude, in dem die Vertretung untergebracht ist. Zuvor hatten sie mit Hämmern und Brechstangen eine Schutzmauer niedergerissen. Bei der gewaltsamen Erstürmung wurden nach Krankenhausangaben drei Menschen getötet - wie sie genau zu Tode kamen, war zunächst nicht bekannt.

Ein anderer Mann sei einem Herzinfarkt erlegen. Das ägyptische Gesundheitsministerium teilte außerdem mit, es habe 1000 Verletzte gegeben.

Israels Botschafter Itzhak Levanon verließ nach Berichten des Nachrichtensenders al-Dschasira noch in der Nacht Ägypten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte den Angriff als "offenkundigen Verstoß gegen internationale Normen". Der Zwischenfall selbst stelle eine "ernsthafte Verletzung der Friedensstruktur mit Israel" dar.

Auch am Samstag kam es in der Nähe der Botschaft zu neuen Zusammenstößen. Aufgebrachte Demonstranten hätten eine nahegelegene Straße blockiert und die Sicherheitskräfte mit Steinen und Flaschen beworfen, berichtete das ägyptische Staatsfernsehen. Am Morgen harrten noch rund 500 Protestierende vor dem Haus am Ufer des Nils aus, wo die Botschaft untergebracht ist. Die Sicherheitskräfte drängten die Demonstranten aber schließlich zurück.

Die Polizei ist laut offiziellen Angaben aus dem ägyptischen Innenministerium in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. In Kairo kursierten Gerüchte über einen möglichen Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Essam Scharaf, der sein Kabinett für Samstag zu einer Krisensitzung einberufen hat. Der herrschende Militärrat lehnt einen Rücktritt allerdings ab. Scharaf habe den Schritt angeboten, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija weiter, nachdem die Regierung nicht imstande war, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Scharaf steht einer Übergangsregierung vor, während die eigentliche Macht nach dem Sturz des Regimes von Hosni Mubarak beim Militärrat liegt.

Westerwelle verurteilt die Erstürmung

US-Präsident Barack Obama forderte die ägyptische Regierung auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Sicherheit der Botschaft zu gewährleisten. Obama sprach mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu über die Lage in Kairo. In dem Telefonat habe der Präsident auch seine Sorge um die Sicherheit der israelischen Botschaftsmitarbeiter zum Ausdruck gebracht, teilte das Weiße Haus in Washington mit.

Auch die deutsche Bundesregierung zeigte sich alarmiert über die Eskalation der Proteste. Außenminister Guido Westerwelle verurteilte die Erstürmung der israelischen Botschaft. Er erwarte, dass die ägyptischen Behörden den Schutz der Botschaft gemäß ihrer internationalen Verpflichtungen sicherstellten, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Eine weitere Eskalation müsse unbedingt verhindert werden.

Wie al-Dschasira berichtete, wurden Israels Botschafter Levanon, seine Familie und Botschaftsmitarbeiter noch in der Nacht mit einer israelischen Militärmaschine nach Tel Aviv ausgeflogen. Vor dem Abflug sei Levanon auf dem Kairoer Flughafen noch mit einem General des regierenden ägyptischen Militärrats zusammengetroffen, hieß es im ägyptischen Staatsfernsehen. Ägyptische Sondereinheiten hatten außerdem zuvor sechs in der Botschaft verbliebene Mitarbeiter aus dem Gebäude gebracht. Premier Netanjahu bedankte sich bei den ägyptischen Behörden für die Rettungsaktion.

Demonstranten werfen Dokumente aus dem Fenster

Die Demonstranten hatten in der Nacht zum Samstag ein zur israelischen Botschaft gehörendes Appartement im 18. Stockwerk des Gebäudes gestürmt und Dokumente aus den Fenstern geworfen. Die eigentliche Botschaft ist im 20. und 21. Stock untergebracht. Zunächst hatten die Demonstranten vor dem Gebäude eine Mauer teilweise zum Einsturz gebracht, die erst vor kurzem zum Schutz der Botschaft errichtet worden war. Ein Demonstrant kletterte an dem Gebäude empor und riss die israelische Flagge herunter.

Vor der Botschaft lieferten sich aufgebrachte Demonstranten Scharmützel mit der ägyptischen Polizei. Beamte wurden mit Trümmern der niedergerissenen Schutzmauer beworfen, die Polizei setzte massiv Tränengas ein. Mehrere Polizeifahrzeuge gingen in Flammen auf.

Seit Wochen kommt es vor der israelischen Botschaft in Kairo immer wieder zu Demonstrationen. Auslöser war der Tod von fünf ägyptischen Grenzpolizisten. Israelische Sicherheitskräfte hatten sie bei der Verfolgung mutmaßlicher palästinensischer Terroristen an der ägyptisch-israelischen Grenze vor drei Wochen erschossen. Die israelische Regierung hat sich für den Tod der Grenzwächter offiziell entschuldigt. Dennoch fordern ägyptische Demonstranten seit Wochen vom regierenden Militärrat einen generellen Kurswechsel im Verhältnis zu Israel.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/dapd/aho/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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