Rituale:Asche auf CSU-Häupter

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Die Geretsrieder Christsozialen verknüpfen Gottesdienst und Wahlkampfreden. Derweil hoffen die Grünen in Schäftlarn auf einen Bürgermeister aus den eigenen Reihen.

Thekla Krausseneck und Ingrid Hügenell

Street Food: Frittierfett lässt sich nicht nur zum Braten, sondern auch als Straßenbelag verwenden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ewald Kailberth kommt als einer der Ersten in den Ratsstuben-Saal - frisch vom Amen in der Kirche, im Magen eine Hostie, auf der Stirn einen schwarzen Aschefleck, den man mit Fantasie als Kreuz identifiziert. Eine halbe Stunde später, der Saal hat sich mit rund 40 aschebestäubten Gästen zur Hälfte gefüllt, bedankt Kailberth sich bei allen, die den Gottesdienst mitgefeiert haben, "auf dem wir Asche auf unser Haupt gestreut bekommen haben". Das gehört seit 2012 zum Politischen Aschermittwoch der CSU dazu: Nach seiner Wahl zum CSU-Ortschef 2011 hat Kailberth das eingeführt - schließlich habe das Christentum "die westliche Welt im gleichen Maße geprägt wie der Islam den Nahen Osten". Es gehöre nach seiner Auffassung einfach dazu, dass der Aschermittwoch mit einem Gottesdienst begangen werde - das sei "kein CSU-Ding".

Nach einer Flaute verzeichne der Aschermittwoch seiner Partei wieder mehr Besucher, sagt Kailberth. Geschadet hat es also offenbar nicht, dass er ihn auch auf anderer Ebene verändert hat: Bundesprominenz wie Ilse Aigner oder Lothar Späth werde bewusst nicht mehr eingeladen, er habe die große weite Welt wieder "auf die Lokalpolitik heruntergebrochen". Trotzdem sei es "fantastisch", jemanden wie Alexander Radwan zu haben, der "wirklich alle Parlamente kennt" und deshalb auch fundiert referieren könne. Doch bevor der Bundestagskandidat zu Wort kommt, stellt Michael Müller sein Wahlprogramm vor. Der designierte Bürgermeisterkandidat der CSU soll auf der Jahreshauptversammlung am 13. März nominiert werden. Als der erste Kabeljau auf den Tisch gestellt wird und es zunehmend nach Fisch riecht, spricht Müller vom Ausbau der Volkshochschule, von der Sportförderung in Kindergärten und einer dringend notwendigen Sanierung von Sportstätten wie dem Isarau- und dem Eisstadion, das für Geretsried ein "wichtiger Eckpfeiler der Identifikation"sei. Zu Geretsried als Sportstadt stehe er, das habe er bei der Gelegenheit "mal ganz deutlich sagen" wollen. Alle lauschen ernst, nur Stadtrat Evangelos Karassakalidis lächelt still vor sich hin.

Alexander Radwan will für die CSU in den Bundestag. (Foto: Hartmut Pöstges)

Als Radwan ans Rednerpult tritt, kämpfen die meisten schon mit Gräten, die Aufmerksamkeitsspanne hat merklich abgenommen. Der CSU-Kandidat für die Bundestagswahl 2013 eröffnet seine Rede mit einem Ausflug in die EU: "Wir haben jetzt seit 50 Jahren den Elysée-Vertrag", sagt er über den anhaltenden Frieden in Europa. Und fügt fast anklagend hinzu: "Aber wir haben auch einen David Cameron" - den englischen Premierminister, der sein Volk demokratisch darüber entscheiden lassen will, ob das Vereinigte Königreich in der EU bleiben soll oder nicht. Radwan erinnert daran, dass Rot-Grün einem Beitritt Griechenlands zur EU zugestimmt habe, die CSU aber dagegen gewesen sei. Über den Euro geht es zur Lokalpolitik: Radwan fordert eine europäische Bankenaufsicht, allerdings nicht auf regionaler Ebene - sonst könnte bald "eine Bank in London mit einem portugiesischen Sachbearbeiter die Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen" kontrollieren. Kailberth wünscht ihm, dass er es nach Berlin schafft: "Egal, auf welchem Flughafen du auch landest - Hauptsache, man landet überhaupt in Berlin."

Fragen zum Jochberg

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund (MdL) führt Zaubertricks vor. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein grüner Bürgermeister in Schäftlarn und 20 Prozent der Stimmen für grüne Gemeinderäte: So stellen sich die Nachbarn aus dem Grünen-Kreisverband München-Land das Ergebnis der Kommunalwahl 2014 vor. Mit diesem Wunsch endete der Politische Aschermittwoch im Gasthof Schlee in Schäftlarn. Das Spektrum der Themen, die dort diskutiert wurden, reichte von Asyl bis Energiewende.

"Das lässt uns zunächst erstarren", sagte Klaus Koch, Dritter Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen, über das geplante Pumpspeicherkraftwerk am Jochberg. Er müsse erst seine Gedanken ordnen, bevor er eine klare Position äußern könne. Die Fragen seien: "Passt das da hin? Sind Dimension und Kapazität so, dass es als Speicher für regenerative Energien funktioniert?" Die Grünen-Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund aus Pullach sagte: "Ich bin auch aus allen Wolken gefallen." Es gebe mögliche und indiskutable Standorte für Pumpspeicherwerke. "Auf den ersten Blick gehört der Jochberg zu den indiskutablen." Es müsse ein Standorte-Kataster angelegt werden, die Staatsregierung verweigere dies aber bislang.

Der Bundestagsabgeordnete Toni Hofreiter spannte einen weiten Bogen über bundespolitisch relevante Themen. Zur Bankenkrise sagte er, sie gefährde das "erfolgreiche Friedens- und Wohlstandsprojekt Europäische Union", und kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung. "Die Armut kehrt nach Europa zurück. Deutschland hat hier eine sehr unrühmliche Rolle gespielt." In der Diskussion um erneuerbare Energien vergesse man, warum diese notwendig seien: Weil die zur Neige gehenden fossilen Energien das klimaschädliche Kohlendioxid freisetzten und die Kernenergie ganz andere Gefahren berge als etwa Windräder. Hofreiter wies auf größere Zusammenhänge hin, etwa darauf, wie sich der Bau des teuren und "komplett unsinnigen" Projekts Stuttgart 21 negativ auf die Energiewende auswirke. Da man dafür 110 Milliarden Euro ausgeben müsse, fehle das Geld für den Ausbau der Bahn, der es ermöglichen würde, Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlegen.

Der Schäftlarner Grünen-Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat Christian Lankes sagte, die Energiewende werde nicht in Berlin entschieden und umgesetzt, sondern lokal und regional. Mit dem Projekt Umfahrung, das in Schäftlarn diskutiert wird, "kommt eine ganze Menge Arbeit auf uns zu". Zum Bau der Kinderkrippe sagte er: "Die Zuschüsse sind uns abhanden gekommen, weil wir spät dran waren." Die Schuld daran schob er Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (CSU) zu, erwähnte aber nicht, dass auch die Grünen im Gemeinderat beim Thema Krippenbau lange eher zögerlich agierten.

© SZ vom 15.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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