Platzmangel:In Haidhausen fehlt es an Turnhallen

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In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Vereinssportler in der Stadt von 425 000 auf 575 000 erhöht. (Foto: Johannes Simon)
  • 2000 Wohnungen entstehen in Haidhausen, die Stadt rechnet mit 4000 Zuzüglern. Die Zahl der zusätzlichen Freiflächen für Sportvereine wie den TSV München Ost beträgt derzeit jedoch null.
  • Die einzige Dreifachturnhalle ist zu 108,55 Prozent ausgelastet, meldet das Münchner Sportreferat.
  • Die Vereine haben lange Wartelisten und müssen teilweise sogar Mannschaften abmelden, weil der Platz nicht ausreicht.

Von Heiner Effern

Ein Wunder, zumindest aber eine mathematische Revolution wird aus Haidhausen berichtet. Die einzige Dreifachturnhalle im Viertel sei zu 108,55 Prozent ausgelastet, meldet das Sportreferat in einer Vorlage für den Stadtrat. Doch die Wahrheit ist: Nicht einmal die Überlistung der Mathematik reicht, um allen Sportlern in der Stadt wohnortnah genügend Platz für ihr Hobby zu bieten.

Immer mehr Menschen ziehen nach München, Aufnahmestopps in den Vereinen und eine Überbelegung wie in der Turnhalle an der Orleansstraße sind die Folge. Doch der Druck in Haidhausen wird mit den vielen neuen Wohnungen auf dem Areal der früheren Paulaner-Brauerei noch einmal gewaltig steigen. Für so manches Kind und auch so manchem Erwachsenen wird es im organisierten Sport heißen: Du musst draußen bleiben.

Am Bezirk Au-Haidhausen zeigt sich gerade exemplarisch, welche Herausforderungen die Stadtgesellschaft angesichts der zunehmenden Verdichtung in der Innenstadt künftig zu bewältigen hat. Der Kampf um jede freie Fläche und die damit verbundene Preisexplosion führen dazu, dass weiche Faktoren wie der Sport ins Hintertreffen geraten. Etwa 2000 Wohnungen entstehen hier in nur wenigen Jahren bei nur vier Bauprojekten neu, die Stadt rechnet mit mehr als 4000 Zuzüglern.

Die Zahl der zusätzlichen Freiflächen für die beiden nächsten Sportvereine beträgt derzeit: null. "Da wird es zu einem Riesen-Gerangel kommen", prophezeit Uli Hesse, Vorsitzender des TSV München Ost. Sein Verein ist der einzige, der im Viertel über Fußball hinaus Sportarten anbietet. Gut 4000 Mitglieder habe der TSV momentan, sagt er, in wenigen Jahren könnten es schon 6000 sein. "Wenn es so weiter geht, weiß ich keine Lösung mehr." Hesse steht damit aber nicht allein: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Vereinssportler in der Stadt von 425 000 auf 575 000 erhöht.

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Sportreferentin Beatrix Zurek (SPD) hat auf Antrag ihrer eigenen Fraktion in Haidhausen und der Au exemplarisch untersucht, was die Stadt für die Sportler tun kann. "Neue planerische Wege" müssten eingeschlagen werden, schreibt sie in der Vorlage, die der Stadtrat am Mittwoch beraten wollte, was aus formalen Gründen aber verschoben wurde. Zum Beispiel "Stapelung von Sporthallen", deren Überbauung oder "Freisportanlagen auf Dächern". Da zusätzliche Flächen gerade in der Innensport nicht vorhanden seien, müsse die Stadt "mehr Kreativität" bei den vorhandenen zeigen.

Dazu gehört, Schulsportplätze besser zu nutzen, die städtischen Bezirkssportanlagen länger zu öffnen und bei neuen Freiflächen unkonventionell vorzugehen. Besonders ärgerlich findet Zurek, dass die Gesetze und der Schutz der Nachbarn die Stadt oft ausbremsten. Das führe dazu, dass man eine Grünfläche viel leichter ausweisen könne als einen Bolzplatz. Probleme mit Lärm oder bei der Genehmigung von Flutlichtanlagen stünden zudem einer intensiveren Nutzung schon vorhandener Schulsportflächen oft entgegen.

Auch die Fraktionen von CSU und SPD fordern "kreative Lösungen". Die sportpolitische Sprecherin der CSU, Kristina Frank, will analog zur Kultur Zwischennutzungen von brach liegenden Arealen überprüfen, die mittelfristig neu bebaut würden; fliegende Container könnten die Umkleiden ersetzen. Zudem solle die Stadt zunehmend Natur- durch Kunstrasen ersetzen, der sei in den Winter hinein länger und auch intensiver zu bespielen. Ihre Stadtratskollegin von der SPD, Kathrin Abele, fordert, dass stadtweit bei der Planung keine Sportflächen verloren gehen dürften.

Die Sportvereine im Münchner Osten sehen auf der einen Seite, dass die Stadt angesichts der vielen neuen Bewohner nicht alle Probleme lösen kann, auf der anderen Seite schon zu helfen versucht. Der TSV München Ost wird auf seine bestehende Turnhalle eine Dreifachturnhalle draufsetzen, die Stadt steuert sechs der veranschlagten zwölf Millionen Euro bei. Die Nachbarn von der SpVgg Haidhausen sollen wohl 2019 auf ihren Nebenflächen einen zweiten Kunstrasenplatz erhalten.

Doch das wird nur kurz den Druck lindern, gerade den Fußballern gehen die Flächen aus. Der TSV München Ost hat bei den Kindern eine Warteliste, die mehrere Mannschaften füllen würde. Die SpvGG 1906 Haidhausen musste im Herbst drei Mannschaften abmelden, weil ein Trainingsbetrieb mit 350 Kindern und 220 Senioren auf dem engen Gelände nicht mehr möglich war. "Wir platzen jetzt schon aus allen Nähten", sagt der Vorsitzende Giuseppe Scialdone. Dass alle Mannschaften trainieren und spielen könnten, sei bei einem Platz "eine Meisterleistung" seiner Betreuer und Mitglieder.

Auch sein Kollege Hesse vom TSV München Ost muss mit seinem Team diesen Balance-Akt hinbekommen. Doch der erwartete Zuzug im Viertel macht ihn trotz all der Bemühungen ratlos. Auch wenn die neue Halle stehe, werde es nur ein, zwei Jahre dauern, bis die Kapazitäten des Vereins wieder an ihre Grenzen stießen. Schon jetzt betreue der TSV in der Kindersportschule etwa 900 junge Mitglieder. Und die neue Halle ändere nichts an der immens knappen Freifläche, auf der auch die Leichtathleten trainieren. Sportareale herzaubern könne in der Innenstadt niemand, sagen alle Beteiligten etwas ratlos. Da helfen auch mathematische Wunder nichts.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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