München: Fußballfans demonstrieren:"1860 lebt!"

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War das jetzt ein Erfolg? Gerade einmal 250 Sechzig-Fans kamen am Samstagabend zum Marienplatz, um für den Erhalt des Profivereins zu demonstrieren. Doch immerhin hatten sie etwas zu sagen.

Christoph Leischwitz

Am Fischbrunnen steht noch ein letzter Rest an Atomkraftgegnern, die ein paar Stunden vorher am Odeonsplatz protestiert haben, argwöhnisch beobachtet von der Polizei. Immerhin, mit den Sechzig-Fans haben die Ordnungshüter keine Probleme, die stehen ganz brav an der Mariensäule und machen kaum einen Mucks. Es gibt keine Megaphone und auch nur ein einziges Transparent: "IDW S 6 1860" - so etwas wie ein Aktenzeichen für das Sanierungsprogramm. 1860 soll gerettet werden, acht Millionen Euro sind dafür nötig, damit die Mannschaft weiter in der Arena spielen kann. Eigentlich wollten sie auch noch mit Kerzen in der Hand so aufstellen, dass aus der Vogelperspektive "1860 lebt" zu lesen ist. Doch dafür sind zu wenig Kerzen da.

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Das Fanlager ist gespalten, und angesichts der mäßigen Mobilisierung könnte man nun meinen, dass eine klare Mehrheit für die Insolvenz und damit für einen Neuanfang in der Bayernliga ist. Aber ist das wirklich so?

Natürlich sind unter den 250 Sechzigern auch einige, die nicht gerettet werden wollen. Sie sind es auch, die dann doch ein wenig Lautstärke in die Veranstaltung bringen. Im Chor beschimpfen sie Uli Hoeneß, der als FC-Bayern-Präsident Teil der Allianz ist, die das nötige Geld aufbringen soll. Sie geben Interviews für die Kamerateams, die zahlreich erschienen sind. Doch dann ist da der mittelalte Herr, der sich fast schüchtern ins Bild schiebt. Er entspricht überhaupt nicht dem Klischee eines Sechzig-Fans - denn er spricht ruhig und sachlich: "Ich gehöre nicht zu der Fanszene, die sich als Kern bezeichnet. Und es werden immer nur die gehört, die am lautesten schreien." Sein Name ist Christoph Gold, er ist 51 Jahre alt und hat einst in der Jugend für 1860 gespielt.

Gold glaubt, es handele sich bei den Befürwortern der Sanierung um eine "schweigende Mehrheit": Familienväter, ältere Männer, die eben nicht in der Kurve stehen und nur "Tod und Hass dem FCB" schreien - und die auch eher selten in ihrem Leben zu einer Demo gegangen sind. Und er wundert sich über die vor allem jungen Fans, die so lautstark einen Neuanfang in der Bayernliga fordern, mit Spielen im altehrwürdigen Grünwalder Stadion - obwohl die doch viel seltener dort waren als Menschen wie er. "Es gibt keinen Verein, wo die Fans so sehr gegen die Vereinsführung arbeiten wie bei 1860. Der Verein hätte gerade die Unterstützung aller Fans nötig. Was da gerade passiert, das ist ein Dolchstoß."

Ähnlich sieht das auch Franz Majer. Er ist aus Landau/Isar angereist, nachdem er sich vergewissert hatte, dass es sich wirklich um eine angemeldete Demo handelt. Das war gar nicht so leicht, denn eigentlich handelte es sich nur um einen Facebook-Aufruf - es musste eben schnell gehen, wie zurzeit alles im Verein.

Majer hat eine hellblaue Kerze mitgebracht und versucht, sie vor dem einsetzenden Regen zu schützen. "Der Vorstand hat mein vollstes Vertrauen", sagt er. Präsident Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer, das seien endlich mal wieder sympathische und fähige Leute an der Spitze, und die müsse man jetzt unterstützen. "Außerdem: Du musst heutzutage alles nehmen, was du kriegst", sagt er, und meint damit natürlich Geld. Ja, klar, Sechzig hatte es in den achtziger Jahren schon einmal geschafft, nach Lizenzentzug aus der Bayernliga wieder in die Bundesliga aufzusteigen. "Aber das hat 13 Jahre gedauert. Und das waren vor allem ganz andere Zeiten. Das geht heute nicht mehr", sagt er.

Sie wirken wie eine kleine Minderheit, doch vielleicht sind sie tatsächlich nur die Vertreter einer schweigenden Mehrheit. Die einschlägigen Forschungsinstitute haben zurzeit aber anderes zu tun, als das heraus zu finden. Insofern ist es doch ganz gut gewesen, dass diese Demonstration stattfand. Die Stimmen der Sanierungs-Befürworter sind leise, aber zumindest wurden sie einmal gehört. Sie standen am Samstag zwar etwas verlassen im Regen, aber das zumindest freiwillig.

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