Anschlag auf Boston-Marathon:Justizministerin lehnt schärfere Sicherheitsgesetze ab

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Mehr Videoüberwachung in Deutschland? Bundesverfassungsgerichtspräsident Voßkuhle mahnt nach dem Anschlag von Boston zur Besonnenheit. Auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lehnt schärfere Sicherheitsgesetze ab.

Noch ist nicht genau klar, wie die Ermittler auf die Spur der mutmaßlichen Attentätern gekommen sind. Kaum strittig ist aber: Videoüberwachung spielte dabei eine wichtige Rolle. Am Donnerstagabend, einen Tag vor der Schießerei am MIT und der Jagd durch Watertown veröffentlichte das FBI Bilder von den beiden Verdächtigen Brüdern Zarnajew, die von Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts aufgezeichnet worden waren.

Die Reaktion der Sicherheitsbehörden und mancher Politiker in Deutschland war entsprechend: Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes, lobte im Focus, dass Videoüberwachung "abschreckend wirken und entscheidend bei der Aufklärung von Straftaten helfen" könne. Inneminister Friedrich will nach Informationen der Welt am Sonntag sogar gleich zusätzliche Mittel für den Bundeshaushalt beantragen. Der Bild am Sonntag sagte der CSU-Politiker: "Die Ereignisse in Boston zeigen erneut, wie wichtig die Überwachung des öffentlichen Raums durch Videokameras für die Aufklärung schwerster Straftaten ist".

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger weist die Forderungen nun allerdings scharf zurück - und erhält Unterstützung von Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle und dem Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar.

"Der fürchterliche Anschlag von Boston sollte nicht für eine innenpolitische Debatte instrumentalisiert werden", so Deutschland verfüge über ausreichende Sicherheitsgesetze, das breite und differenzierte Instrumentarium solle man "nicht kleinreden", so die FDP-Politikerin zur Welt am Sonntag.

Auch Voßkuhle warnte vor überzogenen Reaktionen: "Dass nach einem Ereignis wie in Boston sofort Forderungen formuliert werden, ist Teil des politischen Geschehens", sagte er der Welt am Sonntag. "Bei der konkreten Umsetzung sollte dann aber wieder Besonnenheit einkehren." Deutschland habe die Herausforderung nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 insgesamt überzeugend bewältigt, betonte Voßkuhle. Jedenfalls sei dies "weniger hysterisch als in manchen anderen Ländern" geschehen. Auch seien die Bürger erstaunlich gelassen geblieben.

Datenschützer Schaar, wies im Bayerischen Rundfunk Friedrichs Vorschläge. "Ich warne vor solchen reflexhaften Forderungen." Es komme auf die Verhältnismäßigkeit der Sicherheitsmaßnahmen an. Außerdem dürfe der Wert von Video-Aufzeichnungen auch nicht überschätzt werden.

Laut Spiegel hat das Bundesamt für Verfassungsschutz seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 insgesamt 962 Personen aus dem islamistischen Milieu per Video überwacht. Derzeit spähe das Amt 20 mutmaßliche Islamisten, aber auch Rechtsextremisten mittels Kamera-Equipment aus, schreibt das Magazin unter Berufung auf eine Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Das Bundeskriminalamt (BKA) ließ demnach in den vergangenen zwölf Jahren 84 Personen per Video überwachen, um terroristische Straftaten zu verhindern oder aufzudecken. Derzeit laufen laut BKA drei Videomaßnahmen.

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