CDU-Parteitag in Karlsruhe:Seehofer schafft es nicht

Horst Seehofer beim CDU-Parteitag

Horst Seehofer bei seiner Rede in Karlsruhe - im Hintergrund das Videobild von Angela Merkel

(Foto: AFP)

Zwei, drei Versöhnungsgesten haben nicht gereicht. Merkel ist noch immer sauer auf CSU-Chef Seehofer. Und lässt ihn den Groll deutlich spüren.

Von Thorsten Denkler, Karlsruhe

Seehofer hätte gerne dieses Bild. Er mit der Kanzlerin. Und gemeinsam winken sie in die CDU-Parteitagshalle. Aber Merkel kommt nicht. Der Schlussapplaus schwillt schon gefährlich ab. Seehofer steht neben dem Rednerpult, winkt, wartet. Er dreht sich um zu ihr. Angela Merkel sitzt auf ihrem Platz. Sie macht Handzeichen, er möge bitte zurückkommen. Er macht Handzeichen, sie möge doch bitte, bitte vorkommen. Sie bleibt sitzen.

Erst als Julia Klöckner aufsteht und dann noch Reiner Haseloff. Und Guido Wolf bereits neben Seehofer auf der Bühne steht, glückselig lächelnd, da macht auch Merkel sich auf noch vorne. Jetzt, da ihre drei Wahlkämpfer aus Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sich Seehofer erbarmen. Ein Gruppenbild mit CSU-Chef, das geht gerade noch.

Merkel ist sauer. Vor ein paar Wochen war sie selbst Gast auf dem CSU-Parteitag in München. Sie redete über Flüchtlinge. Seehofer hatte gehofft, sie würde irgendetwas Zustimmendes zu Begrenzungen oder gar Obergrenzen sagen. Das tat sie nicht. Nach ihrer Rede trat er noch mal ans Pult, und redete auf sie ein wie auf ein Schulmädchen, das partout nicht kapieren will, dass eins plus eins nun mal zwei ergibt. Den Blumenstrauß gab sie hernach so schnell wieder an einen Mitarbeiter ab, als hätten Dornen ihre Hände zerstochen.

"Das ist für meine Verhältnisse ein sehr freundlicher Empfang"

Jetzt also sein Gegenbesuch auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe. Schon die Ankunft in der Halle ist schwierig. Tagungspräsident Thomas Strobl kündigt Seehofer an wie den Unterbezirkschef einer Spartengewerkschaft. Der Applaus mau bis desinteressiert. Seehofer begrüßt auf der Bühne jeden mit Handschlag. Manche stehen auf dafür. Die meisten bleiben sitzen. Jetzt setzt auch er sich neben Merkel. Es ist still im Saal. Minutenlang. Bis Strobl ihm das Wort gibt.

Er geht ans Pult. "Das ist für meine Verhältnisse ein sehr freundlicher Empfang." Ein paar Lacher. Er versucht es mit Lob. Er habe gerade den Pressespiegel zum Parteitag in die Hand bekommen. "Das war ein Pressespiegel, wir er mir in meiner ganzen Karriere noch nie vergönnt war", sagt er. Er gratuliere zum Ablauf des Parteitages. Etwas mehr Applaus.

Okay, das läuft so heute nicht. Seehofer will auch gar nicht länger um den heißen Brei herumreden. Aber er will auch keine Konfrontation mehr. CDU und CSU hätten gemeinsame Grundüberzeugungen. So lese er auch die beiden Leitanträge zur Flüchtlingsfrage, die CSU und CDU beschlossen hätten. Die Menschen würden erwarten, dass CDU und CSU die Probleme gemeinsam lösen.

Drei Punkte hebt Seehofer hervor. Bayern hilft, Deutschland hilft. Er stellt das nicht in Frage. Die Beschlüsse von CDU und CSU seien da auf einer Linie. Haken dran. Integration muss sein, ist wichtig, wird kommen. CDU und CSU einig. Haken dran.

Dann der dritte Punkt - ohne Haken

Dann der dritte Punkt, der ohne Haken dran. Der mit den Obergrenzen für den Zuzug von Flüchtlingen. Der "ist jetzt nicht ganz so einfach wie eins und zwei", sagt Seehofer. Aber er will hier keine Türen zuschlagen. Es sei seine "tiefe, tiefe Überzeugung", dass die Flüchtlingspolitik nicht "ohne eine Begrenzung oder Reduzierung oder Rückführung - wir favorisieren die Begrenzung - klug und menschenwürdig zu lösen ist".

Um Missverständnissen vorzubeugen: "Ich gebe gar nichts auf. Das erwarte ich nicht von Ihnen und ihr nicht von mir." Aber ob das jetzt Kontingente oder Obergrenze oder sonst wie heißt, "da können wir jetzt Sprachwissenschaftler einsetzen, die uns genau den Unterschied erläutern". Für Seehofer steht fest: Die Bevölkerung interessiere am Ende allein, ob es gelinge, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. "Denn politisch abgerechnet wird am Ende über die Zahl von Flüchtlingen."

Das ist zugleich ein Entgegenkommen als auch wieder ein Schlag gegen Merkel. Die hatte im Leitantrag der CDU jedes Wort abgelehnt, in dem Grenze in irgendeinem Zusammenhang auftaucht. Der Kompromiss lautet jetzt, die Zahl der Flüchtlinge zu "verringern".

"Es gibt kein Land auf dieser Erde, das unbegrenzt Flüchtlinge aufnimmt"

Seehofer macht klar, dass er das für ziemlich daneben hält: "Es gibt kein Land auf dieser Erde, das unbegrenzt Flüchtlinge aufnimmt. Und auch die Bundesrepublik Deutschland würde das auf Dauer nicht schaffen." Merkel klatscht nicht.

Noch mehr dürfte sie nerven, dass Seehofer sie über Umwege auch noch verantwortlich macht für das Erstarken der rechtpopulistischen AfD. Rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, sagte er. Dafür kämpfe er. Merkel jetzt nicht unbedingt. Die fühlt sich mit ihrer Links-der-Mitte-CDU ganz wohl. Und wenn es die AfD im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg in die Parlamente schafft, könnten die CDU-Kandidaten sogar Ministerpräsidenten werden.

Seehofer sendet keine Botschaften, die Merkel milde stimmen konnten. Von ihr kommt kein öffentliches Wort zu seinem Gastbeitrag. Nicht vor der Rede, nicht nach der Rede. Als Seehofer wieder neben ihr sitzt, ganz links auf der Bühne, steht sie auf, geht ins Plenum, begrüßt Parteitagsgäste. Geht nach ganz rechts, schüttelt der CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die Hand. Geht zurück nach rechts, tauscht hier ein Wort, da ein Wort. Nur nicht zu lang neben Seehofer sitzen müssen. So sieht das aus. Seehofer hat es überzogen auf dem CSU-Parteitag. Und hat in Karlsruhe nicht wieder glattbügeln können. Das hat sie ihn hier deutlich spüren lassen.

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