In der Garage:Der Schwiegermutter aufgelauert

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Eine 46-jährige Frau aus Penzberg muss sich vor dem Landgericht in München verantworten, weil sie einer 74-Jährigen ein Messer in die Brust gestoßen hat. Sie wollte ihre Kinder nicht verlieren.

Von Andreas Salch, Penzberg/München

Die Nachricht, die die Welt von Angelika M. einstürzen ließ, kam per WhatsApp. Am frühen Nachmittag des 21. Juni vergangenen Jahres teilte ihr ihr Mann mit, dass er nun das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder habe und sie Unterhalt zahlen müsse. Als die 46-Jährige die Nachricht erhielt, war sie bei ihrem neuen Lebensgefährten in Garmisch-Partenkirchen.

"Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe", sagt die Angeklagte

Angelika M. sagte zu ihrem Partner, sie müsse etwas erledigen, setzte sich auf ihr Rad und fuhr nach Penzberg. Dort soll sie versucht haben ihre Schwiegermutter mit einem Messer zu ermorden, da sie ihr die Kinder genommen habe. Seit diesem Dienstag muss sich Angelika M. vor der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten. Zum Auftakt der Verhandlung legte sie ein Geständnis ab und sagte unter anderem: "Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe."

Eigentlich hat es in der Ehe der 46-Jährigen und ihrem Mann an nichts gefehlt. Er hatte einen sehr guten Job. Sie konnte sich Zeit nehmen für die Kinder. Doch irgendwann sei "Stress in die Beziehung" gekommen, so Angelika M. "Wir haben viel gestritten." Ihr Mann habe Probleme bei der Arbeit gehabt, sei schlecht gelaunt gewesen. "Er hat alles mit heimgetragen, und ich war der Sündenbock." Es sei soweit gekommen, dass sich "jeder in seine Richtung entwickelt" habe. Wegen der Kinder aber habe man die Ehe aufrechterhalten wollen. Beide suchten eine neue Wohnung und zogen bei der Schwiegermutter von Angelika M. ein. Ihr Verhältnis zu der 74-Jährigen sei gut gewesen. Aber ihr Mann und sie hätten "mehr oder weniger nebeneinanderher gelebt." Sie hatte mit der Ehe abgeschlossen, so die Angeklagte. Im Frühjahr 2015 zog sie mit den beiden Kindern aus. Inzwischen hatte sie einen neuen Partner.

Mit der neuen Situation sei sie nicht zurecht gekommen, räumte Angelika M. bei ihrer Vernehmung ein. Ein neuer Freund, dann noch die Kinder. "Das brachte ich nicht mehr auf die Reihe. Es war ein Riesenspagat." Hinzu kamen finanzielle Probleme. "Ich habe mich in einer Abwärtsspirale gesehen." Sie sei mit ihren Problemen nicht mehr fertig geworden, habe nach Griechenland gewollt. Dass sie somit das Sorgerecht für die Kinder verliere und Unterhalt bezahlen müsse, sei ihr anfangs nicht bewusst gewesen, sagte die Frau. Sie sei hin- und hergerissen gewesen und habe sich gefragt, ob es die Kinder beim Vater und der Oma nicht besser haben.

An Ostern vorigen Jahres brachte sie die beiden schließlich zu ihrer Schwiegermutter und ihrem Mann nach Penzberg. Als sie am frühen Nachmittag des 21. Juni dessen WhatsApp-Nachricht bekommen habe, habe sie sich gedacht: "Jetzt verliere ich alles". Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereits von ihrem Ersparten gelebt. Bei dem Gedanken jetzt auch noch Unterhalt zahlen zu müssen, habe sie sich "als Obdachlose unter einer Brücke gesehen. Das war's,ich bring' mich um", habe sie sich gedacht, so die 46-Jährige.

Sie hat ihr Testament geschrieben und wollte sich von den Kindern verabschieden

Sie sei nach Hause gefahren, habe ihr Testament geschrieben und sei dann mit dem Rad nach Penzberg gefahren. "Ich wollte mich einfach von den Kindern verabschieden", versicherte Angelika M. dem vorsitzenden Richter Thomas Bott. Außer ihrem Handy hatte sie noch ein Messer mit einer rund zehn Zentimeter langen Klinge dabei. Früher habe sie damit für ihre Kinder Pfeile und Bogen geschnitzt, erklärte die Frau. Am späten Nachmittag kam Angelika M. in Penzberg an.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft hielt sie sich "im Halbdunkel" der Garage auf dem Anwesen ihrer Schwiegermutter verborgen. Es war gegen 16.20 Uhr, als die 74-Jährige mit ihren Enkelkindern kam. Sie ließ sie aussteigen und fuhr das Auto in die Garage. Dort riss Angelika M. unvermittelt die Fahrertüre auf stach ihrer Schwiegermutter mit ihrem Messer in die linke Brust. Gleichzeitig soll sie ihr Vorhaltungen gemacht haben, sie habe ihr die Kinder genommen. Dies jedoch bestritt Angelika M. "Wo sind die Kinder, dann bin ich weg", habe sie unter anderem zu ihrer Schwiegermutter gesagt. Die 74-Jährige begann bereits das Bewusstsein zu verlieren. Sie drückte auf die Hupe, um so auf sich aufmerksam zu machen. Angelika M. soll daraufhin zu ihr gesagt haben: "Sei stad, weil sonst stech' ich noch mal zu."Dann schloss sie das Garagentor, ging ins Haus zu den Kindern, die von allem nichts mitbekommen hatten. Anschießend habe sie mit ihnen gespielt, sie "umarmt und geküsst" und sich verabschiedet. Danach fuhr sie zurück nach Garmisch-Partenkirchen. Warum sie sich doch nicht das Leben genommen hat, konnte die 46-Jährige dem Gericht nicht erklären. Als sie zu Hause ankam, sagte ihr Freund zu ihr, dass die Polizei nach ihr suche. Kurz darauf stellte sie sich. Ein Urteil in dem Prozess soll in der kommenden Woche verkündet werden.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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