Kritik:Europa liegt in Augsburg

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Die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen singt die Konzertarie "Bella mia fiamma". (Foto: Renate Torseth)

Das Mozartfest eröffnet mit einer Reise nach Prag, zu einem der Glücksorte des Komponisten. Eindringlich singt dabei die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen.

Von Michael Stallknecht, Augsburg

In gewisser Weise, sagt der tschechische Hornist und Dirigent Václav Luks auf der Homepage des Augsburger Mozartfests, habe Europa damals vielleicht besser funktioniert als heute. Zu Mozarts Lebzeiten ist gemeint, vor der endgültigen Herausbildung der Nationalstaaten, als viele Musiker ihre Tätigkeit über Ländergrenzen hinweg entfalteten, wie halt auch der sie beschäftigende Adel quer über Europa hinweg verschwägert war. "Mozarts Europa - Europas Mozart" lautet das Motto des diesjährigen Fests zu Ehren des Komponisten, der bereits als Wunderkind fast ganz Europa mit seinem aus Augsburg stammenden Vater bereiste.

Das Mozartfest hat deshalb vorab die Künstler der kommenden zwei Wochen in ihren europäischen Heimaten besucht, um sie in sechs Kurzfilmen für seine Homepage zu porträtieren. Václav Luks in Prag oder den Tenor Ian Bostridge in London, der am kommenden Sonntag englische Gassenhauer singen wird, für die sich immerhin Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven als Arrangeure verdingten. Dass sie alle nun auch nach Augsburg reisen können, dafür hat der künstlerische Leiter Simon Pickel mit kluger Voraussicht gesorgt: Das eigentlich im Mai stattfindende Festival hatte er frühzeitig in den Oktober verschoben.

In Prag wurde Mozarts "Don Giovanni" uraufgeführt

So kommt es nun also im Eröffnungskonzert im Kleinen Goldenen Saal zur Begegnung mit dem Collegium 1704, mit dem Luks wesentlich die historische Aufführungspraxis in Tschechien gefördert hat. Und zur musikalischen Wiederbegegnung zwischen den miteinander befreundeten Komponisten Mozart und Josef Mysliveček, von dem Luks die Ouvertüre zur Oper "Ezio" und eine weitere in A-Dur mitgebracht hat. Prag gehörte zu Mozarts persönlichen Glücksorten, hier wurde sein "Don Giovanni" uraufgeführt, und nebenher hinterließ er als Gastgeschenk für die Beherbergung bei Freunden ein kleines Juwel wie die Konzertarie "Bella mia fiamma". Die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen singt sie, ebenso wie das Rondo der Donna Anna aus dem "Don Giovanni", mit großer Natürlichkeit und eindringlicher Sprachgestaltung. In der Schlussstretta muss sie sich freilich ganz schön in die Kurve legen, weil Luks rasante Tempi liebt.

Das Finale von Mozarts g-Moll-Sinfonie KV 550 wird darüber zu einer furiosen Gewittermusik, in der die Bläser den rackernden Streichern fast perkussiv in die Parade fahren. Bei den drei vorherigen Sätzen bleibt das Collegium 1704 in Detailphrasierungen wie Gesamtbogen dagegen manchmal auf sich selbst gestellt. Luks will merklich alles Romantisierende aus der zweiten von Mozarts drei letzten Sinfonien verbannen, aber sie fliegt darüber auch ein wenig sehr freundlich vorüber.

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