Icking:Syrischer Flüchtling meißelt Kunstwerk für neue Heimatgemeinde

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Aus Dankbarkeit schenkt Steinmetz Firass Abdulrahman die Skulptur der Gemeinde Icking. Die Werkzeuge hat ihm der Neufahrner Bildhauer Leonard Lorenz besorgt.

Von Claudia Koestler, Icking

Es ist ein Präsent mit außergewöhnlichem Hintergrund: Die Isartalgemeinde Icking erhält ein Kunstwerk aus Marmor, handgefertigt und nicht, wie man es vermuten könnte, von einer Partnerkommune oder der Regierung verliehen. Gestaltet und geschenkt wurde es von Firass Abdulrahman, der mit dem Werk seine Dankbarkeit gegenüber der Gemeinde zeigen möchte.

Der Steinmetz Abdulrahman ist Syrer und Flüchtling. Vor nicht ganz eineinhalb Jahren floh er gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Frau und zwei Kindern vor Krieg und Zerstörung in seiner Heimatstadt Aleppo über den Jemen, die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Er mag deshalb selbst nicht viel besitzen, das er teilen kann. Trotzdem will der 29-jährige Familienvater etwas zurückgeben an die Gemeinde und jene Menschen, bei denen er und seine Familie Aufnahme fand.

Firass Abdulrahman aus Aleppo hat in Icking Aufnahme gefunden. Aus Dank schenkt der Steinmetz der Gemeinde nun ein Werk. (Foto: Manfred Neubauer)

Katharina von Zitzewitz, die als Flüchtlingshelferin die Patenschaft für die Familie Abdulrahman übernommen hatte, ruft in Erinnerung, wie es überhaupt zu dieser außergewöhnlichen Geste kommen konnte. Etwa drei Monate nach der Ankunft der Familie Abdulrahman stellte Laura Leismüller aus dem Ickinger Helferkreis den Kontakt zu Leonard Lorenz her, einem Bildhauer und Maler aus Neufahrn bei Schäftlarn. Der österreichische Künstler bot dem syrischen Steinmetz an, in seinem Neufahrner Atelier Materialien und Formen auszuprobieren. "Ich wollte meinen Beitrag leisten und die Flüchtlingshelfer unterstützen", begründet Lorenz. Und er bemerkte: "Abdulrahman kann was, absolut!"

Der Syrer gestaltete in dem Neufahrner Atelier verschiedene Skulpturen und Zeichnungen, insbesondere arbeitete er daran, figürliche Darstellungen neu zu erlernen, denn diese hatte Abdulrahman in seinem Heimatland nicht fertigen dürfen. Überzeugt vom handwerklichen Können des Syrers überlegte Lorenz, wie er seinem Schützling helfen könne, wieder im Beruf Fuß zu fassen. Durch Gespräche im Freundeskreis konnte Lorenz einen großzügigen Spender finden, der sich dazu bereit erklärte, die erforderlichen mehr als 1000 Euro zur Anschaffung von Maschinen und Handwerkzeuge für Steinmetzarbeiten bereit zu stellen.

Lorenz selbst arbeitet vorwiegend in Holz und Bronze, "für Stein benötigt man ganz andere Werkzeuge", weiß er. Der Neufahrner recherchierte und fuhr schließlich nach Tirol und München, um die Geräte möglichst günstig einkaufen zu können. Kurz vor Weihnachten übergab er sie einem überglücklichen Abdulrahman als Geschenk.

Noch aber fehlte der entsprechende Stein für die erste Steinmetzarbeit in der neuen Heimat. Lorenz gewann einen Steinmetz aus Starnberg, der bereit war, dem Syrer einen großen portugiesischen Marmorblock zu einem fairen Preis zu verkaufen. Nach Weihnachten konnten Lorenz und Abdulrahman den Marmorblock, der inzwischen zu drei großen Steinen geschnitten war, per Anhänger abholen und nach Icking bringen. Die Kosten für den Stein hatte der Syrer persönlich übernommen. Von da an stand Abdulrahman nichts mehr im Wege, die erste Arbeit zu gestalten. "Man sieht, dass es ein Mosaik aus kleinen und großen Hilfeleistungen war und ist", durch welche Abdulrahman die Aufnahme seiner Tätigkeit überhaupt ermöglicht wurde, sagt Zitzewitz. Für sie ist genau das "die eigentliche Integrationsleistung."

Nun, da das Kunstwerk an die Gemeinde übergeben ist, bleibt es sichtbares Zeichen des Dankes, sicher mit großer Strahlkraft über die Kommune hinaus. Doch es ist auch ein sichtbares Zeichen für einen Traum, der noch nicht erfüllt ist: Lorenz ist gerade auf der Suche nach einem Arbeitsplatz für den syrischen Steinmetz. Es werde, glaubt er, nicht einfach werden, einen Betrieb zu finden, in dem er seine steinbildhauerischen Fähigkeiten voll einbringen kann und nicht nur Massenware herstellen soll. "Wir werden alles daran setzen, dass der Traum gelingt und er weiter künstlerisch tätig sein kann", verspricht Lorenz. Denn: "Die Chance hat er verdient. Was er kann, können nicht viele."

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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