Die Linken und die AfD:Wie passen ganz links und ganz rechts zusammen?

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Die Erfolge der AfD drücken der Linken aufs Gemüt. (Foto: REUTERS)

Warum wählten so viele Linkspartei-Anhänger in Thüringen und Brandenburg die AfD? Die Partei tut sich mit Antworten schwer - und steuert geradewegs in die nächste Strategiedebatte.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Katzenjammer ist gar kein Ausdruck, am Tag nach den Wahlen erinnerte das Spitzenpersonal der Linken an eine Beerdigungsgesellschaft. Mit Trauermienen stellten sich die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger am Montag in Berlin vor die Presse, zusammen mit Bodo Ramelow und mit dem erfolglosen Spitzenkandidaten von Brandenburg, Christian Görke. Ramelow sollte eigentlich der Star des Tages werden, wirkte aber wie ein angezählter Matador.

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Die Konservativen in der Union fordern einen Kurswechsel, doch CDU-Chefin Angela Merkel hält davon gar nichts. Während die Bundespartei noch über den richtigen Umgang mit der AfD streitet, will eine andere Partei in Thüringen so bald wie möglich die Sondierungen beginnen.

28 Prozent hat die Linke in Thüringen geholt, mehr denn je in ihrer Geschichte. Ob es zum Regieren reicht, ist ungewiss. Und mindestes so stark wie die Enttäuschung über die Mehrheiten in Erfurt drücken in der Partei die Erfolge der AfD aufs Gemüt. 16 000 Wähler hat die Linke in Thüringen an die Rechtspopulisten verloren, in Brandenburg waren es 20 000. Nur die Union und in Thüringen die FDP haben noch mehr Wähler an die AfD eingebüßt.

Die Partei ist in akuter Erklärungsnot

Ganz links und fast ganz rechts, wie passt das zusammen? Das wurden die Oberlinken am Montag wieder und wieder gefragt. Die Antworten klangen so gequält wie gewunden, die Partei ist in akuter Erklärungsnot. Und sie steuert, auch das wurde deutlich, in die nächste Strategiedebatte. Sie könnte zur Zerreißprobe werden.

Wer also sind die Linkenwähler, die sich plötzlich entscheiden, eine Partei am anderen Ende des politischen Spektrums zu wählen? Die Linke versteht sich als Robin Hood der kleinen Leute, kämpft gegen die Macht der Banken und den neoliberalen Geist, fordert Offenheit für Flüchtlinge, Schwule und Lesben, mehr Staat. Bei der AfD ist es umgekehrt, sie besingt die Freiheit der Märkte und tradierte Familienbilder, macht in den Grenzregionen zu Polen Stimmung gegen den polnischen Autodieb, den Asylbewerber, den untätigen Staat.

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Eigentlich wollte die Linke in Thüringen mit Bodo Ramelow den ersten eigenen Ministerpräsidenten stellen. Rein rechnerisch könnte sie das auch. Doch der Erfolg der AfD bremst die Linke. Muss sich die Partei nun neu orientieren, oder sollte sie weiter nach der Regierung streben?

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"Tief verankerte Abneigung gegen das Establishment"

"Es ist eine eigenartige Melange", sagt Parteichefin Katja Kipping etwas gedehnt auf die Frage, was die Erfolge der Rechtspopulisten erklärt. "Ich glaube, die AfD profitiert davon, dass es eine tief verankerte Abneigung gegen das politische Establishment gibt." Und hier, bei der Unzufriedenheit der Abgehängten, bei Langzeitarbeitslosen und Enttäuschten, seien die Ursachen für die Abwanderung zur Protestpartei AfD zu suchen. Die Linke, sagt Kipping noch, müsse nun dafür sorgen, dass sie wieder stärker als "Partei der kleinen Leute" wahrgenommen werde.

Das wird wohl nicht reichen, schon gar nicht als Analyse, denn es ist nicht nur der Frust der Kleinen, der das Weltbild der Linken mit dem der AfD verbindet. Es sind auch die Ressentiments gegen das ferne Europa, vor allem aber auch gegen Fremde, die in den neuen Ländern mit dem Zuzug von Asylbewerbern wieder mehr werden - und in linken Köpfen gedeihen können wie in denen konservativer bis rechter Wähler. Die AfD fischt ganz offen in diesem trüben Teich, etwa in der Grenzregion zu Polen, wo sie die Grenzkriminalität thematisierte oder wo AfD-Chef Bernd Lucke die innere Sicherheit in der DDR lobte, um die alten SED-Genossen zu locken.

Die Botschaft lautet: Die anderen sind schuld

Die Linke tut sich schwer mit dem Thema, bisher wird eher angestrengt drumherum geschwiemelt. Dass ausgerechnet die Nachfolger der antifaschistischen SED, die Partei junger Nazigegner und Streiterin für Pluralismus, ein Problem mit Fremdenfeindlichkeit haben könnte, tut weh. "Dass wir eine Gemeinsamkeit mit der AfD hätten, ist ein Irrtum", sagt Bernd Riexinger. Doch, ja, schiebt er noch nach, es gebe Ressentiments gegen Flüchtlinge, "die die AfD aufgreift und dabei so tut als wäre das das Bedürfnis der Bevölkerung".

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Die anderen sind schuld, lautet die Botschaft. Das wiederum rückt Katja Kipping zurecht, die in Dresden alle Jahre wieder gegen NPD-Aufmärsche demonstriert und vom Kleinreden nichts hält. "Es gibt in der Bevölkerung breite Ressentiments", sagt sie, die dürfe die Linke "nicht bedienen".

Der Linken steht eine muntere Debatte ins Haus. Die Reformer an der Parteispitze dürften alle Mühe haben zu erklären, wie man Protestwähler zurückholt, gleichzeitig aber deutlich macht, dass regieren toll ist - auch wenn das Beispiel Brandenburg gezeigt hat, dass die Linke regelmäßig unter die Räder kommt, wenn sie als Juniorpartner mitregiert. Katja Kipping hat schon ein Wort für das, was jetzt kommt: "ein Spagat". Es könnte eine Verrenkung werden.

© SZ vom 16.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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