Wählerwanderung in Thüringen und Brandenburg:Dann geh ich halt zur AfD

Enttäuschung und Frust haben die Wähler zur Alternative für Deutschland getrieben. Jede Partei hat an sie bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg Stimmen verloren. Besonders hart trifft es die Linken und die CDU. Ein Überblick in Zahlen.

Von Antonie Rietzschel

Erst Sachsen, dann Thüringen und Brandenburg. Die Alternative für Deutschland ist jetzt in drei Landtagen vertreten. "Die AfD lässt sich nicht einordnen", sagte Parteichef Bernd Lucke am Wahlabend. Tatsächlich profitieren die Rechtskonservativen von der Untreue der Anhänger aller Parteien. Ein Überblick.

AfD-Wähler kommen von überall her

Knapp 100 000 Stimmen hat die Partei in Thüringen geholt und damit zehn Prozent erreicht. In Brandenburg waren es sogar fast 120 000 Stimmen. Das sind zwölf Prozent - das bisher beste Ergebnis der AfD bei einer Landtagswahl. Ob CDU, Linke, Grüne, FDP oder SPD - alle haben an die AfD verloren. Damit ging die Strategie der Partei, sich nach rechts und links anzubieten, ganz klar auf. (Grafiken zur Wählerwanderung in Thüringen finden Sie hier. Und zu Brandenburg hier.)

Die Linke verliert am meisten

In Brandenburg hat die Linke dramatisch eingebüßt. Bei der diesjährigen Landtagswahl verlor sie gegenüber 2009 immerhin 8,6 Prozentpunkte. Statt 27 Prozent sie nur 18,6 Prozent. 20 000 ihrer Wähler gaben der AfD ihre Stimme. Bei der Bundestags- und Europawahl hatten beide noch gegen den Euro gewettert. Doch das Thema spielte im Landtagswahlkampf keine Rolle mehr. Die AfD bediente im Gegensatz zur Linken gezielt die existenziellen Ängste der Menschen (mehr dazu in der Analyse). Sie thematisierte das Ansteigen der Grenzkriminalität - in Brandenburg gibt es mittlerweile schon Bürgerwehren - und spielte mit zweideutigen Aussagen zur DDR-Vergangenheit. Ein Thema, mit dem man traditionell eher die Linken in Verbindung bringt.

In Thüringen verlor die Partei 16 000 Wähler an die AfD. Es sind Stimmen, die der Spitzenkandidat Bodo Ramelow trotz seines guten Abschneidens (28 Prozent) hätte brauchen können. Die SPD, sein Wunschpartner für eine Regierungskoalition mit den Grünen, hat überraschend sechs Prozentpunkte verloren. Sie kam nur auf 12,4 Prozent. Nun ist es in Thüringen zu einem Patt gekommen: Schwarz-Rot ist ebenso möglich wie Rot-Rot-Grün.

Die CDU bekommt ernsthafte Konkurrenz

"Wir sind stärkste Partei." Die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wiederholte diesen Satz in einem Interview nach der Wahl wie ein Mantra. Auf die AfD angesprochen sagte sie nur: Das sei gerade nicht das Thema der CDU. Von wegen. Natürlich hat die Partei in Brandenburg mit 23 Prozent und in Thüringen mit 33,5 Prozent gut abgeschnitten. Aber sie verlor in beiden Bundesländern jeweils 18 000 Stimmen an die Alternative für Deutschland. Schon bei der Landtagswahl in Sachsen vor zwei Wochen wanderten CDU-Wähler ab.

Die CDU hat sich lange an die Strategie des Totschweigens gehalten. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hatte in der Vergangenheit erklärt, mit denen von der AfD werde er sich noch nicht einmal in eine Talkshow setzen. Die Bundeskanzlerin ordnete persönlich an, sich im Wahlkampf stärker der Themen der AfD anzunehmen: Asyl, Migration, Familie und innerer Sicherheit. Doch rechts der Union hat sich endgültig eine Konkurrenz etabliert.

Die FDP muss sich neu sortieren

Als Sargnagel der Liberalen wird die AfD schon lange bezeichnet, weil sie ebenfalls Wirtschaftsthemen besetzt und unter den klassischen FDP-Wählern durchaus Euro-Kritiker zu finden sind. Bereits zur Bundestagswahl hat die AfD der FDP Wähler abspenstig gemacht. Der Trend hat sich vor zwei Wochen in Sachsen und jetzt auch in Thüringen und Brandenburg fortgesetzt. 17 000 Wähler, fast genauso viele wie von der CDU, wechselten in Brandenburg zur AfD. Die Partei kam lediglich auf 1,5 Prozent. In Thüringen waren es 11 000, hier erreichte die FDP 2,5 Prozent. In beiden Bundesländern sind die Liberalen damit nicht mehr in den Landtagen vertreten. (Die FDP schafft es nicht, ein modernes Bild der Freiheit zu entwerfen - eine Analyse)

Die AfD konnte Nichtwähler mobilisieren

Die AfD hat aus dem Kreis der Nichtwähler am stärksten dazugewonnen: In beiden Bundesländern waren es jeweils 12 000. Das passt zu einer Partei, die vor allem von den Enttäuschten gewählt wird. Mehr als die Hälfte der AfD-Wähler in Thüringen und Brandenburg gaben ihr ihre Stimme aus Frust über die Politik der anderen Parteien. Die meisten erhoffen sich, dass die neue Partei die Politiklandschaft aufmischt.

Mitarbeit: Sabrina Ebitsch

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