Pullach:Streit um BND-Grundstücke: Erbe scheitert mit Klage

BND Gelände in Pullach, 2006

Das BND-Gelände aus der Luft: Um einen Teil des Geländes ging es jetzt vor Gericht.

(Foto: lks)
  • Der Erbe einer ehemaligen Besitzerin des Grundstücks, auf dem heute teilweise die bisherige BND-Zentrale steht, ist mit einer Klage vor Gericht gescheitert.
  • Er wollte den Verkauf während der NS-Zeit anfechten, dieser sei unter Zwang und unter Wert geschehen.
  • Das Münchner Landgericht argumentierte, dass die Bundesrepublik seit 1961 im Grundbuch eingetragen sei - damit sei die Frist für einen Widerspruch bereits seit Jahrzehnten abgelaufen.

Von Katja Riedel

Karl Nikolaus Köhler hat viel Kraft in sein Projekt gesteckt, viele Nerven und auch viel Geld. Mit einer Zivilklage vor dem Münchner Landgericht wollte der ehemalige Hotelier aus Pullach gerichtlich klären lassen, ob seiner längst verstorbenen Erbtante Margarethe Pauckner vor und nach der NS-Zeit Unrecht angetan worden ist - und ist damit nun zunächst gescheitert. Köhler glaubt, dass Pauckner nur unter Zwang und weit unter Wert eine Fläche von sieben Fußballfeldern an den Sekretär des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, Martin Bormann, verkauft hat - dies wollte Köhler per Gerichtsbeschluss rückgängig machen.

Bei dem Stück Land handelt es sich um einen Teil des Geländes der bisherigen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND). Jetzt hat das Landgericht München im Januar in erster Instanz ein Urteil gesprochen, das der SZ vorliegt. Der Name der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, seit 2010 Eigentümerin des Geländes, soll demnach weiter im Grundbuch zu lesen sein, nicht der des Alleinerben Köhler und seiner Nachkommen.

Köhler will das nicht hinnehmen, er hat nun seine Anwälte gebeten, in Berufung zu gehen. Er will, dass sich das Oberlandesgericht nicht nur mit der heiklen Rechtsfrage befassen soll, wem das Land heute gehört. Es soll, wenn es nach Köhler und seinen Beratern geht, auch die Geschichte aufarbeiten, die zu dem Rechtsstreit geführt hat. Das Landgericht hatte sich in seiner kargen, gerade einmal fünf Seiten umfassenden Begründung nicht mit den Geschehnissen in den Dreißigerjahren oder nach dem Krieg auseinandergesetzt, an denen Köhler Anstoß nimmt. Es widmete sich allein der Frage, ob sich die Bundesrepublik das Land durch den Faktor Zeit angeeignet hat. "Ersessen" heißt das in Juristendeutsch.

Das Areal hat eine bewegte Geschichte: Ende der Dreißigerjahre errichtete Bormann dort erst eine NS-Mustersiedlung, die "Reichssiedlung Rudolf Heß", weshalb vier weitere Familien Land verkaufen mussten. Nach dem Krieg ließen sich auf dem weiträumigen Gelände zunächst die Amerikaner nieder, dann die "Operation Gehlen", aus der der heutige BND hervorging. Die Wiesen verschwanden hinter hohen Mauern, sie wurden zu einer Zentrale der Geheimnisse und ihrer Geheimnisträger.

Seit bekannt wurde, dass der Bundesnachrichtendienst große Teile des Geländes verlassen und nach Berlin umziehen wird, werfen immer mehr Menschen einen Blick auf die Wiesen, darunter auch Investoren. Was dort einmal entstehen soll, darüber hat die Gemeinde Pullach immer wieder beraten, entschieden ist aber nichts. Bislang darf dort niemand bauen. In der Zukunft könnte das Gelände jedoch enorm an Wert gewinnen. Köhler hat immer wieder beteuert, dass es ihm nicht ums Geld gehe - dass der Staat mit dem Gelände Gewinn machen könnte, empfindet er jedoch als Unrecht.

Bis heute fragt sich nicht nur Köhler, warum nach dem Zweiten Weltkrieg in der neuen Bundesrepublik und im Freistaat niemand die Frage gestellt hat, ob bei dem Verkauf an einen der hochrangigsten Vertreter des NS-Unrechtsstaats alles mit rechten Dingen zugegangen war. Köhler und dessen Anwälte haben historische Dokumente aus Archiven zutage befördert. Sie zeigen, dass in der Pullacher Gemeindeverwaltung nach Kriegsende, aber auch im Kanzleramt und beim BND die fragwürdigen Umstände der Verkäufe und die strittigen Eigentumsverhältnisse durchaus bekannt waren. Von all dem erfuhr Margarethe Pauckner nichts, die sich bei unterschiedlichen staatlichen Stellen vergebens um eine Rückgabe ihrer Grundstücke oder eine Entschädigung bemüht hatte. In ihrer Klageschrift argumentierten Köhlers Anwälte, die Bundesrepublik sei "Profiteurin des Nazi-Unrechts" geworden.

Das Münchner Landgericht sieht dies anders. Die Bundesrepublik sei seit 1961 im Grundbuch eingetragen - selbst wer ein Grundstück unrechtmäßig besitze, könne nach 30 Jahren das Eigentum erlangen. "Ein Widerspruch war nicht eingetragen. Die Voraussetzungen der Ersitzung sind somit erfüllt. Auf eine Gutgläubigkeit kommt es hier nicht an", heißt es im Urteil. Weil Margarethe Pauckner sich von zahlreichen Behörden hatte abweisen lassen, ohne sich einen Anwalt zu nehmen und wie ihr Nachfahre vor Gericht zu ziehen, hat Köhler nach Ansicht des Gerichts keinen Erfolg mit seiner Klage. Keine Behörde der Bundesrepublik habe Pauckner daran gehindert, ihre Ansprüche zu verfolgen. "Soweit sich der Kläger auf behördliche Fehlauskünfte beruft, sichten sich diese Vorwürfe gegen Behörden des Freistaats Bayern". Das Verhalten dieser Behörden könne der Bundesrepublik aber "nicht zugerechnet" werden.

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